Von Farb- und Farbenschlägen sowie
von Farb- und Farbentauben
Die unterschiedlichen Färbungen der Haustaube haben
schon immer interessiert. So findet sich bereits im Vogelbuch von Conrad
Gesner, das 1582 in einer deutschen Übersetzung durch Rudolf Heüßlin in
Zürich herausgegeben wurde, der Hinweis, dass die Tauben mancherlei Farben
hätten, in Norwegen ganz weiße Tauben zu finden seien und es in Indien
ganz wachsgelbe geben solle. Kohlschwarze werden von ihm erwähnt und auch
schon Rote und Schwarze mit weißen Köpfen und Schwänzen. Mit Beginn des
Ausstellungswesens spielten diese Farbenschlagbezeichnungen zur
Klassifizierung auf den Schauen eine Rolle. Ähnlich erscheinende Färbungen
wurden auf den Ausstellungen in Klassen zusammengefasst.
Farbenschlagbezeichnungen begannen sich einzubürgern und wurden
überregional benutzt, wozu auch die zunehmend prächtiger werdenden Bücher
über Haustauben, wie die von Neumeister (1. Auflage 1837) und Prütz
(1885), beitrugen. Es gab aber keine zentrale Autorität, die für einen
einheitlichen Sprachgebrauch gesorgt hätte. Die Bezeichnungen für die
Farbenschläge sind aus der Züchterschaft heraus entwickelt worden und
wurden so in die Literatur übernommen. Es kann daher nicht verwundern,
dass sie sich bei einzelnen Rassen unterscheiden und dass es auch
regionale Besonderheiten gab und gibt. So kennen wir auch heute
unterschiedliche Namen für identische Färbungen, z.B. lichtblaue Hamburger
Sticken und eisfarbige Italienische Mövchen. Es gibt auch unterschiedliche
Färbungen unter dem gleichen Namen, z.B. bei den isabellfarbenen
Sächsischen Kröpfern und den gleichnamigen isabellfarbenen Berliner
Kurzen. Die Begriffsvielfalt wurde mit Einführung verbindlicher
Musterbeschreibungen eingeschränkt, aber nicht völlig beseitigt. Wir haben
gelernt, damit zu leben und nehmen es als nostalgische Erinnerung an die
Entstehungsphase der Rassetaubenzucht.
Die Färbungen werden letztlich durch den genetischen
Code bestimmt. Dieser ist im zweiten Beispiel bei den isabellfarbenen
Kröpfern ein ganz anderer als bei den Berliner Kurzen, so dass auch andere
Gesetzmäßigkeiten in der Vererbung gelten. Bei Zuchtempfehlungen für
solche Farbenschlägen muss daher schon sehr genau darauf geachtet werden,
um welche Rasse es sich jeweils handelt.

Berliner Kurze isabell (verdünnt
braunfahl mit Binden, in der genetischen Literatur khakifahl mit
Binden)

Sächsischer Kröpfer isabell (Rezessiv
Rot und Dominant Opal mit sich kaum von der hellen cremefarbenen
Grundfärbung abzeichnender weißen Bindenzeichnung)
Die aufgezeigte Mehrdeutigkeit von Begriffen gibt es
auch, wenn von Zeichnungen und von der Grundfarbe und der Grundfärbung
gesprochen wird. Auch hier ergibt sich oft erst aus dem Kontext, was genau
gemeint ist.
Der Begriffsvielfalt offenbar noch nicht genug: Einig
war man sich bis vor kurzem zumindest darin, dass die einzelnen
Varietäten, wie es in alter Literatur mitunter heißt, als Farbenschläge
bezeichnet werden. Das findet sich im Mustertaubenbuch von Prütz 1885, im
von Lavalle und Lietze 1905 herausgegebenen Handbuch „Die Taubenrassen“,
bei Bruno Dürigen in der „Geflügelzucht“, 2. Aufl. 1906, in dem von B.
Blancke und Wilhelm Kleffner bearbeiteten Band „Das Großgeflügel“ (5.
Aufl. 1925) sowie in dem von O. Wittig bearbeiteten „Mustertaubenbuch“
(1922). Von Farbenschlägen spricht auch Schachtzabel (1911) in seinem
Prachtwerk der Taubenrassen, das als erste Musterbeschreibung aufgefasst
werden kann, um nur einige dem Autor vorliegende Meilensteine der
Geflügel- und Taubenfachliteratur anzuführen. Auch die aktuellen
Musterbeschreibungen sprechen von Farbenschlägen. Warum in einer
Fachzeitschrift und in einer Schriftenreihe über Rassetauben auf einmal
von Farbschlägen, statt von Farbenschlägen, die Rede ist, bleibt
unerfindlich. Eine private Rechtschreibereform? Das Wort Farbenschlag ist
von der Wortbildung aus den Nomen Farbe und Schlag zusammengefügt und
enthält das Fugenelement en. Nach den Informationen aus der
Sprachwissenschaft kann und muss das Fugenelement nach Nomen stehen, die
den Plural mit en bilden. Als Beispiel wird „Zeugenaussage“
angeführt .
Nicht selbst Sprachwissenschaftler, aber als Autor daran interessiert,
sich nicht dauerhaft gegen die deutsche Sprache zu versündigen, kam von
canoo.net auf eine Anfrage die beruhigende Antwort, dass der Fachausdruck
„Farbenschläge“ weiterhin problemlos in Publikationen verwendet werden
könne. Dem Vernehmen nach wird in einem Teil der Fachpresse ab 1. April
als weiterer Schritt die Umbenennung von Farbentauben in Farbtauben
erfolgen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Zeitschrift spart damit
weitere zwei Buchstaben ein. Damit könnten die Organisationsberichte
endlich wieder etwas ausführlicher ausfallen oder der Abonnementpreis
gesenkt werden. |