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Weniger Taubenzüchter und eine Vielzahl an Rassen und Farbenschlägen

Der Rückgang der Rassegeflügelzucht und darunter auch die Rassetaubenzucht ist kaum aufzuhalten. Das sollte kein Grund sein, den Prozess von innen heraus zu beschleunigen. Viele Rassen und viele Farbenschläge einerseits und sinkende Züchterzahlen andererseits ergeben für einige Ratgeber eine einfache Rechnung: Farbenschläge streichen und neue Rassen verbieten. Dann stimmt die Relation wieder. Man wird den seltenen Stettiner Tümmler aber nicht damit retten, dass man alle Farbenschläge bis auf den Blauen verbietet. Auch die Breslauer und Prager werden nicht dadurch gefördert, dass man die Zahl der Farbenschläge im Standard reduziert.

Abb.1: Seltene Kurzschnäblerrassen. Quelle: Sell, Pommersche Taubenrassen, Achim 2010

Auch anderen Rassen wird hilft man nicht damit, dass man Zwischenfarbenschläge, wie z.B. Dunfarbene, die nach der Kreuzung eines Gelben mit einer Schwarzen und auch bei späteren Paarungen auftauchen, von den Schauen verdammt. Man verprellt im Gegenteil einige Züchter, die sich über Raritäten und Farbenvielfalt freuen. Farbenschläge sind keine eigene Rasse. Auch gelegentlich anfallende Zwischenfarbenschläge vermindern nicht die Zuchtbasis. Sie können mit anderen Farbenschlägen verpaart werden und Betrachter auch erfreuen, wenn sie nicht oder nur kurze Zeit als Spezialzucht gehalten werden. Ein zeitweiliges Verschwinden von Farbenschlägen bedeutet nicht, dass auch die Gene verschwunden wären, wie oft behauptet wird. Sie können sich unverfälscht in späteren Generationen wieder zeigen.

Die Vielzahl der Farbenschläge ist dadurch vorhanden, dass Taubenzüchter erfolgreich Farbenschläge miteinander verpaaren. Allein dabei fallen mehr Farbenschläge an, als sich viele langjährige Züchter oder Halter, die auch hohe Ehrenämter in der Organisation ausfüllen, vorstellen können. Der Umgang mit vielen Farbenschlägen ist gleichzeitig eine Spielwiese, auf der Züchter genetische Kenntnisse gewinnen und praktisch Vererbungsgesetze erleben. Mit dem bewussten Ausschluss neuer, seltenen und sporadisch auftretender Färbungen von den Schauen versperrt die Organisation den in der Rassetaubenzucht wichtigsten Weg zum Aufbau genetischen Grundwissens.

  

Abb. 2: Jeweils drei Farbenschläge, die sich in der Zucht sehr gut ergänzen. Quelle: Axel und Jana Sell, Vererbung bei Tauben, Oertel & Spörer 2004, 2007

Viele Züchter haben trotz der Hindernisse genetische Kenntnisse aufgebaut, die sie erfolgreich beim Erhalt seltener Rassen einsetzen. Viele Rassen wären nicht mehr vorhanden, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit Vitalitätsanleihen bei anderen genommen hätten. Auch verschwundene Rassen sind aus wenigen verbliebenen Tieren oder aus verwandten Rassen nach verheerenden Kriegen wieder entstanden, etwa die durch Hans Dondera wieder herausgezüchteten Turbiteen und auch die gelegentlich wieder gezeigten Domino-Mövchen.

Abb. 3: Turbiteen und Domino-Mövchen als schon häufig verschwundene oder als verschwunden gemeldete Mövchenvarianten auf einer Schau in Leipzig. Quelle: Critical Issues Part II, p. 57 und ‚Verständnis und Missverständnisse in der Taubenzucht‘, Achim 2020.

Die zur Stützung der Abwehr neuer Rassen und Farbenschläge immer wieder gebrachte These, dass das Erbgut einer Rasse oder eines Farbenschlage für immer verloren ist, ist allenfalls teilweise richtig. Das alte Erbgut geht bei fast allen heutigen Rassen durch Kreuzungen mit anderen Rassen, Mutationen und Selektion teilweise verloren. Bei Dürigen (1906) in der Zeichnung gut zu sehen die alte und die neue Zuchtrichtung beim Malteser. Ähnlich der Typwandel beim Kasseler Tümmler.

 

Abb. 4: Malteser alter und neuer Zuchtrichtung bei Dürigen 1906 und die Entwicklung der Pfautaube von Buffon 1772, Selby 1835 bis heute auf dem Cover von Taubenrassen, Achim 2009.

Abb. 4: Alte und neue Zuchtrichtung beim Kasseler Tümmler Quelle: Sell, Taubenrassen, Achim 2009.

Solch gravierende Typveränderungen sind ohne Kreuzungen mit anderen Rassen und ohne Genaustausch nicht denkbar. Es handelt sich um bewusste züchterische Gestaltung im Schönheitswettbewerb. Nicht jeder liebt das Neue. Wenn die Mehrheit der Züchter dem neuen Ideal aber folgt, verdrängt das Neue das Alte, eine ‚schöpferische Zerstörung‘. Ob positiv oder negativ, mag jeder für sich entscheiden. Es sollte uns aber davon abhalten, sich gegenüber anderen zu sehr als Bewahren ‚uralter‘ Rassen darzustellen, die unbedingt vor Neuem geschützt werden müssten.    

Selbst Molekulargenetiker (A. Biala et. al im Journal of Animal & Plant Sciences, 25(6): 2015, S: 1741-1745) waren bei Analysen überrascht, wie ‚durchmischt‘ der Genpool in den untersuchten Rassen war. Schade, dass die für AAB und andere Bestimmungen zuständigen Gremien nur einen eingeschränkten Einblick in das tatsächliche Zuchtgeschehen und die Fähigkeiten vieler Züchter haben und durch simplifizierenden Rat in ihrer restriktiven Position noch bestärkt werden.

Man kann Rassen und Farbenschläge nur mit Hilfe kenntnisreicher Züchter erhalten. Diese werden aber nicht gehört. Es kann nicht gut enden, wenn Unwissende den Unmündigen den Weg weisen wollen. Die Thematik klingt in einigen Beiträgen in der Serie ‚Critical Issues in Pigeon Breeding. What we know and what we believe to know‘ an, wird aber auch da kaum die eigentlichen Adressaten erreichen.

        

Abb. 5: Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, 2019, Verständnis und Missverständnisse in der Taubenzucht http://www.taubensell.de/003_Neu_Buchshop/taubenbuch.htm