Zwischenfarbenschläge
Wie viele Tauben hätte Noah auf seiner Arche
nehmen müssen, um – von den Schimmeln abgesehen - die acht
geschlechtsgebundenen Farbenschläge der Thüringer Einfarbigen zu
bewahren? Wenn er etwas von Taubengenetik verstanden und den
Stammbaum der Tauben gekannt hätte, dann wären es nur zwei: Aus dem
im Schaubild gezeigten Paar wird man bei der dort genannten
genetischen Ausstattung alle acht Farbenschläge erhalten (Abb. 1).
Das ist sogar einer mehr als in der Musterbeschreibung genannt.
Abb. 1:
„Zwischenfarbenschläge“ bei Thüringer Einfarbigen
Anerkannt sind die drei kennfarbigen
Täuberfarben Blaugrundfarbig, Hellgrundfarbig und Gelbgrundfarbig
sowie die vier kennfarbigen Täubinnenfarben Blau mit Binden,
Blaugehämmert, Silberfarbig mit Binden und Gelercht.
‚Graugrundfarbige‘ Täuber fallen gelegentlich in der Zucht an, sind
aber nicht anerkannt.
Als Ausgangsfarbenschläge der Farbgruppe können
blaugrundfarbige Täuber und blaubindige Täubinnen betrachtet werden
(Abb. 2). Sie haben genetisch die geringsten Abweichungen von der
blaubindigen Feldtaube. Die Täuber besitzen, für Experten erkennbar,
neben der ‚Wolkung‘ im Schild noch einen braunroten Noster (Halbmond
auf der Brust) und einen Silberkranz am Hinterhals.
Abb. 2: Thüringer
Einfarbige blaugrundfarbiger Täuber und blaue Täubin.
Quelle: Pigeon Genetics. Applied Genetics in the
Domestic Pigeon, Achim 2012
Der braunrote Noster (Halbmond auf der Brust)
soll sich auch bei den blauen und blaugehämmerten Weibchen zeigen
und kommt bei anderen Farbenschlägen, wie den Gelerchten und
Gelbgrundfarbigen, in der Verdünnung als Gelb zum Ausdruck (Abb. 3).
Abb. 3: Thüringer
Einfarbige gelbgrundfarbiger Täuber (rechts) und gelerchte Täubin
(links). Quelle: Pigeon Genetics. Applied
Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012
Wie das Beispiel zeigt, wäre es vorschnell,
wenn Zuchtausschüsse zeitweilig nicht vorhandene Farbenschläge ‚zum
Schutz der Rasse‘, wie es oft gefordert wird, aberkennen. In diesem
Fall müssten alle sechs das Neuzüchtungsverfahren durchlaufen und
würden – je nach Sichtweise - Zuchtausschüsse einige Zeit von
anderen, und vielleicht wichtigeren Aufgaben abhalten, oder ihnen
Daseinsberechtigung geben. Gezeigt wurde das bereits im Jahrbuch der
Deutschen Rassetaubenzucht 2019. Auch wenn sich dort im Druck
Verzerrungen ergeben haben, dürfte die Aussage des Puzzles für
genetisch Versierte deutlich geworden sein. Den Schlüssel zur
Auflösung des Puzzles hatte Andreas Leiß mit seinen Untersuchungen
schon vor Jahrzehnten gefunden. Es ist die Kombination aus der
geschlechtsgebundenen rezessiven Vererbung des Frosty-Gens und der
Verdünnung sowie der nicht geschlechtsgebundenen Vererbung des Gens
für die Hämmerung.
Literatur:
Ilgen, Horst (2000), Thüringer Farbentauben, in: Erich Müller
(Hrsg.), Alles über Rassetauben Band 4 Farbentauben, Oertel+Spörer,
S. 103-133.
Leiß, Andreas (2000), Genetische Analyse der Kennfarben der
Thüringer Einfarbigen, Deutscher Kleintierzüchter, Ausgabe Geflügel
Nr. 18, S. 24 ff.
Sell, Axel (2015), Genetik der Taubenfärbungen, Achim
Sell, Axel (2012), Pigeon Genetics. Applied
Genetics in the Domestic Pigeon, Achim
Sell, Axel (2019), Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen
züchterischer Gestaltung, Achim, insbesondere S. 319-327.
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