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Goldene Regeln und Vererbungsgesetze in der Stipper- und Almondzucht

Ich bin dann mal weg, sagte das Stipper-Gen und verschwand!

Viele Züchter erwarten, dass im Zuchtgeschehen verloren gegangene Phänotypen wieder auftauchen, wenn Großeltern so ausgesehen hatten. Und das auch dann, wenn die Eltern die Färbung nicht mehr zeigen. Schließlich sei es Erfahrungswissen, dass Enkel ihren Großeltern ähneln.

Ein Blick auf die Vererbungslehre zeigt, warum das manchmal zutrifft, aber eben nicht immer. Etwas Wissen über Vererbung kann verhindern, dass Zeit und Geld in aussichtslose Projekte investiert werden. Bei komplexeren Färbungen, wie z.B. Almond, können Wahrscheinlichkeiten für erwünschte Zuchtergebnisse bei unterschiedlichen Zuchtstrategien bestimmt werden.

Das lässt sich an einfachen Beispielen zeigen. Aus der Paarung eines Schwarzstipper-Täubers mit einer schwarzen Täubin wird man sowohl Stipper als auch Schwarze in beiden Geschlechtern erhalten. Im Bild der Beilage des Übungsheftes zur Broschüre ‚Introduction to Heredity in Pigeons‘ ein Schwarzstipper und ein schwarzes Weibchen mit einem schwarzen und einem gesprenkelten Jungtier.

 

Abb. 1: Schwarz-Stipper Familie (mischerbiger St-Täuber mit schwarzem Weibchen und Jungtieren) und Deckblatt der Broschüre ‘Introduction to Heredity in Pigeons’, die eine Interaktion von Farbfaktoren bei der Vererbung von Farbenschlägen symbolisiert

Im Punnettschen Quadrat als didaktische Darstellungsform stellt es sich wie folgt dar. Ein mischerbiger Stipper-Täuber in der linken Spalte mit den Genen St und dem Wild-Typ + wird mit einer Täubin ohne das Stipper-Gen (●//+) in der obersten Zeile verpaart. Alle Kombination der Gene von Vater und Mutter bei den Jungtieren können in den inneren Feldern der Matrix abgelesen werden. Täuber mit dem Symbol +//+ haben das Stipper-Gen St nicht. Auch die Hälfte der Täubinnen hat es nicht (+//●).

Quelle: Introduction to Inheritance in Pigeons

Auch die schwarzen Täuber (+//+) und Täubinnen (●//+) aus solchen Paarungen haben jeweils einen Stipper zum Vater. Trotzdem werden sie, untereinander verpaart, keine Stipper geben. Woher sollte das Stipper-Gen bei den Enkeln auch kommen? Keiner der Eltern besaß es.

 

+

+

+ //●

+ // +

+

+ //●

+ // +

 

Das Stipper-Gen ist weg, zumindest in diesem Zweig der Familie. Der Züchter kann noch so viele solcher Paare zusammenstellen. Er wird dennoch keine Stipper ziehen.

Almonds als Stipper

Almonds haben das Stipper-Gen wie die Schwarzsprenkel. Sie haben mit Agates und Kites in der Zucht aber andere Komplementärfarben, die für die besondere Färbung der Almonds sorgen. DeRoy ist eine Besonderheit. Es sind Agates mit dem Stipper-Gen. Auch der Verdünnungsfaktor ist in vielen Schlägen vorhanden, worauf hier aber nicht eingegangen wird.

Abb. 2: Almond und Nebenfarben der Almondzucht, DeRoy, Rot-Agate und Kite (Quelle: Introduction to Inheritance in Pigeons 2022)

Die Lotterie der Almondzucht

Schon Fulton schrieb 1876 bei seinen Empfehlungen für die Verpaarungen der Farbenschläge in der Zucht des Englischen Almond-Tümmlers von der ‚lottery of Almond-breeding‘. Man wüsste von vielen Fällen, in denen die Züchter Tiere von bester Qualität zusammengestellt hätten, die dennoch über die ganze Saison hinweg keinen Almond hervorgebracht hätten. Keiner könne voraussagen, ob und dass zwei zusammengesetzte Tiere Almonds produzieren.

Abb. 3: Fulton zur ‚Lotterie der Almondzucht‘ (Quelle: Fulton 1876)

In den Almondzuchten besitzen Almondfarbene und DeRoy den Stipperfaktor. Die Nebenfarbenschläge Agates und Kites haben ihn nicht.

Der Begriff ‚Lotterie‘ bei Fulton ‚hinkt‘ etwas. Es ist keine Lotterie mehr, wenn man in einen Lostopf nur Nieten packt. Im Zivilrecht wäre es Betrug, im Volksmund Dummenfang. Man kann bei einzelnen Paaren zwar nicht voraussagen, dass sie mit Sicherheit im laufenden Zuchtjahr Almonds ziehen werden. Man kann aber Wahrscheinlichkeiten bestimmen. Und man kann bei einigen Paaren mit Sicherheit sagen, dass aus ihnen keine Almonds fallen.

Abb. 4: Rot Agate, bei Fulton ‘Rot Agate Mottle’, und Kite (Quelle: Fulton 1876)

Ein solche Lostopf mit lauter Nieten, wenn das Ziel ist, Almonds zu bekommen, ist die bei Fulton empfohlene Verpaarung eines Rot- oder Gelb-Agate Mottles (Agate mit deutlich weißen Flecken) mit einer Kite-Täubin (S. 153). Wie die beiden Schwarzen aus der Stipperzucht, haben beide nicht das Stipper-Gen. Es ist also eine Luftnummer. Aufgegriffen wird diese Paarung dennoch unter den Almondpaarungen von Metzelaar in seinem Buch ‚Color Breeding in Pigeons‘ von 1926. Abgedruckt wird sie auch im Sammelband ‚The Short Faced Tumbler Club Centenary 1886-1986 Part I aus dem Jahr 1987 und als Ratgeber werden sie auch heute immer wieder genannt.

Almondweibchen aus Kite-Täubern?

Zur Zeit Fultons wusste man wenig über die Vererbung. Die geschlechtsgebundene Vererbung wie beim Stipper-Gen wurde erst nach 1900 entdeckt. Zuchtempfehlungen sind aus Beobachtungen und Aufzeichnungen abgeleitet. Und das meist bei offenen Schlägen, bei denen eine Fremdbefruchtung nicht ausgeschlossen werden konnte.

Auf eine solche Fremdbefruchtung dürfte auch die Annahme zurückgehen, man könne aus einem Kite und einer Almond-Täubin besonders gute Almond-Täubinnen züchten.

„Then to breed Almond hens we would … putting a good Almond hen to a Kite cock. This is now seldom done, but is one of the best matches we know for breeding what is so rarely seen and so difficult to produce – an Almond hen of good sound colour all through the body.” (Fulton 1876).

„Um eine Almond-Täubin zu züchten … würden wir eine gute Almond-Täubin mit einem Kite-Täuber verpaaren. Das wird heute selten gemacht, aber es eine der besten Paarungen die wir kennen, um das zu züchten, das so selten zu sehen und so kompliziert zu produzieren ist – eine Almond-Täubin mit einer guten Farbe über den gesamten Körper“ (eigene Übersetzung).

Abb. 5: Fulton zur Paarung eines Kite-Täubers mit einer Almond-Täubin

Auch das eine Luft-Nummer. Die Punnettschen Quadrat sagen uns in der theoretischen Analyse etwas anderer. Dennoch werden sie unter den Goldenen Regeln bei Metzelaar und in späteren Quellen und Empfehlungen wieder genannt.

Erfahrungsregeln, Farbkalkulatoren und Vererbungslehre

Wie man an den Beispielen sieht, sollte viele über Jahrzehnte weitergegebene Erfahrungsregeln kritisch hinterfragen. Das nicht nur bei den Stipper-Farbenschlägen. Aufzählungen der vermutlichen Ergebnisse von Farbkreuzungen und Farbkalkulatoren sind für manche Züchter eine hilfreiche Krücke. In mancher Hinsicht aber auch ein Armutszeugnis. Man kann sich die Grundlagen leicht aneignen.

Befriedigender als das Nachschlagen in einem Regelbuch sollte es sein, Farbenschläge genetisch einordnen zu können und auf der Grundlage Vererbungsgänge nachzuvollziehen. Das ist die Voraussetzung für eine systematische Zucht. Vertraut wird man mit den Mechanismen der Vererbung durch Übungen. Daher ist den in englischer, französischer und niederländischer Sprache herausgegebenen Broschüre von 80 Seiten jeweils ein Übungsheft von 30 Seiten beigefügt.

https://www.taubensell.de/003_Neu_Buchshop/taubenbuch.htm

Literatur:

Fulton, R., The Illustrated Book of Pigeons, London, Paris, New York, Melbourne 1876

Metzelaar. J., Color Breeding in Pigeon Plumage 1926

Mullan, Jim (ed.), The Short Faced Tumbler Club Centenary 1886-1986 Part I, Inglewood 1987. Published as a free supplement to ‘Fancy Pigeons’ Issue 7

Sell, A., Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012

Sell, A., Introduction to Heredity in Pigeons, Achim 2022 (80 Seiten mit Supplement ‘Comprehension Questions’, 30 S.)

Sell, A., Introduction à l’héredité chez les pigeons, Achim 2022 (80 S. plus ‘Questions de comprehension pour chaque chapitre’ 30 S.)

Sell, A., Inleiding tot de erfelijkheid bij duiven, Achim 2022 (80 S. plus ‘Begrijpelijke vragen over afsonderlijke hoofdstukken’ 30 S.)