Home

Buch-Shop  

Ausstellungen

Genetik

Archiv

Literatur

 Links

Impressum

 

 

Book-Shop

Shows

Genetics

Archive

Literature

 

  Datenschutz

 

Taubenliteratur – unterhaltsam, aber auch von Nutzen für die Zucht

Manchmal wünscht man engagierten Züchtern und Meinungsträger in den Clubs, sie wären durch Aufzeichnungen aus der Vergangenheit etwas besser über die Entwicklung ihrer Rasse und mit dieser verwandten Rassen bewandert. Dann könnten sie Entwicklungsphasen, Fort- und Rückschritte bei der Ausrichtung der Zucht besser einordnen und berücksichtigen. Das wäre auch gut, um zu erkennen, wann die eigene Rasse durch vorgebliche ‚Zuchtfortschritte‘ in die Bereiche anderer Rassen eindringt und wann Identisches als etwas Neues unter anderem Namen propagiert wird.

Wer durch Zufall einmal auf alte Abbildungen und heute ungebräuchliche Begriffe stößt, dem ist zu wünschen, dass er bei Freunden oder in Fachbibliotheken Nachschlagewerke findet. Nur dann kann er  zwischen kurz hingeworfenen Skizzen, Visionen, mangelnder Recherche bei der Übernahme von Behauptungen und technischen Fehlern in Zeichnungen und authentischen Zeugnissen unterscheiden. Nicht alles, was alt ist, ist auch richtig. Auch die heutigen Fake-News werden einmal alt sein und deshalb nicht richtig. In der Geschichtswissenschaft gibt es Methoden und Prinzipien, an denen man sich zur Abklärung der Glaubwürdigkeit auch in der Taubenfachliteratur orientieren könnte.

Abb. 1: Taubenrasse, Entstehung, Herkunft und Verwandtschaften, Achim 2009

Unbeabsichtigt war bei späteren Autoren die falsche Übersetzung des damals üblichen altdeutschen Begriffs ‚reüssisch‘ und in späteren Auflagen ‚reussisch‘ und synonym ‚gehößerlt‘  für rau- bzw. federfüßig in der deutschen Fassung im Vogelbuch von Gessner 1557. Da die gezeichnete federfüßige Taube heutigen Trommeltauben nicht unähnlich war, kamen die Trommeltauben seitdem bei Bechstein 1807, Brehm 1857 und in der deutschen Folgeliteratur aus Rußland. Aus reüssisch wurde russisch.

Eine Vision war dagegen die Erfindung der porzellanfarbigen Eistauben, die im Schachtzabel 1910 so kunstvoll mit weißer Finkenzeichnung und kleinem Punkt auf den Schwanzfedern dargestellt wurden. Vater des Gedankens war wohl Hugo du Roi, der nach dem Vorwort Schachtzabel und dem Künstler bei der Gestaltung der Visionen zur Seite stand. Dem Ziel standen genetische Unvereinbarkeiten im Wege. Das schloss nicht aus, dass sie auf Ausstellungen gezeigt und als Porzellantauben bewertet wurden. Dass es keine waren, wurde durch den Autor des Eistaubenberichts im Wittig (1925) schon geschrieben. Es bestätigte sich viel später durch die Funde von ‚Porzellantauben‘ von Hugo du Roi im Naturhistorischen Museum in Braunschweig. In der deutschen Literatur und Musterbeschreibung wurde bis ins letzte Jahrzehnt an der Version von Schachtzabel festgehalten

Abb. 2. Eis- und Porzellantauben in der Vision und in der Realität. Quelle: Sell, Taubenrassen, Achim 2009

Abb. 3:. Porzellantauben in der Realität. Quelle: Sell, Taubenrassen, Achim 2009

Absicht dürfte auch der Versuch Moores sein, den von ihm und seinen Freunden offenbar geliebten, von der Türkischen Taube als Ausgangsrasse schon weit entfernten Englischen Carrier mit der Legende einer großartigen Botentaube zu verbinden.

  

Abb. 4: Cover der Monographie ‚Brieftauben und ihre Verwandten‘ sowie die Streckführung der Arabischen Taubenpost; Cover ‚Pigeon Genetics‘

Für die praktische Zucht sind die neueren Erkenntnisse über Zuchtmethoden, genetische Koppelungen, Korrelationen und Unvereinbarkeiten bedeutsam. Wozu Züchter früher Jahrzehnte gebraucht haben, und was sie teilweise durch untaugliche Rezepte wieder vernichteten, dazu braucht man heute wenige Generationen.

 

Abb. 5: Sell, Taubenrassen. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung. Strukturen, Figuren, Verhalten, Zucht und Vererbung in Theorie und Praxis, Achim 2019

Nicht nur für die praktische Zucht bedeutsam, auch etwas Kenntnis über Letal- und Semiletalfaktoren, über Beziehungen zwischen Farbenschlägen und die historischen Wurzeln von Farbbezeichnungen wie Almond wäre den Entscheidungsträger im Hinblick auf Standardisierung und Anerkennung zu wünschen. Bei Tauben ist auch nicht jeder Farbenschlag eine eigene Rasse, wie genetische Laien oft vermuten.

www.taubensell.de 3. April 2020