Usbekische Tümmler und Usbekische
Flugtümmler
Usbekische Tümmler werden im deutschen
Standard als alte mittelasiatische Rasse beschrieben. Sie seien
ursprünglich eine mittelschnäblige Flugtauben gewesen, die im 20.
Jahrhundert zum Fast-Kurzschnäbler mit langer Fußbefiederung entwickelt
wurden. Für die Struktur der Ausstellungstauben wird doppel- oder
schnabelkuppig vorgegeben. Haube und Schnabelkuppe sind unterschiedlich
geformt, Hauben mit oder ohne Rosetten, auch Spitzkappen mit Nackenkamm
sind ausdrücklich toleriert. Informationen über die Rasse verdanken wir
vor allem Viktor Saradshan, der 1989 eine Schrift auf deutsch und russisch
über Tauben aus Usbekistan herausgab. Die Person von Viktor Saradshan
(1939-2010), der im Dezember 2010 verstarb, wurde auf der Homepage des VDT
durch Günter Stach ausführlich gewürdigt.
Nach Deutschland gelangten gleichzeitig
zwei Typen, oder, wenn man so will, zwei Rassen. Zum einen der in der
Musterbeschreibung aufgeführte Schautyp, zum anderen Usbekische
Flugtümmler, meist ohne Kopfstruktur, also glattköpfig ohne Schnabelkuppe,
kurz belatscht und von mittlerer Schnabellänge im Unterschied zum
Schautyp. Der Flugtyp fliegt meist in mittlerer Höhe, gelegentlich auch
höher, und zeigt im Schwarm das für Tümmler typische Überschlagen. Oft
purzeln einzelne Tiere noch intensiv kurz vor dem Landeanflug. Auch Tiere
des Schautyps haben zumindest teilweise nicht das Purzeln verlernt. Das
zeigen einzelne Tiere, die mit dem Flugtyp zusammen gejagt werden.

Usbekische Flugtümmler: „Kampfschinny“
(links), „Kampf-Udy“ (rechts oben) und „Kampftschinny“ (unten rechts),
Quelle: Saradshan 1989.
Durch Kreuzungen von Schautyp und
Ausstellungstyp finden sich auch in den Flugstämmen mehr und mehr Tiere
mit Kopfstruktur und längerer Belatschung. Es gibt auch Kreuzungen mit
russischen und türkischen Flugtauben, so dass der ursprüngliche Usbekische
Flugtümmler möglicherweise bald in einer Mischung unterschiedlicher
Flugtaubenrassen mit ähnlichem Flugverhalten aufgehen wird. Der Verfasser
hat beide Typen im Schlag gehabt, zur Zeit nur noch einige Tiere des
Flugtyps. Auch für diese gilt die Aussage von W. Saradshan, dass
Flugtauben trainiert werden müssen. Wenn nicht, dann sitzen sie auch bei
Freiflug meist auf dem Dach, es fällt dem Betrachter noch nicht einmal
auf, dass es Purzler sind.
Auf dieser Homepage ist verschiedentlich
über Usbekische Tümmler berichtet worden. Der Verfasser ist auch
gebeten/aufgefordert worden, die Flugtümmler nicht als Usbekische Tümmler
zu bezeichnen und solche Tiere nicht im Bild zu zeigen, da das bei
Außenstehenden einen falschen Eindruck über die Rasse hinterlassen könne.
Nun hat der Verfasser und haben andere Autoren schon immer in Wort und
Bild zwischen Ausstellungs- und Flugtyp unterschieden. Wenn
Verwechselungen möglich scheinen, wird von Usbekischen Flugtümmlern
einerseits und dem Schautyp der Usbekischen Tümmler andererseits
gesprochen. In der deutsch- und russischsprachigen Broschüre von Saradshan
wird beim Flugtyp von „Kampf-Udy“ bzw. „Kampftschinny“ gesprochen. Dem
Farbenschlag wird das Wort „Kampf“ vorangesetzt, also Kampftauben, was
wohl soviel wie kräftige Tauben bedeuten soll, die mit den Widrigkeiten
der Natur, sei es das Wetter, seien es Greifvögel, kämpfen und siegreich
bestehen können.
Wer sich für den Werdegang von
Taubenrassen interessiert, der wird kaum damit einverstanden sein, nach
der Weiterentwicklung einer Rasse oder Neuzüchtung unter Nutzung
bodenständiger Rassen die Erinnerung an das Alte in Wort und Bild zu
tilgen. Man muß dabei nicht einmal gleich an den Science Fiction Roman
„Fahrenheit 451“ denken. Mitunter gibt es in der Rassetaubenzucht sogar
ein Wiederaufleben, wie die Beispiele der Altorientalischen Mövchen, der
Altdeutschen Mövchen und der Altösterreichischen Tümmler gezeigt haben.
Über die ursprünglichen usbekischen
Flugtauben scheint ohnehin nicht viel an gesicherten Informationen
vorhanden zu sein, die einen heute engagierten Taubenzüchter irritieren
könnten. Saradshan berichtet ohne weiterführende Quellenangaben, dass die
Taubenzucht in Usbekistan eine jahrhundelange Tradition habe. Tauben aus
Iran und Afghanistan seien in die Region gebracht worden, wovon noch heute
die aus dem Persischen stammenden Rassebezeichnungen zeugten (S. 5). An
(usbekischen) Rassen würden die Taubenzüchter kennen: 1. die Bucharischen
Tauben (langschnäblig, doppelkuppig mit prächtigen Hauben und sehr langen
Latschen), 2. Andishaner Flug und Spieltauben mit langem Schnabel,
länglichem Kopf, mit Kappe, Stulpen und Latschen, 3. Samarkander
Flugtauben mit langem Schnabel, länglichem Kopf und großen Latschen, und
schließlich 4. Kurzschnäblige schnabel- und doppelkuppige Tauben
(wörtlich: schnabel-, zweikappige Tauben) mit großen Latschen,
schraubenförmigen Spiel und ausdauernd im Flug. Diese Rasse komme in etwa
80 Farbenschlägen vor (ebenda).
Der mittelschnäblige Flugtyp ohne
Federstruktur am Kopf ist bei dieser Auflistung offenkundig schon nicht
mehr im Gedächtnis, obwohl bei der Behandlung der Flugtauben von
glattköpfigen Exemplaren als beste Flugkünstler eines Schwarms geschrieben
wird (S. 34). Auf den Seiten 48 und 49 sind sogar drei Tiere des Flugtyps
abgebildet (s.o.).
Bei der 4. Gruppe handelt es sich um die
in der deutschen Musterbeschreibung aufgeführten Usbekischen Tümmler, in
der Musterbeschreibung allerdings mit wesentlich weniger Farbenschlägen.
Die für die usbekischen Züchter wesentlichen Farbenschläge hat Saradshan
in seiner Broschüre aufgeführt, das ist auf der Homepage an anderer Stelle
dokumentiert.
Eine besonders interessante Färbung ist „Tschinny“.
Das Wort dient bei Saradshan als Oberbegriff für fünf Untergruppen. Die
Existenz dieser Färbungen ist auch eine der Gemeinsamkeiten des Flug- und
des Schautyps und wahrscheinlich ein Merkmal, das die bodenstämmigen
Flugtümmler in die Rasse eingebracht haben. Kapkan-Tschinny sind z.B.
weiß mit roter oder gelber Brust und einzelnen schwarzen Rumpffedern (S.
27). In Deutschland sind Tschinny als „Rothalsige“ anerkannt und der
Künstler Jean Louis Frindel hat, den Farbenschlag, wie der Verfasser,
offenbar für etwas Besonderes gehalten, so dass er ihn für das Bild der
deutschen Musterbeschreibung gewählt hat. In der ersten Fassung der
Ringbuch-Musterbeschreibung 2002 wird er allerdings noch fälschlich als „Gulbadam“
bezeichnet. Gulbadam wurden 2008 als Bunthalsige im Standard nachgetragen,
worüber auch schon auf dieser Homepage berichtet wurde.
Bunthalsige haben nach der Musterbeschreibung eine weiße Grundfarbe mit
roter oder gelber Kehle und einzelnen roten oder gelben Federn am Hals.
An
Farbenschlägen sind damit anerkannt:
Einfarbig: Weiß, Schwarz, Dun, Rot, Gelb, Blau mit schwarzen Binden,
Blaugehämmert, Blaufahl, Rotfahl, Gelbfahl. – Getigert und Gescheckt:
Schwarz, Rot, Gelb. – Muselkopf: Schwarz. – Vielfarbig, Kite, Golddun,
Agate in Rot und Gelb, DeRoy, Rothalsig (Tschinny), Bunthalsig (Gulbadam).

Tschinny in der deutschen
Musterbeschreibung 2002 mit deutlichem Unterschied zu den stärker
mövchenartigen Köpfen und Schnäbeln der Tiere aus dem Buch von Saradshan
1989
Der Vergleich der Abbildung in der
Musterbeschreibung mit den 1989 abgebildeten Tauben macht den
Entwicklungsweg der Rasse in den letzten Jahrzehnten deutlich.
Wie, wann und aus der Einkreuzung welcher
Rassen der Schautyp der Usbekischen Tümmler entstanden ist, das wird auch
aus den Ausführungen bei Saradshan nicht deutlich. Eine Rolle gespielt
haben sollen Tauben aus der Kollektion des Emirs von Buchara, nach dessen
Sturz Tauben seiner Kollektion nach Samarkand und Namangan gelangt seien.
Um was für Tauben es sich dabei gehandelt hat, wird nicht gesagt, er habe
aber Tauben aus den verschiedensten Teilen Asiens gehalten. Von Samarkand
gelangten 1922 Tauben aus der Kollektion nach Taschkent, wo nach
Kreuzungen mit einheimischen Kappentauben mit sehr kleinen Latschen und
mit nasenkuppigen persischen, hervorragend belatschten Tauben eine neue
Taubenrasse entstanden sei (S. 5).

Kara Awlak (links), Weiß (rechts oben)
und „Käfer“ rechts unten: Quelle Saradshan 1989
Der Entstehungsprozess der heutigen
Usbekischen Tümmler muß sehr schnell abgelaufen sein. Die Schnäbel einiger
der 1989 abgebildeten Tauben sind extrem kurz und bei einigen kann man bei
der Gesamterscheinung und Haltung an Kreuzungen mit Turbiteen und anderen
Mövchenrassen denken.
Diese Abbildungen bei Saradshan liegen
jetzt auch schon mehr als zwei Dekaden zurück und stellen für diejenigen,
die sich für die Herkunft und Entwicklung von Rassen interessieren,
wertvolle Dokumente dar. Es wäre zu wünschen, dass sich diejenigen, die
mit dem Entstehungsprozess der modernen Usbekischen Tümmler besser
vertraut sind und daran vielleicht selbst beteiligt waren, einmal über die
Zuchtstrategien und die dabei verwendeten Rassen berichten würden.
Uzbek Tumblers and Uzbek
Flying Tumblers
Uzbek Tumblers were brought
to Germany several decades ago, and this in two types, or if you like it,
as two breeds. The first one is the show type that got a standard and now
has several fanciers who regularly show them at the exhibitions. Untypical
for German Standards is the great variety of feather structures allowed in
the Uzbek standard. The pigeons should be beak- or double-crested, but the
type of crest or beak tuft is of no concern, also a peak crest is allowed.
A lot of colorations are listed, but by far not as much as are mentioned
in the booklet from Saradshan 1989. Tschinny is one of the colors and in
the German Standard means white with red neck. In the description by
Saradshan Tschinny was a generic term with 5 sub-groups. Thus several
sub-colors of Tschinny and also many other colors are not yet standardized
in Germany. Gulbadan, also a traditional color, was recently added to the
standard. The Tschinny and Gulbadam colorations are a common element of
the show and the flying type.
The latter is similar in
size, but lacks the heavy muffs of the show type, the beak is medium
instead of short and birds predominantly are plain headed without beak
tufts. These birds might be the follower of the traditional local flying
birds from Uzbekistan. Today, however, several strains of the flying type
held in Germany seem to be intermixed with the show type and other flying
breeds from abroad. Thus the flying type soon might get lost in Germany or
absorbed by a mixture of Russian and Turkish flying tumblers.
Saradshan’s book includes
also some photos from the Uzbek Flying Tumbler, there called
“Fighting-Tschinny” (Kampftschinny) or “Fighting-Udy” (Kampfudy),
depending on the color of the tumbler. Such photos today are historical
documents for those interested in the past and the history of breeds.
Saradshan’s photos of the show type end of the 1980s are also valuable
documents, more than two decades ago. From the photo of the Kara-Awlak a
frill-background (Turbiteen, Anatolian) seems to be possible. Hopefully
fanciers engaged in the development of the breed will give us some day
information on the breeding strategies and the other breeds used in the
process to create the modern show type.
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