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Zur Genetik und Evolution der Augenfarbe bei der Haustaube

1. Neu erwachtes Interesse an der Augenfarbe

Nachdem sich die molekulargenetischen Untersuchungen bei der Haustaube vor allem mit der Gefiederfärbung befassten, wurden schnell hintereinander zwei Studien zur Augenfärbung vorgelegt. Chinesische Wissenschaftler haben sich mit den molekulargenetischen Unterschieden zwischen Perlaugen und orangeroten Augen bei Reisebrieftauben befasst (Si Si u.a. 2020). Die amerikanische Studie der Forschergruppe aus Utah (Maclary u.a. 2021) hat den Rahmen weiter gesteckt und spricht auch das dunkle Auge an. Das sind die drei Färbungen, die traditionell als Grundformen der Taubenfärbungen seit den Untersuchungen von Hollander/Owens aus dem Jahr 1939 unterschieden werden.

2. Perlaugen und Orangeaugen in der chinesischen Studie

Untersucht wurden jeweils 146 Perläugige und 146 Orangeäugige bei Brieftauben. In der Gefiederfarbe waren es alle Blaubindige, um Einflüsse auf die Augenfärbung auszuschließen. In der Augenfärbung zeigen Reisebrieftauben auch als ‚Perläugige‘ generell nicht die ausgeprägte helle, oft fast weiße Iris, die man bei Rassetauben findet. Züchter sprechen bei Brieftauben oft vom Glasauge, nicht vom Perlauge. Ein solches Auge zeigten auch die Abb. 1 des Berichts abgebildeten Tauben aus dem Versuch. Um die Pupille herum zieht sich ein heller Rand, ein ‚Perlauge‘. Diese Augen sind verbreitet auch bei nicht für Ausstellungen gezüchteten Rollertauben.

Abb. 1: Brieftauben mit orangefarbenem Auge und mit Perlauge. Quelle Si Si u.a. 2020

Im Hinblick auf die genetischen Unterschiede zum Wild-Typ wurde durch Sequenzierung des gesamten Genoms eine sogenannte Nonsense- oder Stop-Mutation W49X von SLC2A11B gefunden, die für die Pigmentveränderung in der Iris von perläugigen Haustauben verantwortlich ist. Diese Stop-Mutation bewirkt den vorzeitigen Abbruch der Synthese des entsprechenden Proteins, so dass es zum Perlauge kommt. Die meisten der getesteten perläugigen Individuen (141 von 146) waren reinerbig für diese Mutation. Die Individuen mit Orangeaugen waren alle zumindest mischerbig für den Wild-Typ, was mit der den Züchtern bekannten rezessiven Vererbung des Perlauges übereinstimmt und so auch für die helle Form des Perlauges in traditionellen Erbanalysen zutrifft (Hollander/Owen 1939).

Abb. 2: F1 (Mitte) aus perläugigem Hochfliegertäuber und einer orangeäugigen Brieftaube. Authentisches Bild eines Jungtieres mit Eltern aus dem eigenen Schlag. Quelle: Sell 2019, Abb. 197).

In der Analyse der chinesischen Forschergruppe waren fünf der Perläugigen nur mischerbig für die Mutation. Als ein möglicher Grund für die Abweichung von der Norm, dass sich das Merkmal nur bei Reinerbigkeit deutlich zeigt, wird der Einfluss von nicht lokalisierten Genmodifikationen gesehen. Auch könnte die Umfärbung des Auges der anfangs normalerweise schwarzen Augen der Taubenküken zum Orange- oder Perlauge unterschiedlich schnell erfolgen. Die Autoren halten es für möglich, dass der Prozess der Umwandlung vom schwarzen Auge der Taubenküken zur Orange- bzw. Perlfarbe mit fünf Monaten beim Klassifizieren der Tauben noch nicht abgeschlossen war. Das von den Autoren beigefügte Bild der perläugigen Brieftaube (Abb. 1) lässt allerdings auch die Möglichkeit einer Fehlklassifikation zu, denn es handelt sich bei den getesteten Tauben nicht um solche mit extrem weißen Augen, wie man sie bei Tauben im Ausstellungswesen kennt. Diese könnte man eindeutiger von Orangeäugigen unterscheiden. Die mögliche Fehlklassifikation durch noch nicht abgeschlossene Umfärbung des Auges ist dennoch unwahrscheinlich, da das Perlauge im normalen Entwicklungsverlauf der Ausfärbung des Auges keine Vorstufe zum Orangeauge darstellt. Entwicklungsgeschichtlich vermuten die Autoren, dass die Mutation zum Perlauge schon sehr früh aufgetreten ist. Ob sich ein so exakter Zeitpunkt, wie vor 5.400 Jahren, (Si Si 2020, abstract p. 2) festlegen lässt, sei einmal dahingestellt.

Das Vorkommen des Perlauges bei Brieftauben lässt sich durch die Entstehungsgeschichte der Belgischen Brieftaube erklären, bei denen neben groben Mövchen vor allem perläugige Hochflugtauben zu den Ahnen zählen, was sich auch noch in der genetischen Ähnlichkeit in den Distanzmassen für Tippler, als Nachkommen dieser Hochflieger, und Reisebrieftauben zeigt (Stringham u.a. 2012, Sell 2012, 2019 mit weiteren Belegen).

3. Anmerkungen zur dunklen Augenfarbe in unterschiedlichen genetischen Konstellationen

Im Hinblick auf die dunkle Augenfarbe schreiben die Autoren der chinesischen Studie zutreffend, dass diese schon in der Studie von 1939 mit der weißen Gefiederfarbe in Verbindung gebracht wurde. Das ist richtig, kann in der Kürze aber falsch verstanden werden. Rezessiv Weiße, um die es dabei vor allem geht, haben dunkle Augen (im Deutschen Faulaugen, im Englischen Bull-Eyes) wie der Mittelhäuser in Abb. 3 rechts. Auch viele regelmäßige Schecken mit weißem Kopfbereich haben dunkle Augen wie die Schnippentaube in Abb. 3 links. Die kurze Anmerkung sollte aber nicht den Eindruck entstehen lassen, dass es das dunkle Auge nur in Verbindung mit Weiß oder mit Weißköpfigen gäbe. Das ist nicht der Fall, wie hier das Bild eines Farbenkopfes mit dunklen Augen zeigt.

Abb. 3: Dunkles Auge bei Thüringer Schnippe (links), Süddeutschem Farbenkopf (Mitte) und bei einem weißen Mittelhäuser (rechts). Quelle: Sell 2019, Abb. 194.

Es gibt bei Tauben alle vier Kombinationsmöglichkeiten von farbigem/weißem Gefieder und orangefarbener bzw. perlfarbener/dunkler Iris.

 

Dunkles Auge

Perl- oder orangefarbenes Auge

Weiß bzw. weißer Kopf

Farbig oder farbiger Kopf

 

Abb. 4: Kombinationsmöglichkeiten von dunklen Augen einerseits und Perl- und Orangeauge andererseits und weißem oder farbigem Untergrund am Kopf. Thüringer Weißkopf rot mit dunklem Auge, Altholländischer Kapuziner fahl mit Perlauge, Zürcher Weißschwanz mit farbigem Kopf und dunklem Auge sowie Königsberger Farbenkopf blau mit Perlauge. Von oben links nach unten rechts.

Dunkeläugige Tauben gibt es sowohl als Einfarbige als auch als Schecken. Bei Schecken sowohl mit weißem als auch mit farbigem Kopfbereich.

 

Kopfbereich weiß

Kopfbereich farbig

Einfarbig

Schecken

 

Abb. 5: Dunkeläugige Farbentauben als Einfarbige und als Schecken mit weißem und mit farbigem Kopfbereich. Brünner Kröpfer weiß (Foto Layne Gardner), Arabische Trommeltaube pale-schwarz, Nürnberger Bagdette geherzt und Süddeutscher Farbenkopf (von oben links nach unten rechts).

Einen Sonderstatus nehmen unregelmäßig gescheckte ‚Fleckenschecken‘ wie Usbekische Tümmler, Brieftauben und Schautauben ein. Bei diesen ist das Auge orange oder perlfarbig, wenn das Kopfgefieder ganz oder überwiegend farbig ist. Liegt das Auge im weißen Bereich, dann ist es tendenziell dunkel, liegt es im Randbereich, ist es oft zweifarbig gebrochen. Es kann auch links und rechts unterschiedlich sein.

Abb. 6: Usbekische Tümmler Fleckenschecken aus der Zucht des Verfassers. Links ein Täuber mit weißem Kopfbereich und dunklem Auge, rechts eine Täubin mit weitgehend farbigem Kopfbereich und dadurch noch perlfarbiger Iris. Mit Zunahme der Weißanteile treten tendenziell zunehmend gebrochene und dunkle Augen auf. Quelle: Sell 2015, Abb. 559.

Eine Besonderheit sind auch die dunkeläugigen einfarbig Weißen, die gesetzmäßig aus einigen spalterbigen regelmäßig Gescheckten, wie Königsberger Farbenköpfen, Altstämmern und Berliner Tümmlern, und, weniger bekannt, aus Vogtländer Trommeltauben sowie einigen weiteren Rassen fallen.

Abb. 7: Nebenfarben der Zucht spalterbiger Vogtländer weißköpfiger Trommeltauben (Mitte). Links einfarbig blaugehämmert, rechts einfarbig weiß mit dunklen Augen. Quelle: Sell 2019, Abb. 265.

Der Begriff des Faulauges wird im Sprachgebrauch der Züchter auf Rezessiv Weiße und die einfarbig Weißen aus spalterbigen Schecken angewendet. Bei den nicht weiß gefärbten Einfarbigen spricht man von dunklen Augen, in den Standards auch von dunkelbraun. Auch optisch bestehen Unterschiede.

Die traditionelle Analyse der Erbgänge über die Auswertung systematischer Testpaarung hatte bisher nie versucht, einen einheitlichen Erklärungsansatz für die unterschiedlichen Konstellationen der dunklen Augenfarbe zu finden. In der Zucht weisen sie auf unterschiedliche Grundlagen hin. Rezessiv Weiß wird in der Regel in den Textbüchern zur Taubengenetik bei den Gefiederfärbungen behandelt. Das dunkle Auge wird als mit der weißen Färbung korrelierten Augenfärbung verstanden. Bezogen auf die Augenfarbe ist es weder rezessiv, noch dominant, sondern im Verhältnis zum Orangeauge und zum Perlauge überdeckend, epistatisch. Das hatte Gary Fillmore 1992 auch für nicht-weiße Einfarbige bei Trommeltauben und Eistauben festgestellt, und das Erbverhalten bestätigte sich später in eigenen Versuchen. Für die anderen Scheckvarianten sind in der Literatur viele Untersuchungsergebnisse und Theorien dargestellt (vgl. Sell 2012, 2015). Für die unregelmäßige Fleckenscheckung zeigte sich die bereits angesprochene Tendenz zu dunklen und gebrochenen Augen, wenn das Weiß im Kopfbereich zunimmt. Anfänglich orange- oder perläugige Fleckenschecken können sich über die Generationen schnell zu dunkeläugigen Fleckenschecken und Weißköpfen entwickeln.

4. Die amerikanische Analyse

Im Hinblick auf das Verhältnis von Perlauge zu Orangeaugen wird in einer Studie der rezessive Charakter des Perlauges bei der Kreuzung eines orangeäugigen Kupfergimpels und einer perläugigen Kapuzinertaube bestätigt (Abb. 8).

Abb. 8 und Abb. 9: Für den Versuch verwendete Tiere und Rassen, Kupfergimpel mit Orangeauge, Kapuziner mit Perlauge, Pommerscher Kröpfer blau mit typischer weißer Bavette, farbigem Kopf und Orangeauge, Nürnberger Bagdette mit scheckbedingt dunklem Auge auf weitgehend weißem Grund. Quelle: Maclary u.a. 2021.

In der F2 fielen aus dieser Kreuzung auch einige phänotypisch Dunkeläugige an, obwohl kein Elternteil ein dunkles Auge hatte. Genetisch zeigten auch diese Jungtiere Besonderheiten in den DNA auf, die typisch für Kapuziner waren, die nicht das dunkle Auge hatten. Lokalisiert in der Erbsubstanz wurde der relevante Bereich aber nicht dort, wo er bei den auch als dunkeläugig eingeordneten Jungtieren der F2 aus der zweiten Paarung vermutet wurde. Wurde in der ersten Paarung kein Ausgangstier mit dunklem Auge eingesetzt und wurden dennoch in der F2 dunkeläugige Jungtiere entdeckt, so bestand die 2. Paarung aus einem Pommernkröpfer mit orangener Augenfarbe und einer geherzten Bagdette mit dunklen Augen.

Für die Jungtiere der F2 der 2. Paarung (Abb. 9) ergab sich durch die Untersuchung im Vergleich zu dunkeläugigen und perläugigen Tieren aus einem Datensatz kein eindeutiger Hinweis auf eine Genregion, die für den dunkeläugigen Phänotyp verantwortlich sein könnte.

5. Resümé

Die Verfasser der zweiten Studie haben zur Aufdeckung von Zusammenhängen bei der Augenfärbung unter Einschluss des dunklen Auges keinen einfachen Weg gewählt. Sie haben die Fragestellung gleich mit der Frage der Scheckungen verbunden, so dass im ersten Ansatz nicht unbedingt befriedigende Antworten auf die gestellten Fragen zu erwarten waren. Von den vier in Abb. 5 in verschiedenen Genkonstellationen aufgezeigten Dunkeläugigen wurde in der Studie mit der Bagdette eine einzige, und vielleicht nicht typische Form eingesetzt. Fleckenschecken mit unregelmäßiger Scheckung (Abb. 6) wurden in der Studie indirekt angesprochen, weil solche Tiere in der F2 teilweise angefallen sind. Ein Hineintasten in die Fragestellung zunächst bei Einfarbigen wäre sicherlich zur Grundlegung einfacher gewesen. Wichtig ist aber dennoch, dass mit dieser Untersuchung schon ein Einstieg in die Analyse komplexer Scheckungen getan wurde.

Literatur

Fillmore, Gary, Eye Color, PGNV&Comments, December 1992, pp. 9-11.

Hollander, W.F., and R.D. Owen, Iris Pigmentation in Domestic Pigeons, Genetica 21, 1939, pp. 408-419.

Maclary, Emily T. u.a., Two Genomic Loci Control Three Eye Colors in the Domestic Pigeon (Columba livia), doi: https://doi.org/10.1101/2021.03.11.434326 (preprint)

Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015

Sell, Axel, Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019

Sell, Axel. Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012

Si Si, Xiao Xu, Yan Zhuang et. al, The Genetics and Evolution of Eye Color in Domestic Pigeons (Columba livia) doi:https://doi.org/10.1101/2020.10.25.340760 (preprint)

Stringham et al., Divergence, Convergence, and the Ancestry of Feral Populations in the Domestic Rock Pigeons, Currently Biology (2012), doi: 10.1016/j.cub.2011.12.045.

April 2021

AS