Warum Trommeltauben in der deutschen Literatur aus
Russland stammen
Why
Trumpeters in the German Literature are supposed to origin in Russia
(see below)
Spurensuche
Die Herkunft vieler Taubenrassen ist ungeklärt. Oft werden Wissenslücken
durch Spekulationen ausgefüllt, die von späteren Autoren als gesicherte
Erkenntnis übernommen und weiter verbreitet werden. Manchmal stehen am
Anfang auch einfache Fehlinterpretationen. Unterschiedliche Lesarten und
falsche Wiedergaben wirken als weitere „Nebelwerfer“. Manchmal werden auch
bewusst falsche Spuren gelegt. So war für die Namensgebung bei den
Chinesentauben wohl der Geschäftsinn des französischen Taubenhändlers Destriveaux verantwortlich, der für Tauben, die angeblich aus China
stammten, einen höheren Preis als für Tauben aus dem benachbarten Spanien
verlangen konnte. Manchmal ist es nützlich, in der Literatur angeführte
Quellen selbst nachzulesen, um Verfälschungen im Laufe der Jahrhunderte
auf die Spur zu kommen. Auf diese Art der „Spurensuche“ ist auch das Buch
„Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften“ entstanden, in dem
auch der Herkunft der Trommeltauben nachgegangen wurde.
Erklären kann man sich die Verbreitung einmal in der Literatur zu
findender Fehleinschätzungen leicht. Denn welcher Autor von
Sekundärliteratur hatte früher schon Gelegenheit, im Vogelbuch von Gessner
aus den Jahren 1555 und 1557 oder in der Ornithologiae von Aldrovandi aus
dem Jahr 1600 zu blättern! Gelesen und übernommen wurde das, was bei
späteren einflussreichen, und vor allem leichter zugänglichen Quellen wie
Bechstein 1807, Brehm 1857, Prütz 1885 und Dürigen 1886 zu finden war. Das
wirkt bis heute nach, wie das auch im Buch „Taubenrassen“ aufgespießte
Beispiel der Herkunft der Trommeltauben zeigt.
Deutsche Doppelkuppige Trommeltaube
Die Herkunft der Trommeltaube in der
deutschen Literatur von Bechstein 1807 über Brehm 1857 und Dürigen 1886
bis heute
Wer in die Taubenfachliteratur schaut, der wird als gesichert ansehen,
dass die europäischen Trommeltauben ursprünglich aus Russland stammten,
später ergänzt durch Importe von Bucharen. Brehm nimmt den russischen
Ursprung 1857 als selbstverständlich an und setzt die Begriffe
„Rauchfüßige, latschige, russische Tauben“ unter der Überschrift
„Trommeltauben“ gleich.
Die Russische Taube bei Brehm 1857
Er folgt damit Bechstein, der 1807 für die Trommeltaube verschiedene
geläufige Bezeichnungen, wie u.a. Federfuß, Straußtaube, gehäubter
Rauchfuß und schließlich auch rauchfüßige reußische oder russische und
türkische Taube, aufzählt. Soweit historische Belege genannt werden, wird
meist auf Gessner verwiesen, der Trommeltauben nicht nur in den zum Teil
nach seinem Tod 1565 erschienenen Auflagen des „Vogelbuches“ 1555, 1557,
1582 und 1600 abgebildet, sondern als Herkunft auch Russland genannt habe.
So schreibt Dürigen 1886: „Die ersten scheinen … vor einigen hundert
Jahren nach dem mittleren Europa bzw. Deutschland gebracht worden zu sein,
denn unter den ‚Russischen Tauben’ (‚Ghösslet Tuben’, auch dasypodus,
raufüßige, genannt), welche der alte Gesner (1555) neben den Feld- und
zahmen Schlagtauben aufführt, kann man wohl nur die Trommler verstehen…“
(S. 507).
Gessner 1557 und die „Reüſſische“ Taube
als Quelle des Mißverständnisses
Zu den Fakten: Über Trommeltauben und das Trommeln schreibt Gessner gar
nichts. Rassen werden überhaupt erst in der Nachbearbeitung aus dem Jahr
1669 durch Horst in einer erweiterten Fassung der Erstauflagen genannt, zu
der Zeit war Gessner schon über 100 Jahre tot. Trommeltauben sind
allerdings auch Horst bei der Nachbearbeitung noch nicht bekannt,
zumindest führt er sie nicht unter den Rassen auf. Und von „Russischen
Tauben“ spricht auch Gessner nicht.
Quelle: Gessner 1557
Eine der von den zwei schon 1557 und in späteren Auflagen seine Buches
abgebildeten Tauben (mehr als diese beiden Haustauben werden in dem Werk
bis zur Nachbearbeitung 1669 nicht gezeigt) hatte allerdings eine typische
Trommeltaubenfigur, dazu stark bestrümpfte Füße und eine Kappe, allerdings
nicht die heute bei Trommlern dieses Typs meist zu findende Schnabelkuppe.
Auf dieses Bild beziehen sich alle Autoren.
Die Englisch oder Reüſſisch Taub bei Gessner 1557 (ſ entspricht dem
heutigen s)
Die Englische oder Reuſſische Taub bei Gessner 1600
Die „Logik“ der Missverständnisse
Wie kommen die Autoren auf Russland als Herkunftsland? Wie gezeigt,
schreibt Gessner 1557: „Es sind auch zam Schlagtauben…die habend gefädert
Füß, darumb sy etlich Reüssisch oder Ghößlet Tauben heissend“. Wegen der
befiederten Füße wurden sie raufüssig (reüssisch) oder behost (ghößlet)
genannt. Reüssisch ist auch noch die Schreibweise 1582.
Auch vor Jahrhunderten war man vor Schreibreformen nicht gefeit. In der
Auflage von 1600 heißt es statt 1557 „Reüssisch“ „Reussisch“. Und bei
Bechstein 1807, Brehm 1857 und schließlich Dürigen 1886 wird daraus
„Russisch“. Eine klassische Fehlinterpretation mit Vorgeschichte! Seitdem
kommen Trommeltauben aus Russland, zumindest in der deutschen Literatur.
Von Reüssisch (raufüßig) über Reussisch zu Russisch! Und bei dem
Beharrungsvermögen von Fehlern in der Literatur wird sich das auch kaum
ändern!
Zur Genetik des Trommelns
Berichte zur Genetik des Trommelns durch den Amerikaner Gary Fillmore und
andere liegen schon einige Jahrzehnte zurück. Sie weisen auf einen
einfachen, nicht geschlechtsgebundenen rezessiven Erbgang hin.
Rückpaarungen von Kreuzungstieren an Trommler ergeben in der Regel schon
wieder zur Hälfte trommelnde Tauben. Bei der Verpaarung von
Kreuzungstieren untereinander ist der Anteil meist allerdings geringer als
das Viertel, das bei einem einfachen Erbgang zu erwarten ist. Weitere
Analysen wären daher nützlich.
Why Trumpeters in the German Literature are supposed to origin from Russia
In the German literature Trumpeters usually are
supposed to originate from Russia, and this at a very early stage of
pigeon breeding in Middle Europe. Imports should have happened far before
imports from Bukhara in the nineteenth century via Russia. As a
reference usually Gessner is quoted who wrote his famous Volume on birds (Vogelbuch)
1555 in Latin. 1557 a German edition was published. Later issues in German
language followed 1582 and 1600. In 1669 a revised and enlarged edition
was printed. It is this edition where at the first time different breeds
like Fantails, Pouters, Tumblers (Burzler) etc. were discussed. The
editions from 1555 to 1600 contain plates from only two domestic pigeons,
the first one the “ordinary” (gemeine) domestic pigeon and the second one
the “English or rough footed” pigeon. The latter is shown above and has a
crest and a figure similar to some Trumpeters of today. The today outdated
German naming for rough footed in the 1557 edition is “Reüssisch”.
According to the text that means unmistakably ‘feathered feet’. In the
edition from 1600 the writing is changed to “Reussisch”, however with the
same verbal explanation – feathered feet. In 1857 Christian Ludwig Brehm
in the monograph “Die Naturgeschichte und Zucht der Tauben” (History and
Breeding of Pigeons) takes the Trumpeter as “Rauchfüßige, latschige,
russische Tauben” (rough-footed, muffed, Russian pigeons). Thus he
replaced ‘rough footed pigeons’ by ‘Russian pigeons’. Similar Bechstein in
1807 used the term rough-footed Russian pigeon. Also the famous and
influential author Bruno Dürigen became victim of a false interpretation.
In the first edition of the “Geflügelzucht” (Poultry Breeding) from 1886
he states that the “old Gesner” mentioned Russian pigeons. However, as is
shown above that was wrong and a misinterpretation, perhaps influenced by
Brehm and other former authors. We should also realize that Gessner did
not discuss pigeon breeds in detail and thus also did not mention drumming
pigeons at all.
However, since most authors of books on pigeon breeds
refer on secondary sources, it is no wonder that the errors will maintain
in literature for long and sometimes for ever.
On the genetics of the drumming several studies some
decades ago, e.g. by Gary Fillmore from the United States demonstrated a
more or less recessive characteristic, not sex-linked.
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