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Geschlechtsgebundene Vererbung und Geschlechtsdimorphismus

Geschlechtsgebundenheit mit farblichem Geschlechtsdimorphismus

Wenn man allgemein von Geschlechtsgebundenheit bei Taubenfärbungen spricht, dann denkt man zuerst an kennfarbige Texaner. Diese sind nicht nur in der Vererbung bei der Verpaarung mit anderen Farbenschlägen ‚geschlechtsgebunden‘. Sie zeigen auch einen farblichen Geschlechtsdimorphismus: Täuber sind heller gefärbt als Täubinnen. Unter sich verpaart, bleibt dieser Geschlechtsdimorphismus über die Generationen reinerbig im Stamm erhalten.

Kreuzungen dieser Kennfarbigen mit anderen Färbungen weisen nach, dass der verantwortliche Erbfaktor ‚Faded‘ auf dem Geschlechtschromosom liegt: Ein weißer oder hellgesprenkelter Täuber wird mit einer blauen Täubin hemizygote Weibchen in der leicht aufgehellten Weibchenfarbe bringen und ähnlich gefärbte mischerbige Täuber. Aus der umgekehrten Paarung, ein blauer Täuber mit einer ‚Faded‘-Täubin, erhält man Weibchen ohne Faded-Faktor und mischerbige Täuber in der Weibchenfarbe. Ähnlich wirken auch das dominante Stipper-Gen und das rezessive Frosty-Gen als Allele von Faded. Wegen der gesundheitlichen Defekte der meisten reinerbigen Stipper-Täubern und ihrer unscheinbaren weißen Färbung sind die Täuber für das Ausstellungswesen mischerbig in der ‚Weibchenfarbe‘. Sie haben die Färbung der hemizygoten Weibchen. Das gilt auch für Almonds, bei denen die Täuber ebenfalls das Stipper-Gen mischerbig besitzen.

Abb. 1: Geschlechtsdimorphismus bei Stipper, Faded und Frosty. Quelle: Critical Issues in Pigeon Breeding. What we know and what we believe to know, Part III (2020)

Geschlechtsgebundenheit ohne farblichen Geschlechtsdimorphismus

Geschlechtsgebundene Vererbung gibt es auch ohne deutlichen Geschlechtsdimorphismus durch andere auf dem Geschlechtschromosom liegende Erbfaktoren. Das wurde früher entdeckt als beim Stipper- und Frosty-Gen. Und zwar beim rezessiven Erbfaktor ‚Verdünnung‘ und beim dominanten Erbfaktor ‚Dominant Rot‘. Später auch bei Faktoren ‚Reduced‘ und ‚Rubella‘.

Reinerbige dominant rote Täuber und hemizygote dominant rote Täubinnen unterscheiden sich farblich nicht merklich voneinander. Die Geschlechtsgebundenheit zeigt sich bei der ersten Kreuzung:

Aus einem blauen Täuber und einer dominant roten Täubin fallen nur blaue Täubinnen und mischerbige dominant rote Täuber. Aus der umgekehrten Paarung eines reinerbigen dominant roten Täubers mit einer blauen Täubin fallen nur dominant rote Jungtiere.

 

Abb. 2: Blauer Täuber x aschrote Täubin mit mischerbig dominant rotem Sohn und blauer Tochter

 

Abb. 3: Dominant roter Täuber x blaue Täubin und dominant rote Jungtiere. Neben dem Elternpaar ein mischerbiger dominant roter Sohn und eine hemizygot dominant rote Tochter (Quelle: Pigeon Genetics 2012, Abb. 13-16).

Darwin (1868) wusste aus der französischen Literatur (Boitard und Corbié 1824 und Chapuis 1865), dass einige der dominant roten Täuber sich nach Kreuzungen von anderen roten Täubern durch schwarze Flecken unterschieden. Wie später aufgezeigt wurde, ist das kein Geschlechtsdimorphismus von Dominant Rot. Es ist ein Zeichen für die Mischerbigkeit dieser Täuber für schwarzes Pigment.

Abb. 4: Stark ausgeprägte Tintenflecke in Schwanz und Schwingen bei einem dominant roten Täuber. Quelle: Pigeon Genetics, Abb. 18.

Geschlechtsbegrenzte Vererbung (farblicher Geschlechtsdimorphismus ohne Geschlechtsgebundenheit)

Bei geschlechtsbegrenzter Vererbung liegen die für ein Merkmal verantwortlichen Erbfaktoren nicht auf dem Geschlechtschromosom. Es sind damit autosomale Gene. Männliche Individuen können die Erbfaktoren haben, sie werden auch an die Nachkommen vererbt, treten jedoch nahezu ausschließlich bei nur einem Geschlecht auf. (http://www.biologie-online.eu/genetik/geschlechtsbegrenzte-vererbung.php). Bei diesen Merkmalen denkt man zunächst an das Schmuckgefieder und andere Attribute des männlichen Geschlechts bei Vögeln. Aus der Nutztierzucht genannt werden die Legeleistung von Hennen und Ertrag und Beschaffenheit der Milch, die über den Stier weitervererbt werden, dass sich das Gen aber nur im weiblichen Geschlecht auswirken kann.

Direkte Parallelen dazu, die genauer analysiert wurden, sind in der Taubenliteratur nicht zu finden. Beim autosomalen Faktor ‚Rezessiv Opal‘ wird im Zusammenwirken mit dem Farbausbreitungsfaktor ‚Spread‘ von Züchtern darauf hingewiesen, dass Täuber in der Regel hell-silbergrau sind und Täubinnen wesentlich dunkler. Beim ebenfalls als rezessiv und autosomal eingeschätzten Faktor Platin unterscheiden sich Täuber von Täubinnen schon im bindigen und gehämmerten Farbenschlag bei genauerer Betrachtung. Täuber haben eine stärkere Aufhellung der Schwung- und Schwanzfedern als Weibchen. Kommt Spread hinzu, wird der Unterschied noch deutlicher (Sell 1986, 2012, 2015).

 

Abb. 5: Pärchen Platingehämmert und Platin Spread aus der eigenen Zucht

Abb. 6: Platingruppe mit drei Täubern und drei Täubinnen

Nach Entdeckung des Faktors in den 1960er Jahren blieb der konstant vererbte Geschlechtsdimorphismus bei Spread-Platin über Jahrzehnte in der Zucht erhalten. Danach tauchten unvermittelt wesentlich hellere Täuber und auch hellere Täubinnen auf als in den Anfangsdekaden. Bei diesen war der farbliche Geschlechtsdimorphismus aufgehoben. Auch nach Kreuzungen von Platin mit blauen Brieftauben gab es in den letzten Jahren in einigen Fällen in nachfolgenden Generationen solche Hell-Silbergraue in beiden Geschlechtern. Potentielle Ursachen, über die nur spekuliert werden kann, sind die Mutation des ursprünglichen Gens in ein Allel ohne diese Geschlechtsbegrenztheit und das Auftreten oder der Wegfall von Modifikatoren durch Fremdpaarungen.

Nach den überraschenden Verstärkungen des Geschlechtsdimorphismus in den nachfolgend dargestellten Frosty-Kombinationen ist vorstellbar, dass auch bei Platin, und vielleicht auch bei Rezessiv Opal, ein geschlechtsgebundener Faktor mit minimalem und nahezu unmerkbarem Geschlechtsdimorphismus die Grundlage bildet. Er könnte durch die Wirkung eines anderen nicht geschlechtsgebundenen Faktors überlagert werden. Wenn es bei Frosty-Rubella und Frosty-Schimmel eine solche genetische Reaktion gibt, könnte es auch analoge Reaktionen bei der Platinfärbung in Verbindung mit anderen Faktoren mit minimalem Geschlechtsdimorphismus geben. Dagegen spricht, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass eine solche Verbindung über einige Jahrzehnte so fest gehalten hat wie beim Platinphnätyp. Wahrscheinlich werden die Platinfarbenen verschwunden sein, bevor das Rätsel gelöst ist.

Verstärkung des Geschlechtsdimorphismus bei geschlechtsgebundenen Faktoren durch Modifikatoren: Frosty, Rubella und Schimmel

Frosty-Rubella

In diesem Kontext bemerkenswert sind Beobachtungen beim geschlechtsgebundenen und für den Geschlechtsdimorphismus verantwortlichen Frosty-Faktor. Reinerbige Frosty-Täuber zeigen eine geringe Farbaufhellung, ähnlich der bei mischerbigen Faded. Bei Weibchen ist er nicht oder kaum sichtbar (siehe Abb. 1). Rubella ist rezessiv geschlechtsgebunden. Im Unterschied zu den Stipper-Allelen in der bindigen und gehämmerten Variante nicht geschlechtsdimorph.

In der Kombination, Frosty + Rubella, kommt es zu fast weiß erscheinenden silbergrauen Täubern mit manchmal leicht durchscheinenden Binden oder Zeichen von Hämmerung, wie auf dem Titelbild des Buches ‚Taubenzucht‘.

 

Abb. 7: Junger Frosty-Rubella-Täuber auf dem Buchcover mit leicht durchscheinender Hämmerung und fast weiß erscheinender Täuber (kein Spread!)

Weibchen werden eisgrau und die rubellafarbenen Zeichnungen bei Rubella (Binden und Hämmerung) werden farblich abgeschwächt). Der Geschlechtsdimorphimus von Frosty wird durch den nicht geschlechtsdimorphen Faktor Rubella extrem gesteigert. Bei Fremdpaarungen ist es eine fragile Kombination, weil Rubella und Frosty auf dem Geschlechtschromosom relativ weit voneinander entfernt liegen und in nachfolgenden Paarungen die Koppelung durchbrochen werden kann (Koppelungsbruch und Crossover).

Abb. 8: Frosty-Rubella Paar und Frosty-Rubella Täubin neben einer Rubella-Täubin (Quelle: Critical Issues Part V und III

Frosty-Schimmel

Erstaunlich auch die Wirkung, die bei Frosty durch das Hinzufügen des Schimmelgens schon in Mischerbigkeit erreicht wird. Bei hemizygoten Frosty-Weibchen wirkt sich der Schimmelfaktor wie bei blauen Weibchen ohne das Frosty-Gen aus. Es entstehen Schimmel in der in Standards gewünschten intermediären Färbung. Bei reinerbigen ‚blaugrundfarbigen‘ Frosty-Täubern‘ (Abb. 1) entstehen ‚Weißlinge‘, Weißgestorchte, wie man sie in einigen Rassen bei reinerbigen Schimmeln erhält. Die Entdeckung verdanken wir Frank Zetzsche bei seinen Bemühungen, den Schimmelfarbenschlag bei den Thüringer Einfarbigen wieder zu erzüchten.

Abb. 9: Frosty-Schimmel. Quelle: Critical Issues in Pigeon Breeding Part II (2021)

Didaktische Hilfestellungen

Wer die obigen Aussagen nicht nur als Behauptungen zur Kenntnis nehmen will, der wird sich mit genetischen Grundlagen befassen müssen. Mit Hilfe der Punnettschen Quadrate als didaktisches Hilfsmittel ist es einfach zu verstehen, wie es zur geschlechtsgebundenen und geschlechtsdimorphen Vererbung kommt. Auch, was die Kombination von Erbfaktoren bewirken kann. Komprimiert dargestellt mit einem Beiheft mit Übungen und Lösungen wurde es aktuell in Englisch, Niederländisch und Französisch in einer Broschüre von 80 Seiten. Auf dem Cover des Beiheftes zur Einführung in die Taubengenetik im Punnettschen Quadrat nachgestellt die Paarung eines mischerbigen Stipper-Täubers mit einer schwarzen Täubin.

 

Abb. 10: Cover ‘Introduction to Heredity in Pigeons’ und des Supplement-Bandes mit Übungen

Literatur

Sell, A., Breeding and Inheritance in Pigeon, Hengersberg 1994.

Sell, A., Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015.

Sell, A., Introduction to Heredity in Pigeons, Achim 2022.

Sell, A., Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.

Sell, A., Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019.

Sell, A., Zucht und Vererbung, Hengersberg 1986.

Sell, A., Critical Issues in Pigeon Breeding. What we know and what we believe to know Parts I-VI, Achim 2020/2021.