Standards von
Rassetauben
(Standards
for Fancy Pigeon Breeds)
Auf dem
VDT-Meeting des Verbandes Deutscher Rassetaubenzüchter im August
2015 in Berlin und schon vorher wurden einige Fragen des Standards
für Rassetauben angesprochen, für die sich keiner zuständig zu
fühlen scheint.
Kompetenzen
Standards für
Rassetauben fallen in Deutschland unter die Kompetenz des Bundes
Deutscher Rassegeflügel Züchter e.V. Ausdrücklich gesagt wird das in
Ziffer 3 unter den in § 6 der Satzung genannten Aufgaben des Bundes.
Ziffer 1 und 2, die indirekt auch mit Standardfragen zusammenhängen,
sind die Beratung und Aufklärung über sachgemäße Rassegeflügelzucht
und artgemäße Haltungsmethoden sowie die Wahrnehmung des Tier- und
Artenschutzes im Bereich der Rasse- und Ziergeflügelzucht. Eine
wissenschaftliche Fundierung erhält die Wahrnehmung dieser Aufgaben
durch den Wissenschaftlichen Geflügelhof (WGH). Im Punkt 3 wird als
Aufgabe genannt: Aufstellung und Änderung von bundeseinheitlichen
Standards für jede Rasse, unter Beachtung des § 4, Ziff. 7 der
Satzung. Ziffer 7 wird gibt den anerkannten SV das Recht, in Fragen
des Standards mitzuwirken. Der Bund nimmt seine Aufgabe durch den in
§ 19 als Fachgruppe bezeichneten Zucht- und Anerkennungsausschuss
(Standardkommission) wahr. Als erste Aufgabe wird der
Standardkommission die Schaffung einheitlicher Standards für die
einzelnen Rassen und Farbenschläge übertragen, als zweite die
Anerkennung von Neuzüchtungen. Konkrete Verfahren werden meist von
den Sondervereinen oder durch Züchter mit Neuzüchtungen an den
Ausschuss herangetragen, mitunter ergreift er auch selbst die
Initiative. Das war der Fall in größeren Aktionen wie der
Umbenennung der fahlen Farbenschläge und bei der Vereinheitlichung
von Bezeichnungen, möglichst unter Beachtung genetischer
Erkenntnisse. Bei der Vielzahl an Verfahren im 'Routinegeschäft' ist
es nicht überraschend, wenn sich einige falsche und irreführende
Formulierungen , für die sich niemand zuständig fühlt oder zuständig ist,
dauerhaft in den Musterbeschreibungen halten. Einige davon wurden
auf dem VDT-Meeting in Berlin kurz angesprochen.
Herkunft der
Carrier: In England aus der Türkischen Taube und Bagdetten erzüchtet
Für
den Apotheker John Moore,
der 1735 die erste Monographie über Haustauben schrieb, war der
Carrier offenbar, wie für seine Freunde, der König der Tauben: "This
bird is esteem'd by the Gentlemen of the Fancy, as the King of
Pigeons, on the Account of its Beauty and great Sagnacity; for which
Reason Mr. Hickman, a Distiller in Bishopsgate-street
(not of the Family of the lying Hickmans) when living, always
kept a silver Hatchet and Block, on which he decently chop'd off
their Heads, alledging, that being of the Blood Royal, they ought
not to die after the same Manner as the vulgar Herd" (S. 26).
Seinem
königlichen Geblüt nach wurde er offenbar nicht geschlachtet,
sondern mit einem Beil enthauptet. Was dem 'König' noch fehlte, war
eine passende Legende, die ihn mit den Botentauben des Altertums
verknüpfte. Die wurde von
Moore nachgeliefert. Die Tauben kämen aus Bazora in Persien
und seien über See oder Karawanen gebracht worden und diese Tauben
würden gebraucht, um Briefe von einem Platz zum anderen zu bringen
(S. 28). Dass die in der Region genutzten Tauben nicht so ausgesehen
haben wie der Englische Ausstellungscarrier und mit ihm nicht
identisch sein konnten, weiß man durch
Willughby (1676) und
andere Beschreibungen der in der Region unter unterschiedlicher
Benennung verbreiteten Türkischen Taube, von der einige Stämme als
Botentauben (carrier) dienten. Dass der Englische Carrier selber
niemals eine Botentaube war, hatte der Ornithologe
Selby schon 1835
geschrieben. Tegetmeier
betrachtet es 1868 als Ärgernis, dass man keine Ausstellung besuchen
könne, ohne dass jemand, der durch den falschen Namen 'Carrier'
getäuscht wurde, vom Englischen Carrier als der wahren Botentaube
spreche. Auch Fulton
wendet sich in seinem weit verbreiteten Prachtwerk 1876 vergebens
gegen den durch Moore
verbreiteten Mythos. Die deutsche Musterbeschreibung trägt zur
Bewahrung der durch Moore
initiierten irrigen Vorstellungen bei, wenn einleitend zu lesen ist:
"Uralte Botentaube Vorderasiens und Nordafrikas". Korrekt wäre: Aus
der Türkischen Taube und Bagdetten in England als Ausstellungsrasse
entstanden.

Carrier aus der Treatise 1765
Herkunft der
Arabischen Trommeltaube: Nach Deutschland aus Tunesien importiert
Für die Arabische
Trommeltaube wird es noch merkwürdiger. In der Musterbeschreibung
kann man lesen: "Die domestizierte Form der ausgestorbenen wilden
Felsen-Trommeltaube aus Saudi-Arabien (Mekka)." Außer dem deutschen
Standard kennt keiner die 'ausgestorbene wilde Trommeltaube' aus
Saudi-Arabien. Weder die jetzige, noch frühere Literatur. Importiert
wurden Trommeltauben durch M.
Holler aus Tunesien, später auch einige aus dem Jemen. Die
Tauben aus dem Jemen haben ihrer Beschreibung nach keinen Eingang
in die Rasse gefunden. Auch heute gibt es Trommeltauben in Tunesien,
die der europäischen 'Arabischen Trommeltaube' entspricht, so dass
man die Abstammung bis dahin verfolgen kann. Von einigen Züchtern
mögen Fantasien als werbend für eine Rasse empfundenen werden, in
offiziellen Dokumenten wie Standards stellen sie die Glaubwürdigkeit
in Frage. Die ursprüngliche Formulierung mit Herkunft 'Arabien' war
mit der Wahrheit verträglicher.

Nachkommen der ersten aus Tunesien importierten Trommeltauben
Entstehung des
Show Racers: In den USA aus Belgischen Brieftauben erzüchtet
Auch über die
Einführung zum Show Racer in der MB kann man sich Gedanken machen.
Dort heißt es zur Herkunft: "Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA
aus englischen und belgischen Brieftauben erzüchtet." 'Englische
Brieftauben' klingt nach den Ausführungen zum Mythos des Carriers
und im Hinblick auf den Dragoon verfänglich und wird bei vielen
Lesern etwas Falsches suggerieren. Die englischen Brieftauben, um
die es geht, waren in England gezüchtete Belgische Brieftauben. Wenn
jemand Belgische Brieftauben aus China bezieht und daraus eine
eigene Rasse entwickelt, dann wird man auch nicht schreiben, die
Tauben seien aus chinesischen Brieftauben entwickelt worden. Bei
Levi (1969) werden
übrigens namentlich einige Brieftaubenstämme als Ahnen genannt.

Show
Racer indigogehämmert
Gelb statt Gold
in den Rassetaubenstandards
Gold und Gelb
sind ein Dauerbrenner in der Musterbeschreibung. Jeder weiß, dass
'gelbe' Steigerkröpfer des Standards genetisch gold und nicht gelb
sind. Inzwischen verdrängen in vielen Rassen Goldene die Gelben.
Wenn man in den Sondervereinen das so will, dann wäre es konsequent, den
Farbenschlag umzubenennen. So werden bei stillschweigender
Bevorzugung von Goldenen auf den Schauen die Züchter bestraft, die
sich in der Zucht am Standard ausrichten und korrekt Gelbe
ausstellen.

Starwitzer Flügelsteller in Leipzig 2013 als 'Gelb' ausgestellt und
bewertet
Schwarze Schnäbel
bei verdünntfarbenen Blauen?
Unbefriedigend
und oft unbeabsichtigt sind bei einigen Rassen auch die Regelungen
zur Schnabelfarbe. So sollten bei Deutschen Langschnäbligen Tümmlern
bis vor kurzem die blaugrundfarbigen Farbenschläge der Einfarbigen einen schwarzen
Schnabel haben. Zu den Blaugrundfarbigen wird man in der Regel neben
Blauen und Blaugehämmerten auch Blaufahle und Blaufahlgehämmerte
zählen. Blaufahle und Blaufahlgehämmerte unterscheiden sich von
Blauen und Blaugehämmerten durch den Verdünnungsfaktor, der nicht
nur das Gefieder, sondern auch die Schnabelfarbe aufhellt. Der
schwarze Schnabel läßt sich daher nicht erreichen, bei den
Langschnäblern wurde das behoben. Dirty und einige
Bronzefaktoren scheinen den Schnabel zu verdunkeln. Diese Faktoren
müßten dann aber zusätzlich in die Rasse, bei denen man dunkle
Schnäbel ausdrücklich wünscht, eingeführt werden.

Giertaube blaufahl mit typischer aufgehellter Schnabelfarbe durch
den Verdünnungsfaktor. Orientalischer Roller blaufahlgehämmert.
Heller Schnabel durch den Verdünnungsfaktor auch ohn den
Smoky-Faktor (erkennbar an der hellen Ortfeder und dem hellen
Rücken)
Dunkle Schnäbel
bei Dominant Rot: Zucht auf spalterbige Ausstellungstäuber?
Die
Schnabelfärbung bei dominant roten Tauben wurde schon so oft
diskutiert, und das auch bei vielen weit verbreiteten Rassen, dass
man überrascht ist, dass bei einigen Rassen immer noch Unsicherheit
herrscht. Dominant rote Täuber haben eine hellere Schnabelfarbe und
oft eine sehr helle, die Weibchen eine dunkle. Dunkle bis schwarze
Schnäbel zeigen die für schwarzes Pigment spalterbigen Täuber.
 
Agarantümmler rotfahlgehämmert - am Schnabel und Tintenspritzern
erkennbar
spalterbig für schwarzes Pigment.
Rumänischer Nackthalstümmler dominant rot mit hellem Schnabel
Bei den meisten
Rassen ist inzwischen Toleranz angesagt, so dass Täuber mit
dunkleren und Täuber mit helleren Schnäbeln gleichberechtigt
nebeneinander stehen. Bei nicht extrem auf Färbung gezüchteten Rasse
stören den Richter meist auch Tintenflecke nicht. Helle Schnäbel bei
Weibchen werden erst dann möglich, wenn der Erbfaktor Smoky
hinzutritt. Die Forderung nach dunklen Schnäbeln bei rotfahlen
Tauben gehen wohl noch auf die bei
Prütz (1885)
abgedruckten Ausführungen von
H. Dietz zurück, nach dem Rotfahle eigentlich nur eine Abart
der Blauen seien. Seit der Publikation von
Prütz ist viel Zeit
vergangen, es wurden die Mendelschen Regeln wieder entdeckt und
viele Erkenntnisse zu den Taubenfärbungen gewonnen. Vielleicht ist
es für die Verfechter alter Ideen an der Zeit, ein zweites
Taubenbuch zu konsultieren.
Literaturhinweise:
BDRG e.V.,
Deutscher Rassetaubenstandard in Farbe, Ringbuchordner
BDRG e.V.,
Satzung des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter e.V., https://www.bdrg.de/verbandssatzung
Sell, Axel,
Taubenrassen, Achim 2009 mit Nachweisen der hier in Kurzform
genannten Quellen
Standards for Fancy
Pigeon Breeds
Standards for pigeons fall in Germany under the competence of the
'Bund Deutscher Rassegeflügelzücher e.V.' the central federal
association for the breeders of poultry. Founders of the Federation
are regional federations (Landesverbände) as the associations of
local poultry clubs. Today 11 regional federations exist and cover
the whole territory of the Federal Republic.
The Federation is divided
1. into four sections responsible for different kinds of poultry,
a) poultry and water fowl,
b) bantam fowl ,
c) pigeons, and finally
d) fancy fowl,
2. a sub-association for judges of poultry, and
3. a sub-association responsible for breeding and performance (Zuchtbuch).
The special sections for the different kinds of fowl organize the
special clubs of breeds within their range. Fanciers have to be
members of a local club and thus belong to a regional federation.
Otherwise they are not allowed to order official bands and to
compete at official shows. In addition (and not alternatively) many
fanciers are a member of one or more special clubs to support
specific breeds. The section responsible for pigeons is the VDT (Verband
Deutscher Rassetaubenzüchter) supervising 232 clubs with about 21
000 members.
One of the tasks of the BDRG is setting up and modification of
uniform national standards for each breed, a second one the
recognition of new breeds. Recognized special clubs have the right
to participate in issues of standards. The central federation
executes the task by the Standards Commission. Specific activities
are usually initiated by the special clubs who want to modify
standards of a breed or by breeders with new colors or new breeds,
sometimes the Standards Commission gets active by own initiative.
In this contribution some aspects of standards are discussed. The
first two points discussed regard the standards of the English
Carrier and the Arabian Trumpeter and the origin of these breeds
postulated in these standards. The next is related to the coloration
'gold'. In many breeds 'yellow' is an accepted standard color, but
genetically many and in some breeds all pigeons shown in the class
for yellows are gold instead. Genetically they are pale and not
dilute. A fourth point: In some breeds for blue based colorations
dark or even a black beak is required. Usually also dilute blue are
considered blue based. However, due to dilution the beak becomes
light and from a genetically point of view the standard requirement
of black beaks cannot be fulfilled. A correction in this point
recently was initiated by the special club for German Long Beaked
Tumblers. A final fifth point discussed is
the requirement of black beaks for dominant red pigeons, e.g. for
ash red bars or checker. Homozygous ash red cocks show light horny
beaks in contrast to hemizygous dominant red hens with a darker
beak. The requirement of dark beaks for cocks means breeding for
heterozygous cocks and accepting their typical ink spots. The idea
of black beaks for ash red cocks may be traced back to ideas about
the relationship of the different colors presented e.g. in the book
edited by Gustav Prütz
in 1885. However, in the meantime Mendel's laws were rediscovered
and also those fancier trapped in traditional thinking should be
open to new ideas.
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