Molekulargenetische Untersuchungen zum Stipper-Gen und seinen
Allelen
Es ist schon einige Jahre her, dass Rebecca Bruders Züchter in
Nordamerika dazu aufrief, sie mit der Überlassung von Federn und
Informationen bei einem Projekt zur molekulargenetischen
Untersuchung almondfarbener Tauben zu unterstützen. Eine vorläufige
Studie ist jetzt erschienen und ein Dank ging auch an Ken Davis und
Tim Kvidera.
Almonds zeigen eine braun-gelbe (almondfarbige) Grundfärbung mit
schwarzen Stippen und im Ausstellungswesen möglichst dreifarbige
Federn mit den Färbungen Braun/Gelb, Schwarz und Weiß in Schwingen
und Schwanz. Reinerbige Täuber sind fast weiß und zeigen häufig
Augendefekte. Das für die Färbung maßgebliche Stipper-Gen ist auch
bei Farbenschlägen vorhanden, die im Ausstellungswesen Stipper und
Sprenkel genannt werden und sich in weiteren für die Färbung
verantwortlichen Erbfaktoren unterscheiden.
 
Abb. 1: Englische Short Faced Tümmler Almond (Quelle: Genetik der
Taubenfärbungen, Achim 2015)
Aus der Zusammenfassung der Autoren in deutscher freier Übersetzung:
‚Beim Vergleich der Genome von Almond- und Nicht-Almondtauben
stellten wir fest, dass Almonds über zusätzliche Kopien einer
Chromosomenregion verfügen, die ein Gen enthält, das für die Bildung
von Pigmentkörnern entscheidend ist. Wir haben auch festgestellt,
dass eine unterschiedliche Anzahl von Kopien dieses (DNA-)Abschnitts
mit einem unterschiedlichen Ausmaß an Pigmentreduktion verbunden
ist. Der Almond-Phänotyp bei Tauben weist eine bemerkenswerte
Ähnlichkeit mit Merle-Fellfarbmutanten bei Hunden auf, und unsere
neuen Ergebnisse bei Tauben legen nahe, dass diesen Merkmalen bei
beiden Arten ähnliche genetische Mechanismen zugrunde liegen. Unsere
Arbeit hebt die Rolle der Variation der Genkopienanzahl als
potenzieller Treiber der schnellen phänotypischen Evolution hervor‘
(aus dem Abstract).
Kopienzahlvariation ist eine relativ neu erkannte Form struktureller
Variation des Erbguts durch Duplikationen der Gene, so dass sie in
dem Bereich in mehreren Kopien vorliegen können. Untersucht und
identifiziert wurden als Allele neben St noch Qualmond, Sandy,
Frosty, Faded, Chalky und White Out, eine von Tim Kvidera erst in
jüngster Zeit aufgezeigte Variante. Festgestellt wurden auch die
schweren Augendefekte bei reinerbigen Almondtäubern.

Abb. 2: Der Wild-Typ (Nicht-Almond links) und Färbungen auf der
Grundlage von St und seinen Allelen (Quelle: R. Bruders u.a. 2019)
Gezeigt wurden in einer Abbildung untersuchte Tiere der betrachteten
Allele. Bei den Almonds handelt es sich nicht um den
Ausstellungsfarbenschlag Almond der Englischen Short Faced, sondern
um stipperähnliche Tiere. Sie besitzen auch den Stipperfaktor als
auslösendes Element, so dass es für die Untersuchung irrelevant ist.
Bei dem Foto des Sandy könnte bei der Färbung auch der
Farbausbreitungsfaktor beteiligt sein. Bei Frosty hat Tim Kvidera
ein Foto bereitgestellt, das die Färbung so zeigt, wie sie bei
reinerbigen Thüringer Graugrundfarbigen in der Täuberfärbung
vorhanden ist. Die Täubinnen zeigen keine oder kaum merkbare
Abweichung vom Wild-Typ. Bei Faded wiederum ist entweder eine Täubin
oder ein mischerbiger Faded-Täuber abgebildet, was nicht Eingeweihte
beim Vergleich mit Frosty irritieren könnte. In der Terminologie
taucht Almond mal als Farbenschlag auf, dann wird wiederum
alternativ zu dem von Christie und Wriedt eingeführten Symbol St vom
Stippergen gesprochen. Es bleibt aber erkennbar, was jeweils gemeint
ist.
Es bleibt zu hoffen, dass die Ankündigung der Autoren, das Thema
weiter verfolgen zu wollen, auch eingelöst werden kann. Die Studie
hat auch jetzt schon bedeutende Erkenntnisse geliefert.
Literatur:
Bruders, Rebecca, Hannah Van Hollebeke, E.J. Osborne, Zev Kronenberg,
Marc Yandell, D. Shapiro, A copy number variant is associated with a
spectrum of pigmentation patterns in the rock pigeon (Columba
livia),
doi: https://doi.org/10.1101/688671
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/688671v1?fbclid=IwAR2LvknbI3GD0-duTMApYq-tbJPbPflm4F_QNxpdUdhXg44HtU4N5zg-u7Y
Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015.
Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic
Pigeon, Achim 2012.
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