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Kunst, Fakes oder beides?  Taubendarstellungen in der Kunst

Alt bedeutet nicht automatisch wahr. Das gilt auch für historische Kunstwerke von Tauben. Fakes im Sinne einer bewussten Irreführung sind die Originale dennoch nicht. Meist sind es handwerkliche Fehler bei der Wiedergabe. Oft sollen Visionen vermittelt werden, bei denen sich der Maler über die Möglichkeiten züchterischer Gestaltung hinwegsetzt. Das aus eigenem Willen oder auf Wunsch des Auftraggebers. Zum Fake werden die Werke dann, wenn sie heute in den Medien kommentarlos gezeigt und in Abbildungen und Skulpturen ohne Hinweis auf die fehlende Realitätsnähe verbreitet werden. Gelegentlich, um zu suggerieren, es hätte sie so einmal gegeben.

Die weißen Schwänze der roten und gelben Englischen Kröpfer

Bekannte Beispiele sind der Text von Robert Fulton und die dazu gegebenen Zeichnungen von Ludlow im bebilderten Prachtwerk von Fulton (1876) mit weißen Schwänzen der roten und gelben Englischen Kröpfer. Dass es genetisch keine Weißschwänze waren, sondern Aschrote und Aschgelbe mit hellaschfahlen Schwänzen, kann man rückblickend aus damaligen Aussagen zu den Verpaarungen der Farben erkennen. Denn aus Aschrot x Schwarz sind ‚Strawberry‘ (in Schottland nach Fulton ‚Sandy‘ genannt) mit farbigen Schwänzen gefallen. Wenn die Roten und Gelben genetisch Weißschwänze gewesen wären, dann wären nicht nur bei Strawberry weiße Schwanzfedern aufgetreten, sondern in Folgegenerationen auch bei Blau und Schwarz. Die schönen Abbildungen von Ludlow und nicht lange danach von Schachtzabel (1910) blieben ansteckend bis heute.

  

Abb. 1: Englische Kröpfer rot und gelb bei Fulton 1876 und Abb. 2 bei Schachtzabel 1910

Kann man die gleichartigen Abbildungen bei Schachtzabel noch mit fehlenden Kenntnissen der genetischen Grundlagen entschuldigen, sollte man es heute besser wissen. Solche Bilder irritieren Züchter und geben Kritikern Auftrieb, die bei Rot und Gelb krampfhaft nach Zeichen von Fahl in den Schwanzfedern suchen, um sie den Tauben als Fehler und deren heutigen Züchtern als Unvermögen anzukreiden.

 

Abb. 3: Fehldarstellungen und Fakes, unten rechts die Realität

 

Die Irritierung der Züchter Thüringer Kröpfer über ein Jahrhundert

Schlimmer hat es noch die Züchter der Thüringer gemönchten Kröpfer getroffen. Und zwar schon, bevor sich der Name Thüringer Kröpfer etabliert hatte.

Der Deutsche Weißkopf-Kröpfer

Als Vorläufer der gemönchten Variante wird der ‚Deutschen Weißkopf-Kröpfer‘ bei Prütz 1904 unter den mittelgroßen Kropftauben beschrieben. Die Färbung war „schwarz, blau, rot oder gelb, der Kopf, die Schwingen und der Schwanz weiß, das übrige Gefieder farbig, also Mönchzeichnung“ (so wörtlich auf S. 14). Damit beschreibt Prütz allerdings die Mönchscheckung der Farbentauben mit farbigem Unterleib (Abb. 4 links). Dafür, dass diese bei Kröpfern existiert hat, gibt es sonst keine Zeugnisse. Seinen Maler, H. Susenbeth aus Stettin, hat beides nicht gestört. Weder die Textvorgabe von Prütz noch die Realität bei den Kropftauben. Denn bei diesen soll es die Mönchscheckung als Vorläufer der ‚Weißkopfscheckung‘ des Slovakischen Kröpfers und der Mönchscheckung des Schlesischen und Hessischen Kröpfern mit weißem Kopf und weißen Schwingen, und im übrigen farbig, schon lange vorher gegeben haben. Vielleicht war er auch irritiert durch die Ausführungen von Prütz im ‚Mustertaubenbuch‘ von 1885 (S. 183ff.), in dem dieser bei den Französischen Kröpfern bei Rot und Gelb, wie Fulton, Fahl mit Weiß verwechselt.

  

Abb. 4: Mönchscheckung der Farbentauben am Beispiel des Thurgauer Mönchs (links), Baldhead-Scheckung durch Susenbeth (Mitte) und die bei Kröpfern vorhandene Mönchscheckung mit weißem Kopf und weißen Schwingen am Beispiel eines Hessenkröpfers (rechts).

Der bei Kropftauben vorhandenen Mönchtyps hat daher einen weißen Kopf, weiße Schwingen, farbigen Schwanz und Unterbauch (Abb. 4 rechts). Susenbeth (Abb. 4 in der Mitte) war aber offensichtlich beeindruckt von der Baldhead-Scheckung der englischen Short-Faced-Tümmler, die aus den Bildern im Fulton bekannt ist. So malte er einen schwarzen Baldhead als Kröpfer mit diesem Muster, weißer Kopf, Schwingen, Schwanz und Bauch. Somit weder die von Prütz im Text beschriebene Mönchscheckung der Farbentauben, noch die der Kröpfer.

Der Thüringer Kröpfer bei Schachtzabel

Der Name ‚Thüringer Kröpfer‘ wird erst durch Schachtzabel 1910 eingeführt. Er ist ein spitzkappiger Kröpfer, der auch in der gemönchten Variante vorkommt. Prütz verlangte beim Deutschen Weißkopf-Kröpfer weißen Kopf, weiße Schwingen und weißen Schwanz. Schachtzabel macht einen Unterschied bei den Farbenschlägen. Für Blau und Schwarz verlangt er nur einen weißen Kopf und weiße Schwingen. Das andere Gefieder, und damit auch der Schwanz, sind farbig. Das ist die in Abb. 4 rechts gezeigte Mönchscheckung der Kropftauben. Davon abweichend fordert er bei Rot und Gelb (genetisch Aschrot), wie bei den Englischen Kröpfern, weiße Schwingen und Schwänze sowie weißen Unterbauch. Die Informanten Schachtzabels waren die damaligen Experten K. Katterfeld, O. Winkler und P. König I-Ruhla. Und diese hatten, wie Schachtzabel bei den Englischen Kröpfern, offenbar die hellen Schwanzfedern und den hellen Unterleib der Roten und Gelben mit ‚Weiß‘ verwechselt. Und so hat Schoener als Maler der Bildtafeln bei Schmalenbach beim gelben Tier dann auch die Baldhead-Scheckung von Susenbeth wieder aufleben lassen. In Abb. 5 ganz links, etwas verdeckt durch den ebenfalls kappigen schwarzen Böhmischen Kröpfer und die glattköpfigen Schlesier.

   

Abb. 5: Thüringer Kröpfer gelb, Böhmischer Kröpfer schwarz und Schlesische Kröpfer blauschimmel und Platten- oder Weißkopf rot bei Schachtzabel 1910

Die Mönchscheckung der Thüringer im Wandel der Musterbeschreibungen bis 2002

Das Verwirrspiel war für den Züchtern damit noch nicht zu Ende. 1926 kam die Musterbeschreibung der Taubenrassen durch Ernst Schmidt im Verlag der Geflügel-Börse in Leipzig 1926 heraus. Im Text kein Unterschied zum Schachtzabel. In der Musterzeichnung von Carl Witzmann aber ein Widerspruch zum Text mit einem schwarzen Thüringer Mönch in der Baldhead-Scheckung. Wieder zurück zu Susenbeth 1904! Dieser Fehler wiederholte sich offenbar in der Musterbeschreibung von 1934, denn Vojtech Mrstik geht es in seinem tschechischen Taubenbuch nicht besser als den deutschen Züchtern und er übernimmt die Zeichnung als Musterbild für sein vor 1950 geschriebenes und 2009 posthum veröffentlichtes Werk.

  

Abb. 6: Die Vision eines schwarze ‚Baldhead-Kröpfer‘ als Musterbild in den Musterbeschreibungen von 1926 und 1934 (Abbildung bei Mrstik 2009)

Bekannter als diese Bilder ist das farbige Gruppenbild von Witzmann (hier in Abb. 9 in der Collage). Blaue und schwarze Mönche werden erstmalig korrekt, die Gelben und Roten aber wieder falsch mit weißen Schwänzen und Unterbauch gezeigt. Weil es optisch so schön war, war es für die Orientierung in der Zucht und die Bewertung der Roten und Gelben und Rotfahlen und Gelbfahlen umso schädlicher.

Die Folgezeit ist durch unverständliche Formulierungen in Rassebeschreibungen und den Musterbeschreibungen 1951 und 1954 geprägt. Als Musterbild wird ein Thüringer mit weißen Schwingen, weißem Unterbauch, aber mit farbigem Schwanz gezeigt (Abb. 7 links). Das hat Züchter sogar zu Versuchen verleitet, den weißen Unterbauch bei farbigem Schwanz von Elsterkröpfern zu übertragen. Das war bei einigen Tieren noch auf Schauen erkennbar, aber nicht vollständig gelungen. Wolfgang Schreiber (2015) hatte vermutet, dass diese Scheckung ursprünglich einmal als ‚Jakobiner-Scheckung‘ bei Französischen Kröpfern existiert hatte. Allerdings mit tieferem Kopfschnitt. Das Weiß bis auf die Brust hinabreichend. In den Standards 1951 und 1954 ist neben den Thüringern der ebenfalls spitzkappige Böhmische Kröpfer aufgeführt. Auch dieser, gemessen an den vorhandenen Tieren, mit der Mönchscheckung der Farbentauben falsch gezeichnet (Abb. 7).

   

Abb. 7: Thüringer und Böhmischer Kröpfer in den Musterbeschreibungen 1951 und 1954 und das Foto eines Thüringer fahlen Kröpfers aus deutscher Zucht aus dem Jahr 1961. Unverkennbar in der Realität bei dem Foto aus dem Buch von Levi ein fahler, und nicht weißer Schwanz, sowie ein fahler Unterbauch. Quelle: W. M. Levi, Foto Stauber.

Richtigstellungen im Ringbuchordner der Musterbeschreibungen der Tauben

Im Ringbuchordner von 2002 wird der Realität Rechnung getragen. Der Text ist jetzt eindeutig für alle Farben: Gemönchte haben einen weißen Kopf und 7-10 weiße Handschwingen, das übrige Gefieder ist farbig. Für Rot und Gelb wird beim Thüringer eine helle Farbe für Unterbauch und Schwanz gefordert, nicht mehr weiß. Im Musterbild durch Jean-Louis Frindel bei dem Gelbfahlen deutlich erkennbar der Unterbauch beige, der fahle Schwanz nicht so deutlich erkennbar aschfahl. Auch die Standardvorstellung beim Böhmischen Kröpfer sind 2002 korrigiert. Im Einklang mit dem tschechischen Standard ist er in Mährischer Kröpfer umbenannt. Weiß ist nur noch der Kopf. Damit ist man beim Böhmischen Kröpfer unter neuem Namen ‚Mährischer Kröpfer‘ in der bei Schachtzabel 1910 gezeigten Scheckung zurückgekehrt.

         

Abb. 8: Thüringer Kröpfer (links) und Mährischer Kröpfer im Musterbild von 2002 (Jean Louis Frindel), ganz rechts in der Schrift des Zentralexpertenkomitees der Taubenzüchter Tschechien 2011.

Was wäre wenn?

Ausgangspunkt der Mißverständnisse waren falsche Wahrnehmungen und auch genetisch nicht realisierbare Idealvorstellungen. Wenn Susenbeth 1904 in seiner Zeichnung der von Prütz vorgegebenen Beschreibung der Mönchscheckung der Farbentauben gefolgt wäre, hätten die Züchter es vermutlich schnell geschafft, ihren Kröpfern diese Mönchscheckung anzuzüchten. Die Entwicklung hätte eine ganz andere Richtung genommen. Stattdessen war Susenbeth wohl inspiriert von den schönen Baldhead-Scheckungen mit weißem Unterbauch der Tümmlerrassen im Werk von Fulton. Das dürfte zusammen mit der falschen Interpretation von  fahler Schwänze und fahler Unterbauchfarbe als Weiß die nachfolgenden Konfusionen ausgelöst haben. Wenn man die heutigen Kunstmalereien und Skulpturen und die zahlreichen ‚Likes‘ in den sozialen Medien für offenkundige Fakes beobachtet, dann scheint man allerdings nicht weit davon entfernt, einen erneuten Kreislauf der Mißverständnisse wie im Jahr 1904 zu starten. Auch Künstler wären manchmal gut beraten, die Realität und genetischen Gesetzmäßigkeiten nicht zu sehr aus dem Blick zu verlieren.

 

Abb. 9: Darstellungen und Fehldarstellungen von Thüringer gemönchten Kröpfern in der Literatur

 

Literatur:

Deutscher Rassetaubenstandard in Farbe, Ringbuchordner, o.J. mit Bildern von Jean Louis Frindel.

Die Musterbeschreibung der Rassetauben, mit 188 Musterbildern und zahlreichen Textabbildungen (Karl Witzmann). Herausgegeben von Ernst Schmidt. Leipzig Verlag der Expedition der Geflügel-Börse (Richard Freese), 1926.

Die Musterbeschreibung der Tauben, S. Jürgens Verlag München, 1951 (erste Auflage), 1954 (dritte Auflage) mit Zeichnungen von Carl Witzmann, Reutlingen, und Kurt A. Meißner, Dresden

Fulton, R., The Illustrated Book of Pigeons. London, Paris, New York and Melbourne 1876.

Levi, Wendell M., Encyclopedia of Pigeon Breeds, Jersey City 1965.

Mrstik, Vojtech, Holubi plemena a jejich chov. Dosud nevydane dilo, Napsane v letech 1942-1950. Pohledy do Historie. Praha 2009 Vaclay Tichy, nakladatel. Taubenrassen und ihre Zucht. Bis dahin nicht veröffentlichtes Werk, geschrieben in den Jahren 1942-1950. Reihe: Einblicke in die Geschichte. Prag 2009 Vaclay Tichy, Herausgeber (deutsch und tschechisch)

Prütz, G., Die Arten der Kropftauben, ihre Naturgeschichte, Züchtung und Pflege, mit 13 Tafeln von H. Susenbeth=Stettin,,Berlin, 1904.

Prütz, G., Illustrirtes Mustertaubenbuch, Hamburg 1885.

Prütz, G., The Types of Pouters, their natural history, breeding and care, with 13 plates by H. Susenbeth = Stettin, Berlin, 1904 (German language)

Schachtzabel, E., Illustrated magnificent work of all pigeon races (watercolors by A. Schoener), Würzburg o.J. (1910), German language.

Schreiber, Wolfgang, Brünner und Französische Kröpfer, Geflügelzeitung 3/2015, pp. 8-11.

Sell, Axel, Genetics of Pigeon Coloration, Achim 2015, German language

Sell, Axel, Pigeon Genetics, Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012

The Standard of Fancy Breeds, S. Jürgens Verlag Munich, 1951 (first edition), 1954 (third edition) with drawings by Carl Witzmann, Reutlingen, and Kurt A. Meißner, Dresden, German language

The Standards of Fancy Breeds, with 188 pattern images and numerous text images (Karl Witzmann). Published by Ernst Schmidt. Leipzig publisher of the Expedition ‘Geflügel-Börse’ (Richard Freese), 1926, German language