Taubenfärbungen in der molekulargenetischen Analyse
Pigeon Colorations in moleculargenetic analysis (see below)
In
zwei im August 2013 veröffentlichten molekulargenetischen Studien haben
gleich zwei größere internationale Forschungsgruppen wiederum die
Haustaube zum Forschungsgegenstand gemacht und dabei wohl unabhängig
voneinander an derselben Fragestellung gearbeitet. Wie bereits bei zwei
früheren Studien waren an der zuerst dargestellten Studie Wissenschaftler
der Universität Utah beteiligt, daneben aber auch Wissenschaftler der
Fakultät für Medizin der Universität Leipzig und der Fakultät für Chemie
Goshen, Indiana (USA):
Michael W. Guernsey, Lars Ritscher, Matthew A. Miller, Daniel A. Smith,
Torsten Schöneberg, Michael D. Shapiro*, A Val85Met Mutation in
Melanocortin-1 Receptor Is Associated with Reductions in Eumelanic
Pigmentation and Cell Surface Expression in Domestic Rock Pigeons (Columba
livia)
Ein
Abstract des Reports findet sich unter
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23977400.
Die
gleichzeitig durchgeführte andere Studie wurde von Wissenschaftlern aus
Spanien, Frankreich, Rußland und Kanada vorgelegt:
Romain
Derelle
u.a., Color differences among feral pigeons (Columba livia)
are not attributable to sequence variation in the coding region of the
melanocortin-1 receptor gene (MC1R),
BMC Research Notes 2013, 6:310
doi:10.1186/1756-0500-6-310, erreichbar unter dem
link
http://www.biomedcentral.com/1756-0500/6/310
In
beiden Studien geht es um die Grundlagen der Farbausbildung des Gefieders
der Haustaube. Wie die Autoren der erstgenannten Studie einleitend
feststellen, ist man über die Vererbung der verschiedenen Taubenfärbungen
relativ gut informiert. Über die molekulargenetischen Grundlagen weiß man
dagegen wenig (S. 2). In dem bei Oertel und Spörer 2005 erschienenen Buch
Taubenfärbungen (Abb. 3) wurden z.B. über 350 unterschiedliche
Farbenschläge, nach genetischen Gesichtspunkten gegliedert, dargestellt.
Das Erbverhalten ist heute weitgehend erforscht und für die wesentlichen
Färbungen im Buch 'Vererbung bei Tauben' didaktisch aufbereitet worden.
Die Geschichte der Entschlüsselung der Erbgesetze ist mit über 300
Quellennachweisen und über 900 historischen und aktuellen Abbildungen
ausführlich im englischsprachigen Buch 'Pigeon Genetics' eingefangen (Abb.
3).
Die
Autoren der erstgenannten Studie haben insgesamt 113 Tauben aus 67 Rassen
in der Untersuchung auswerten können. Sie haben bei ihren konkreten
Hypothesen mit unterschiedlichen Klassifikationen gearbeitet. Zum einen
haben sie die Gruppe Eumelanin (Gefiederfärbung überwiegend schwarz,
braun, grau) und Phäomelanin (überwiegend rot/gelb) unterschieden (Abb. 1,
im Buch Pigeon Genetics Fig. 1). Zum anderen haben sie die durch Gene auf
dem Geschlechtschromosom gesteuerten Farben Blau/schwarz, Asch-rot und
Braun betrachtet. Dazu kamen das rezessive und nicht geschlechtsgebundene
in Abb. 2 dargestellte Rot (durchgehend einfarbig rot/braun) und Weiß als
das Fehlen von Farbstoffen.

Abb.
1: Die drei Farbklassen mit Beispielen für schwarz/blau, ash-rot und
braun.
Quelle: Sell, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon,
Achim 2012
Da Lebewesen entwicklungsgeschichtlich einen gemeinsamen Ursprung haben,
finden sich bei genanalytischen Untersuchungen zwischen vielen Arten
starke Gemeinsamkeiten. So wird eine der Genpositionen, die im
Mittelpunkt der Betrachtung von Färbungen bei vielen Tierarten steht,
allgemein als 'Melanocortin-1Receptor' bezeichnet. Das Gen wurde zuerst im
Labor bei Mäusen isoliert und ist dort für die Färbung des Felles wichtig.
Aktivierung des Gens führten zu einer verstärkten Bildung schwarzer oder
brauner Eumelanine. Geringe Aktivitäten verstärkten dagegen generell die
Synthese roter oder gelber Phäomelanine. Das
traf auch bei der Untersuchung einiger Vogelarten wie einer Schneegansart
zu (Nicholas I. Mundy,
A window on the genetics of evolution: MC1R and plumage colouration
in birds, Published 22 August 2005 doi:10.1098/rspb.2005.3107
Proc. R. Soc.
B 22 August 2005 vol. 272
no. 1573 1633-1640, Proceedings of the
Royal Society Biology Sciences).
Durch Punktmutationen kann generell eine Base der DNA gegen eine andere
ausgetauscht werden, was in der Folge zu Änderungen der Erscheinung führt.
Eine Punktmutation an diesem Gen führte bei Mäusen zur verstärkten Bildung
schwarzer Farbstoffe. Untersucht wurde diese Genposition auch bei
Vogelarten. Eine Austausch des Gens Val85 durch das GenMet85 führte zur
verstärkten Bildung schwarzer Farbstoffe (Eumelanine). Ein solches
Ergebnis wurde daher auch für die Haustaube erwartet. Es zeigte sich aber
ein davon abweichendes Bild. Die Substitution der Gene (Val85Met) war im
Gegensatz zur Erwartung tendenziell verbunden mit einer verstärkten
Bildung von Phäomelaninen. Die Beziehung war aber nicht eng, denn sowohl
Tiere ohne das Gen, mischerbige Tiere für das Gen als auch reinerbige
Tiere fanden sich sowohl in der Gruppe der Eumelaninen als auch der
Phäomelaninen. Das Gen Met85 allein erwies sich nach Einschätzung der
Forscher daher als nicht ausreichend, um das Pigment wesentlich zu
verändern. Interessant ist auch, dass kein Zusammenhang mit dem rezessiven
Rot hergestellt werden konnte (S. 6). Rezessiv Rot verhält sich im Erbgang
epistatisch zu Blau/schwarz, Braun und Aschrot. Von vielen Versuchen ist
bekannt, dass die meisten gut gefärbten einfarbig braun-roten Tauben
darunter erbmäßig die Erbanlage zu blau/schwarzem Pigment besitzen. Das
zeigt sich auch darin, dass in den Zuchten gelegentlich ein einfarbig
rotes Tier aus schwarzen Eltern fällt (Abb. 2, im Buch Pigeon Genetics
Fig. 30).
.
Abb.
2: Rezessiv rotes Jungtier aus schwarzen Eltern.
Quelle: Sell, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon,
Achim 2012
Die
Autoren halten es für möglich, dass die für die Analyse herangezogenen
Klassifikationen den subtilen Farbvarianten bei den Taubenfärbungen nicht
gerecht geworden sind. Das mag schon für die Teilung in die eumelanine
(schwarze) und phäomelanine (rote) Gruppe und die Zuordnung von Braun wie
auch anderer auf Modifikatoren beruhender Farbenschläge zur schwarzen
Gruppe zutreffen. Untersuchungen haben gezeigt, daß im Bindenbereich
blaubindiger Tiere (eumelanine Gruppe) ein Verhältnis schwarzer zu roter
Farbstoffe von 2,7:1 bei einer Haustaube und von 2,1:1 bei einer
Felsentaube bestand, von 0,11:1 bei einer braunfahlen Brieftaube und von
etwa 0,01:1 bei mehreren Brieftauben (Haase, Ito, Sell, Wakamatsu, Journal
of Heredity 1992, Vol. 83/1). Bei einfarbigen Braunen (mit
Farbausbreitungsfaktor) war die Rate mit 1,7 wesentlich höher, reichte
aber auch nicht an einfarbige Schwarze heran. Braun ist daher ein
Mischtyp, der nicht so eindeutig der schwarzen Gruppe zugeordnet werden
kann.
Die
von der amerikanisch/deutschen Forschungsgruppe gewählte Klassifikation
dürfte dazu beigetragen haben, dass die Ergebnisse nicht eindeutig zu
interpretieren waren. Sie dürfte aber nicht für das den Ausgangshypothesen
widersprechende Ergebnis verantwortlich sein. Denn in der parallel
durchgeführten und gleichzeitig veröffentlichten Studie kam die
Forschungsgruppe von Wissenschaftlern aus Spanien, Frankreich, Rußland und
Kanada zum selben Ergebnis. Die Gruppe hatten ihre Untersuchung auf weiße,
schwarze, blaubindige und asch-rote Individuen beschränkt und damit das
Problem der Zuordnung brauner Farbenschläge und anderer Modifikationen zu
den beiden unterschiedenen Grundtypen der Pigmentfärbung umgangen. Für sie
war das Ergebnis nicht so überraschend. Es seien immerhin mehr als 150
Gene identifiziert, die Farben und Muster bei Lebewesen bestimmen würden.
Sie sind optimistisch im Hinblick auf weitergehende Erkenntnisse. Mit den
Fortschritten der Gentechnologie würden die Kosten für Untersuchungen
wesentlich sinken und es ermöglichen, ganze Genome zu betrachten und der
Architektur von unterschiedlichen Phänotypen in Populationen von Tierarten
nachzugehen.

Abb.
3: Axel Sell, Pigeon Genetics, Achim 2012 ISBN 978-3-9812920-3-9, Axel und
Jana Vererbung und bei Tauben, Reutlingen 2004, 2007 ISBN 3-88627-617-1,
Axel und Jana Sell, Taubenfärbungen.
Colourations in the Domestic Pigeon. Les couleurs des pigeons, Reutlingen
2005 ISBN 3-88627-618X (with English and French summaries)
Pigeon
Colorations in moleculargenetic analysis
In August 2013 two studies dealing with the same topic, association
between genotypes and melanic phenotypes in the domestic pigeon, were
published. One study was conducted by a team of American and German
scientists;
Michael W. Guernsey, Lars Ritscher, Matthew A. Miller, Daniel A. Smith,
Torsten Schöneberg, Michael D. Shapiro*, A Val85Met Mutation in
Melanocortin-1 Receptor Is Associated with Reductions in Eumelanic
Pigmentation and Cell Surface Expression in Domestic Rock Pigeons (Columba
livia). An Abstract is given at
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23977400
The other study was presented by a
research group of scientists from Spain, France, Russia and Canada:
Romain
Derelle
et al., Color differences among feral pigeons (Columba livia)
are not attributable to sequence variation in the coding region of the
melanocortin-1 receptor gene (MC1R), BMC Research Notes 2013,
6:310
doi:10.1186/1756-0500-6-310, erreichbar unter dem link
http://www.biomedcentral.com/1756-0500/6/310
In their studies the research groups investigated sequence variation in
Mc1r among pigeons and associations between genotypes and melanic
phenotypes. As the authors of the first mentioned study pointed out the
Mendelian inheritance pattern of several color traits in the domestic
pigeon has been thoroughly studied but the molecular origins of color
variation remain poorly understood (p. 2). Thus e.g. the book 'Taubenfärbungen.
Colorations in the Domestic Pigeon' contains more than 350 different
colorations classified according to their genetic constitution (Fig. 3).
Variation in the
the melanocortin-1 receptor gene (MC1R) is of interest because it
is associated with pigment variation across a broad range of wild and
domestic populations
of vertebrates, including birds. However, the gene was first isolated in
laboratory mice and was found to be the gene encoding the extension locus
affecting coat colour and finally the activation of MC1R leads to increase
synthesis of black or brown eumelanin. A low activity at the other hand
leads to increased synthesis of red or yellow phaeomelanin. That was found
at some species of wild birds, too (see e.g. N.I. Mundy,
Proc. R. Soc. B 22 August 2005 vol. 272
no. 1573 1633-1640).
In other species the associations between mutant alleles of Mc1r and
pigmentation phenotypes like eumelanic versus not-eumelanic are very
strong. Also in the other two species of birds a substitution of the
mutant Val85 by Met 85 (Val85Met) was associated with eumelanic increase.
Thus it was of interest to find out whether this relationship is valid
also in the domestic pigeon. For the empirical investigation two different
kinds of classification were used. In part of the analysis a class for
eumelanic birds (with major plumage coloration a shade of brown or black
including grey) and another one for pheomelanic birds (red or yellow) was
built. In a second classification they categorized blue/black, ash red and
brown as the sex-linked alleles or the wild-type respectively (Fig. 1),
and recessive red and white.
In pigeons, contrary to their expectation, they did not find an enrichment
of Met85 alleles in black or other eumelanic birds. Against the
expectations there was actually as statistical significant enrichment of
Met85 alleles in phaeomelanic individuals. But again no strong relation
since pigeons with 0,1 or 2 copies of Met85 allele can be eumelanic or
pheomelanic. In pigeons this mutation alone proved not to be sufficient to
drive major pigmentation change. It is speculated to be a possible
modifier of pigmentation traits (p. 8).
There was also no association between Mc1r genotypes and the recessive red
phenotypes (p. 4) which is in line with the insight from test mating
showing that recessive red is epistatic to the color traits ash red, brown
and the wild-type blue/black and that the color base of most recessive red
is blue/black. That often shows in the breeding pen by recessive red young
from black parents (Fig. 2). The authors do not exclude that their
categorical phenotypical classes were not sufficient to resolve the
relevant subtle pigment differences in the domestic pigeon (p. 8). That
may still hold for classifying of brown as eumelanic and also assigning
several color mutations to that group. The analysis of pigment
concentration e.g. in the bar region of blue bars, brown bars and ash-red
bars, revealed eumelanian/pheomelanin ratios of 2.7 for a blue bar
domestic pigeon and 2.1 for a rock pigeon, 0.11 for a brown bar homer and
about 0.01 for several ash-red bars (see Haase, Ito, Sell, Wakamatsu,
Journal of Heredity 1992 Vol. 83/1). The ratio for a solid brown (Spread
brown) was remarkable higher with 1.7 but again less than those for solid
black (Spread blue). Nevertheless brown appears as mixed melanin type that
might cause problems in empirical investigations.
However, the classification might have complicated the interpretation but
is not responsible for the result that contradicts the first supposition.
The authors of the other study limited themselves to the analysis of
white, blue bar, black (Spread blue) and ash-red colorations and thus did
not have the problem to classify potential mixed phenotypes. They got the
same conclusion that colour differences among the domestic pigeons are not
"attributable to sequence variation
in the coding region of the melanocortin-1 receptor gene (MC1R)". They
were not as surprised "given that over 150 genes that affect animal color
and patterning have been identified". Since the development of
next-generation sequencing technologies has dramatically reduced overall
sequencing cost they assume that "in the near future it may become
possible to screen whole genomes in non-model species and further
elucidate the genetic architecture of color polymorphism in many more
species."
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