Marksteine in der Entwicklung von Rassen:
Schildmövchen
Schildmövchen sind über ganz Europa seit Jahrhunderten verbreitet.
Im von Erich Müller herausgegebenen Sammelband ‚Alles über
Rassetauben‘ Band 1 wird die Verbreitung und die Differenzierung in
zahlreiche regionale Schildmövchenrassen nachgezeichnet. In frühen
Darstellungen wie 1763 bei Frisch und 1765 in der Treatise haben sie
eine sehr moderate Schnabellänge und Kopfform.
Abb. 1: Historische
Bilder von Schildmövchen bei Frisch 1763, Tischbein um 1800, von
links (Quelle: Sell, Pigeon Genetics, Achim 2012)
Das traf auch auf die Darstellung auf einer Bildtafel bei Gustav
Prütz 1885 zu. Einer kleinen Revolution kam in Mitteleuropa die
Einführung der rundköpfigen und sehr kurzschnäbligen Einfarbigen
Mövchen und Orientalischen Mövchen aus Nordafrika und Kleinasien in
der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gleich (Assmus/Hegemann 1979).
Abb. 2: Deutsches
Schildmövchen bei Prütz 1875 und Titelbild von Assmus/Hegemann 1997
Nicht bei allen Mövchen ist man danach dem Trend zu runden Köpfen
gefolgt. Für das englische Turbit hat Donovon L. White in seiner ‚Turbitology‘
2017 den Entwicklungsweg zu einem kurzem Schnabel, aber verbunden
mit einer ununterbrochener Bogenlinie von Schnabel, Stirn und
Scheitel bis in die Spitzkappe, nachgezeichnet.
Abb. 3: Titelblatt
von ‚Turbitology‘
Auch beim Deutschen Schildmövchen war der Entwicklungsweg
umstritten. Dr. Ernst Lehmann plädierte 1891 dafür, nicht dem Trend
nach einem runden Kopf wie bei den Einfarbigen Mövchen zu folgen.
Das Mövchen solle „auf möglichst viele und möglichst gewölbte
Bogenlinien hin gezüchtet sein. Schon der nach unten gebogene
kräftige Schnabel soll mit der breiten Schnabelwarze eine einzige
nicht zu schwache Wölbung bilden. Ob der Schnabel dabei etwas länger
oder kürzer ist, kommt weniger in betracht. Möglichste Breite an der
Wurzel und ziemlich rasches Verlaufen nach unten ist die Hauptsache.
Ein dünner, schmaler Schnabel entstellt den Kopf des Mövchens
ebenso, wie ein zu winziger kurzer Schnabel. Beide Schnäbel brechen
zu unvermittelt ab, statt daß sie fast die ganze Breite des Gesichts
einnehmen. In dem unmerklichen Uebergang des Schnabels zum Vorkopf
besteht eigentlich das Geheimnis der Schönheit des Mövchenkopfes“
(wörtlich S. 18).
Abb. 4: Titelblatt
und Zeichnung eines Deutschen Schildmövchens, Quelle: (Lehmann,
Ernst, Das Deutsche Mövchen, Leipzig (1891)).
Letztlich haben sich aber die Verfechter des runden Kopfes
durchgesetzt, wie schon Fotos des Deutschen Schildmövchens bei
Lavelle/Lietze 1905 zeigen. Überlebt hat das alte Deutsche Mövchen
im Aachener Lackschildmövchen, das von Prütz als eine gesonderte
Rasse behandelt wird. Gegen die Überzeugung von Lehmann (S. 13),
aber vielleicht schon in weiser Voraussicht der weiteren
Entwicklung.
Abb. 5: Deutsches
Schildmövchen (links) und Turbit-Mövchen bei Lavalle und Lietze 1905
(Quelle: Sell 2012)
Gezeigt wurde das Deutsche Schildmövchen auf der letzten Nationalen
in Leipzig 2018 durch einen Aussteller mit 4 Exemplaren und auf der
VDT-Schau in Kassel im Januar mit 12 Exemplaren, ebenfalls von einem
Aussteller.
Bei den
Lackschildmövchen waren es immerhin 130 bzw. 107 Nummern.
Abb. 6: Verschiedene
Mövchenrassen, von oben links nach unten rechts: Turbit, Deutsches
spitzkappiges Schildmövchen, Antwerper Smerle, Aachener
Lackschildmövchen, Altdeutsches Mövchen und Polnisches Schildmövchen
(Quelle: Sell 2012)
Literature:
Assmus, Werner, und Werner Hegemann (Hrsg.), Mövchentauben
international, Reutlingen 1979.
Lavalle A. und M. Lietze (Hrsg.), Die Taubenrassen, Berlin 1905.
Lehmann, Ernst, Das Deutsche Mövchen, Leipzig (1891).
Müller, Erich (Hrsg.), Alles über Rassetauben Band 1. Entwicklung,
Haltung, Pflege, Vererbung und Zucht, Reutlingen 2000.
Prütz, G., Illustrirtes Mustertaubenbuch, Hamburg 1885.
Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the
Domestic Pigeon, Achim 2012.
White, Donovon L., Turbitology. A Study of the
Modern-Type Turbit Pigeon, Hemet California, USA 2017.
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