Thüringer Schweiftauben
Thuringian Tail Pigeon (see below)
Wer als ornithologisch
Interessierter den Namen "Schweiftaube" liest, der wird zunächst an eine
Wildtaubenart denken. Sie hat ihren Namen nach ihrem langen Schwanz
erhalten und wird daher auch Langschwanztaube genannt. Andere Namen sind
Kuckucktaube oder englisch "large Cuckoo Dove".
Diejenigen, die sich auch
für die Naturgeschichte der Haustauben interessieren, werden auf den
Begriff der Schweiftaube möglicherweise schon bei Bechstein gestoßen sein,
der diese Bezeichnung in der 2. Auflage seiner 'Gemeinnützigen
Naturgeschichte' im Jahr 1807 auf S. 1012 f. für eine Untergruppe der
'einheimischen Feldtaube' verwendet. Die Klassifikation der
Taubenfärbungen erscheint bei Bechstein aus heutiger Sicht manchmal etwa
eigenwillig. Eingeordnet wird die Schweiftaube unter den 'Feldtauben mit
doppelter oder zweitheiliger Zeichnung'. Diese 'doppelte' Zeichnung findet
er bei Starenhälsen z.B. auf Brust und Flügel, bei der Schweiftaube auf
Flügeln und Schwanz. Diese Tauben würden auch 'Einfarbige Mönche' genannt,
weil vermutet wird, dass sie aus Weißköpfen und einfarbigen Tauben
entstanden sind. Am Scheitel und am Schwanze hätte sich die weiße Farbe
verwischt. Den Namen hätten die Tauben, weil sie neben den zwei dunklen
Binden auf den Flügeln vor der dunklen Schwanzbinde die weiße Aufhellung
besäßen. Charakteristisch ist die dunkle Schwanzbinde, der dunkle "Streif,
welcher sich im Flug sehr gut ausnimmt und welchen die Taubenliebhaber
dann einen Schweif nennen." Vor und hinter dem Thüringer Wald wären das zu
seiner Zeit die Modetauben.
Mode kommt und vergeht.
Hier hat offenbar kurz danach die Mode gewechselt, denn in der
nachfolgenden Literatur konnte der Verfasser die Schweiftaube unter dieser
Bezeichnung nicht mehr finden. Die Beschreibung bei Bechstein dürfte das
Überleben auch kaum erleichtert haben. Der Name 'Einfarbiger Mönch' für
eine Taube ohne weißen Kopf ist Außenstehenden kaum zu vermitteln. Dass
sich obendrein am Kopf die weiße Farbe von Weißköpfen mit dem farbigen
Halsgefieder 'verwischt', das kann man sich bei Schimmeln vorstellen und
vielleicht so beschreiben. Bei Schecken, und das sind auch die Weißköpfe,
gibt es dagegen relativ klare Abgrenzungen von völlig weißen und völlig
andersfarbigen Federfluren. Das mögliche Zuchtziel war genetisch nicht zu
erreichen, die Beschreibung wohl eher ungenau oder, noch wahrscheinlicher,
aus den Merkmalen mehrerer Tauben zusammengefügt.
An Farbenschlägen wurden
silberfarbige, fahle, mehlige, lerchenstoppelige, hammerschlägige und
schimmelige oder grundfarbige Schweiftaube aufgezählt. Der Farbenschlag
Schimmel zeigt in einigen Exemplaren möglicherweise den als 'verwischt'
empfundenen Übergang am Kopf. Blaue und Silberfarbige zeigen die dunklen
Binden auf den Flügeln und auf dem Schwanz. Dazu gekommen sein könnte bei
der Schweiftaube ein Faktor, der eine Aufhellung des Schwanzes vor der
Schwanzbinde bewirkt. Das gibt es und ist Rassemerkmal beim (hohligen)
Berner Spiegelschwanz und man sieht es auch bei der Klippentaube, der
östlichen Felsentaube. Man findet es auch, wenn auch weniger ausgeprägt,
bei türkischen Rollertauben, bei kennfarbigen (faded) Weibchen und
spalterbigen kennfarbigen Täubern, wobei die Aufzählung nicht vollständig
sein dürfte.
Rock
Pigeon and Eastern Rock Pigeon
Quelle: Axel Sell, Taubenrassen, Achim
2009.
In einem interessanten
Artikel stellt Christian Reichenbach in der Geflügelbörse 16/2008 eine
Beziehung zwischen der Schweiftaube bei Bechstein und den heutigen
Thüringer Einfarbigen her. Diese wurden erst 1951 offiziell anerkannt,
sind als Rasse aber nachweislich wesentlich älter. Für eine Verbindung
spricht das gemeinsame Verbreitungsgebiet. Dafür spricht auch, dass
Bechstein die Bezeichnung 'grundfarbig' im Zusammenhang mit Mönchtauben
und auch mit der Schweiftaube nennt. Blau-, Hell- und Gelbgrundfarbig sind
Bezeichnungen der Täuberfarben der Thüringer Einfarbigen. Wie schon im
Buch Taubenrassen (S. 80) dargestellt, widerspricht die Beschreibung bei
Bechstein selbst aber dieser Interpretation, soll die schimmelige oder
gleichbedeutend grundfarbige Schweiftaube doch dunkelbraune Flügel- und
Schwanzbinde haben. Das trifft auf die grundfarbigen Täuberfarben der
Einfarbigen nicht zu, die Binden sind hier nur angedeutet. Möglich ist es
dennoch, dass die Vermutung von Christian Reichenbach mit seinem Gespür
für Farbentauben einen wahren Kern enthält. Denn bei blaugrundfarbigen
Täubern kann man gelegentlich eine leichte Aufhellung vor der Schwanzbinde
erkennen oder erahnen. Im Flug ist das eher sichtbar als auf dem
Schlagboden. Die schimmeligen oder blaugrundfarbigen Schweiftauben könnten
auch unsere heutigen Blaugrundfarbigen gewesen sein. Dass diese
geschlechtsgebunden genetisch nicht die von Bechstein beschriebenen Binden
haben konnten, das konnte Bechstein zu seiner Zeit nicht wissen. Diese
Binden hatten aber die blauen und silbernen Weibchen, so dass sie
zumindest im Stamm vorhanden waren. Dass allein hat vielleicht genügt, den
Eindruck zu erzeugen, dass es solche Tauben geben könnte.
Thuringian
Self blue ground colored cock (with erased bars) and blue hen at the left,
and light ground colored cock (dilute frosty) at the right
Quelle: Axel Sell, Taubenrassen, Achim
2009.
Dass in den Musterbeschreibungen manchmal etwas hineingeschrieben wird,
was genetisch nicht zu realisieren ist, dass Beschreibungen und auch
historische Zeichnungen nicht der Realität entsprechen, das ist so
ungewöhnlich nicht. Die Homepage des SV der Thüringer Kröpfer ziert z.B.
noch immer das schöne von Witzmann gezeichnete Bild, auf dem gelbe und
rote gemönchte Kröpfer mit völlig weißem, statt mit fahlem Bauch und
Schwanz gezeigt werden. Genetisch ist das bei den in der Rasse vorhandenen
Erbfaktoren nicht möglich. Für die Thüringer Einfarbigen hat Christian
Reichenbach bereits angemerkt, dass sie im Bild der heutigen
Musterbeschreibung auch nicht leicht zu erkennen sind. Künftigen
Generationen wird so vielleicht der Eindruck erweckt, dass die Thüringer
Einfarbigen im Jahr 2013 wie in der Musterbeschreibung abgebildet
ausgesehen hätten. Uns geht es heute vielleicht so wie Bechstein und
seinen Lesern damals.
Gestützt wird die Vermutung von Christian Reichenbach über eine
Verwandtschaft der heutigen Thüringer Einfarbigen mit der Schweiftaube
Bechsteins durch das Auftreten
solcher 'Schweiftauben' in der Nachzucht nach Kreuzungen mit Thüringer
Einfarbigen, die der Verfasser vorgenommen hatte. Die Aufhellung vor der
Schwanzbinde ist möglicherweise ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten.
Schweiftaube: Frosty
gelerchte Täubinnenfarbe mit Farbaufhellungen vor der Schwanzbinde
Tail-Pigeon from the author's loft with Thuringian Self in the ancestry
In der Musterbeschreibung
der Thüringer Einfarbigen wird über den 'Schweif' und die Aufhellung vor
der Schwanzbinde nichts gesagt, vielleicht achten die Züchter einmal bei
den blaugrundfarbigen Täubern und den silbernen und gelerchten Täubinnen
darauf, da sich die Erscheinung bei diesen Farbenschlägen am ehesten
erkennen ließe.
Literatur:
Bechstein, Johannes M., Gemeinnützige Naturgeschichte
Deutschlands nach allen drey Reichen, 3. Band, 2. Auflage Leipzig 1807.
Ilgen, Horst, und Bernd Herbold, 100 Jahre
Sonderverein der Thüringer Farbentauben. Chronik 1910-2010, Amadeus
Verlag, Sonnenberg 2010.
Reichenbach, Christian, Genetik Geschichten: Die
Evolution der Thüringer Einfarbigen, Geflügel-Börse, 16/2008, S. 10-12.
Sell, Axel, Taubenrassen, Achim
2009.
Thuringian Tail Pigeons
In German language 'Schweif' is a rather seldom used
term for tail. 'Schwanztaube' could be translated as tail-pigeon and was
used by Bechstein about 1800 to describe the specific coloration of a
field pigeon. According to Bechstein the breed at that time was popular in
Thuringian, but obviously only for a short period since later authors did
not mention them. The term today is used for a wild-dove with a long tail,
the 'Langschwanztaube', also known as large Cuckoo Dove. The Tail-Pigeon
from Bechstein had lightened tail feathers in front of the dark tail bar.
The distinct contrast was best visible when flying. Today we do not have
pigeons that go conform with Bechstein's description. There are some
similarities with the Berne Mirror Tail pigeon and also the Eastern Rock
Pigeon, also some tumbler breeds from Turk and some faded pigeons. But it
seems not probably that those breeds are related to the 'Thuringian Tail
Pigeon'. Thus the original breed might have got extinct. However, it seem
possible also that Bechstein's description in some parts was arbitrary and
did not fit with the reality, there exist other examples for errors in the
old literature. Some years ago Christian Reichenbach in an article in
Geflügel-Börse traced the today Thuringian Self back to the Tail-Pigeon
though there are remarkable differences in the phenotype. However, as was
pointed out above, the differences might also be due to an erroneous
description in the old literature. If we compare the today standard
drawing of the breed with reality those who know the Thuringian Selfs
would also have problems to identify them and coming generation might get
the wrong impression that those were the Thuringian Self of the year 2013.
The hypothesis of Christian Reichenbach was supported accidently by
'Tail-Pigeons' that popped out in crossbreeds after some test mating of
the author with Thuringian Self and other breeds.
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