Neue Erkenntnisse zu Scheckungen bei Tauben
Regelmäßige Scheckungen tauchen
schon in Abbildungen bei
Marcus zum Lamm mit Schild- und Schwalbentauben sowie
Farbenköpfen um 1600 auf. Früh entdeckt auch eine regelmäßige
Scheckung, die spalterbig ist. Elstern in einigen Rassen, nicht in
allen, spalten auf in Weiße, Weißschwingige und spalterbige Elstern.
Der Erbgang dargestellt bei
Erich Klein 1941, aber immer noch keine Klarheit über die
Verankerung des Erbganges im Genom.
Abb. 1: Erbgang bei spalterbigen Elstern (Klein 1941)
Nach Kreuzungen mit Einfarbigen braucht es lange
Selektion, bis die Scheckungen sich wieder verlässlich nach dem
dargestellten Schema ausspalten. In der ersten Kreuzung mit
Einfarbigen überwiegend Farbige mit mehr oder minder vielen weißen
Schwingen, was die Vermutung zu stützen schien, dass diese
Federfluren einem dominanten Erbgang folgen.
Abb. 2: Pommersche Bunte (spalterbige Elster) x einfarbiger
Brieftaube und F1 (Mitte) und Jungtiere der F2
(rechts). Quelle: Sell, Pigeon Genetics, Achim 2012
Allgemeine Behauptungen oder Aussagen sind
gefährlich. Gefundene Erkenntnisse werden durch andere Beobachtungen
immer wieder in Frage gestellt und relativiert. Diese zeigen, dass
Zusammenhänge oft komplexer sind. Überraschend, wenn aus
vermeintlich reinen einfarbigen Familien Jungtiere mit weißen
Schwingen fallen, wie aktuell das gezeigte aschfahle
Weißschlag-Weibchen aus aschfahlen Eltern und aus einfarbig
schwarzen Eltern das schwarze Jungtier mit weißen, mit einigen
farbigen Federn durchsetzten Schwingen.
Abb. 3: Weißschläge aus einem einfarbig aschfahlen Paar und aus
einem einfarbigen schwarzen Paar
Gescheckte Phänotypen wurden schon vor mehr als 100
Jahren von Christie
und Wriedt in
umfangreichen Testpaarungen analysiert. Aus den dokumentierten
Ergebnissen über die F1, F2 und Rückpaarungen
an die Eltern schlossen sie auf Koppelungen von Genen, die für
unterschiedliche Farbflächen verantwortlich seien (Christie
und Wriedt 1923,
1927).
Abb. 4: Kreuzungen von Schildtauben und rezessiver Elsterscheckung
(Dänische Tümmler) bei Christie und Wriedt 1923, Quelle: Sell,
Pigeon Genetics, Achim 2012
Spätere Versuche von Taubenzüchtern führten zur These
eines gemeinsamen Scheckfaktors pi (pied) für unterschiedliche
Varianten, der mit weiteren modifizierenden Faktoren die Vielfalt an
Scheckmustern hervorbringt (Larry Chesling 1986, 1987). Zu einem
ähnlichen Ergebnis kam jüngst die Forschungsgruppe um M. Shapiro für
die von ihnen molekulargenetisch untersuchten Scheckungsvarianten
(E. T. Maclary u.a. 2023). Auf dem EDNRB2-Lokus wiesen sie für
Schecken eine Sequenz von unterschiedlichen Haplotypen nach (Nukleotidsequenz,
die aus Allelen mehrerer Gene zusammengesetzt ist). Danach hat schon
der gemeinsame Haplotyp unterschiedliche Varianten. Das Problem der
Entschlüsselung des Codes für Scheckvarianten gewinnt damit an
Komplexität, die mit traditionellen Zuchtversuchen nicht zu
entwirren ist. Für die Studie wurden Kreuzungen von Altholländischen
Kapuzinern x Einfarbig und umgekehrt durchgeführt sowie eine
Kreuzung mit einem einfarbigen Brieftäuber mit einer Altdeutschen
Schildmövchen-Täubin. Ausgewertet wurde die F2 aus diesen
Kreuzungen. Die Ergebnisse sind nicht einfach nachzuverfolgen, da
zusätzlich Ergebnisse früherer Kreuzungen, wie der von geherzten
Bagdetten und gescheckten Kröpfern (Pommersche), in die Analyse
einfließen.
Abb. 5: Scheckungen und nicht-gescheckte Kreuzungspartner (Gimpel
und Brieftaube) in der Untersuchung von Maclary et al. 1923
Das methodische Vorgehen lässt sich nicht bei allen
Scheckungen kopieren, denn bei einigen Schecken ist die F1
so uneinheitlich, dass die Auswahl der Zuchttiere für die F2
zum Problem wird. So bei der im Buch „Pigeon Genetics“ und,
deutschsprachig, in der „Genetik der Taubenfärbungen“ gezeigten
Kreuzung eines Nackenflecktümmlers mit einer einfarbigen Aschfahlen
Täubin im eigenen Schlag. Von fast einfarbig bis komplett Weiß und
korrekter Ganselscheckung alles dabei. Immer noch eine Spielwiese
für an Experimenten interessierte Züchter.
Abb. 6: Aufspaltung in der F1 bei der Kreuzung eines
Nackenflecktümmlers mit einer aschfahlen Pommerschen Schaukappe.
Quelle: Sell, Pigeon Genetics und, deutschsprachig, Genetik der
Taubenfärbungen
Literatur:
Chesling,
Larry, On Pied Pigeons, comment Pigeon Science and Genetics News,
Views, & Comments issue 16, December 1986, p. 18, issue 17, March
1987, pp. 23-24.
Christie, W. und Chr. Wriedt, Charaktere bei der Perückentaube, dem
Kalottentümmler und dem Brünner Kröpfer, Zeitschrift für induktive
Abstammungs- und Vererbungslehre 1927, S. 334-367.
Christie, W. und Chr. Wriedt, Die Vererbung von Zeichnungen, Farben
und anderen Charakteren bei Tauben, Zeitschrift für induktive
Abstammungs- und Vererbungslehre 32 (1923), S. 233-298.
Klein, Erich, Die Taubenzucht, Leipzig 1941.
Maclary, Emily T. et al., An allelic series at the EDNRB2 locus
controls diverse piebalding patterns in the domestic pigeon, PLOS
Genetics, Oct. 2023,
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37862332/
Marcus zum Lamm, Die Vogelbücher aus dem Thesaurus pictuarum/ Marcus
zum Lamm (1544-1606). Hrsg. mit Interpretationen und Kommentar von
Ragnar K. Kinzelbach und Jochen Hölzmeier, Stuttgart (Hohenheim),
Ulmer 2001.
Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015.
Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic
Pigeon, Achim 2012, https://www.taubensell.de
Sell, Axel, Tauben. Züchten mit System, Reutlingen 1995.
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