Die Entschlüsselung und Verschlüsselung von Taubenfärbungen
Encoding
and Decoding of Pigeon Colorations (see below)
Die Vielfalt von Taubenfärbungen ist über die Jahrhunderte durch eine
beharrliche Auslese und gelegentliche intuitive Kreuzungen auch ohne
genetischen Kenntnisse der Züchter entstanden. Die schon im 19.
Jahrhundert vorhandenen Varianten der Haustaube in Form, Farbe, Größe und
Verhalten hatten auch Darwin beeindruckt. Haustauben mit ihren
Unterschieden und ihrer Entwicklungsgeschichte bildeten dadurch auch einen
wichtigen Baustein in seiner Evolutionstheorie.
Die Entschlüsselung von Taubenfärbungen
Nach der Entdeckung der Mendelschen Regeln wurden nach 1900 an
Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen umfangreiche
Untersuchungen durchgeführt, um das Zusammenspiel der Erbfaktoren zu
erkunden, die für die unterschiedlichen Erscheinungsbilder verantwortlich
sind. Das fand in einer Phase der genetischen Forschung statt, in der es
noch darum ging, zu erkunden, ob und wie sich die Mendelschen Regeln bei
unterschiedlichen Tierarten auswirken. In den Geflügelzeitungen finden
sich zur damaligen Zeit noch zahlreiche Artikel, in denen Züchter zeigen
wollten, dass die Mendelschen Regeln gerade bei Tauben nicht gelten. Bei
Tauben ging es dabei meist um Färbungen, aber auch um Merkmale der
Federstruktur, Erbkrankheiten u.a. Der Prozess der Entschlüsselung
erstreckte sich über viele Jahrzehnte. Er ist auch im Buch 'Pigeon
Genetics' des Verfassers nachgezeichnet
http://d-nb.info/1028030061
mit direktem Link zum
Inhaltsverzeichnis).
Als Ergebnis der genetischen Analysen steht für ein bestimmtes Merkmal
eine Erbformel, die die an der Färbung beteiligten Erbfaktoren
kennzeichnet. Aufgezeigt wird auch, welche Erbfaktoren besser nicht
beteiligt sein sollten. Damit ist es jedem einigermaßen mit der Genetik
Vertrauten möglich, einen Farbenschlag, sollte er einmal verloren gegangen
sein, in wenigen Generationen wieder entstehen zu lassen. Das gilt,
zumindest für die äußeren Merkmale, auch für ganze Rassen. Nachdem das
genetische Gedankengebäude einmal errichtet ist, lassen sich neu
auftretende Erscheinungen durch wenige Testpaarungen in der Regel sehr
schnell einordnen.
Wie solche Test zu machen sind, das hat W.F. Hollander schon vor
Jahrzehnten dargelegt und das kann inzwischen in jedem Vererbungsbuch über
Tauben nachgelesen werden. Es ist daher eher überraschend, dass bei
einigen Rassen bzw. Farbenschlägen über einen langen Zeitraum nur
spekuliert und nicht getestet wird, um was es sich genetisch handelt. Und
das oft bei Farbenschlägen, die sich nach dem ersten Eindruck nur in
wenigen Erbfaktoren von einer blaubindigen Taube als Referenzstandard
unterscheiden oder auch mit existierenden Farbenschlägen anderer Rassen
identisch zu sein scheinen. So geisterten schon vor mehr als fünf Jahren
Fotos schlichter blaugraue Tauben mit gelblichen Binden durch das
Internet. Auf dieser Homepage wurden sie im Oktober 2007 kommentiert und
sind auch hier abgebildet.
Sie schienen im arabischen Raum vorhanden zu sein. Auch aktuell sind sie
wieder ein Thema. Nach den aktuellen Berichten liegt der Ursprung in
Indien und Pakistan. Die Frage heute wie damals, um was handelt es sich
genetisch? Vermutungen gehen überwiegend dahin, dass die uns bekannten
Erbfaktoren Reduced und Indigo eine Rolle spielen könnten. Ähnlichkeiten
bestehen zu einigen Farbenschlägen der Italienischer Modeneser, über die
Andreas Boisits in der Nr. 9 des Österreichischen Kleintierzüchters 2007
berichtete.
Fig.
1: Blaugrau mit Sulfbinden aus Internetpräsentationen, Italienischer
Modeneser (Triganino) aus einem Artikel von Andreas Boisits im ÖKZ Nr. 9
2007; Reduced mit und ohne Farbausbreitungsfaktor aus der Zucht des
Verfassers im Buch "Tauben. Züchten mit System", Oertel+Spörer Reutlingen
1995.
Eine Ähnlichkeit besteht auch mit bindigen Platinfarbenen. Die Ähnlichkeit
wird mit verdünntfarbenen Platin vermutlich noch größer sein. Anregungen
für Spekulationen kann man in der Literatur in Fülle finden.
Fig. 2: Bindige und gehämmerte platin Pommersche Schaukappen, Pomeranian
Eye Crested Highfliers platinum barred adult cock, young hen and checkered
adult cock (Quelle: Pigeon Genetics, Achim 2012)
Vielleicht ist auch ein bei uns bisher nicht in den Standardfarbenschlägen
verankerter Faktor verantwortlich. Wie damals wird die Frage aber wohl
auch diesmal nicht geklärt werden. Und das, obwohl man schon durch eine
gezielte Testpaarung mit reinerbigen Blaubindigen innerhalb einer
Brutfolge viele der Hypothesen ausschließen könnte. Noch länger wird über
hellgraudunkelgesäumte oder auch rubellafarbene Danziger Hochflieger
spekuliert. Auch bei diesen ließe sich mit wenigen Testpaarungen
bestätigen oder ausschließen, dass es sich genetisch um Reduced oder
Rubella handelt, nach Einschätzung des Verfassers wird es wohl eher
auszuschließen sein, vieles spricht für Platin. Auf diese Farbenschläge
wurde bereits früher auf dieser Homepage eingegangen:
http://www.taubensell.de/mimic22.htm.
Wenn die Züchter selbst kein Interesse daran haben, etwas über die
genetischen Struktur zu wissen, so wird es allerdings auch Außenstehende
eher am Rande interessieren.
Verschlüsselung von Farbenschlägen
Mit der Verbreitung des Internet und von internationalen Foren mit dem
Schwerpunkt Tauben hat es sich neuerdings zum Sport entwickelt, sehr
unterschiedliche Farbenschläge miteinander zu verpaaren. Die 'Community'
darf dann raten, was denn die Zutaten sind. Das kann eine einfache
Kreuzung sein, aber auch komplexer werden. Man kreuze also z.B. dominant
opalfarbene Tauben mit indigofarbenen mit möglichst vielen der in den
verschiedenen Linien vorhandenen Zeichnungen (z.B. hohlig, bindig,
gehämmert) und modifizierenden Faktoren (Farbausbreitungfaktoren,
Bronzefaktoren) und verpaare diese Jungtiere mit Almonds und/oder
Gimpeltauben. Die Nachzucht wird schon sehr bunt und vielfältig
erscheinen. Der Effekt lässt sich noch einmal toppen, wenn die Nachkommen
wild untereinander verpaart werden. Solche Kreuzungen sind schnell getan.
Ein solches Bündel von Erbfaktoren wieder aufzuschnüren, das kann
allerdings ein Züchterleben erfordern. Vor allem dann, wenn einem die
Zutaten nicht genannt werden. Die Anstrengung des Austestens solcher
Produkte lohnt allerdings nicht und es versucht auch keiner. Man erfreut
sich an der Vielfalt und kann seine Meinung über potentielle Erbfaktoren
frei austauschen. Falsch kann man dabei nicht liegen, denn eine
Musterlösung existiert nicht.
Die genetische Einschätzung von Farbenschlägen ohne Informationen über
Eltern, Nachzucht, Geschwister etc. ist deshalb so schwierig, weil
inzwischen viele Färbungen bekannt sind, bei denen ein sehr ähnliches bis
identisches Erscheinungsbild durch unterschiedliche Erbfaktoren bewirkt
wird. Das zweite Problem liegt darin, dass auch Farbenschläge mit einer
weitgehend identischen Erbstruktur in ihrem Erscheinungsbild variieren.
Die Ursache für die Variationen innerhalb eines Farbenschlages liegt in
fast allen Fällen in unterschiedlichen (modifizierenden) Genen, die
züchterisch nicht kontrolliert und zum Teil wohl auch nicht kontrollierbar
sind. Ein drittes Problem kann darin bestehen, dass durch frühere
Kreuzungen rezessive Erbfaktoren latent vorhanden sind, die beim Austesten
zu Tage treten, mit der eigentlichen Färbung aber ursächlich nichts zu tun
haben. In Fig. 3 einige Beispiele aus dem eigenen Schlag, bei denen auch
spekuliert werden kann, um was es sich handelt.
Fig. 3: Was bin ich? Einige Beispiele von Variationen aus dem eigenen
Schlag (what is the genetic background? E xamples of strange phenotypes in
the author's loft)
Encoding
and Decoding of Pigeon Colorations
Pigeon colorations were created over the centuries in the fancy by
selection and intuitive crosses without knowledge about genetics. Still
Darwin in the nineteenth century was impressed by the great variation of
colors and other characteristics at his time and thus the pigeon became a
prominent example in demonstrating evolution and the variation of animals
under domestication. After 1900 research in pigeon genetics was conducted
at many Universities and other research institution mainly with the aim to
demonstrate that Mendel's Law also may be applied in pigeons like in many
other species. During the first decades of the twentieth century a general
understanding of the basic rules and interactions of genetic traits was
established and the genetic composition of some complex characteristics
was encoded, e.g. the classical Almond coloration to name only one
example. The process of encoding the genetic basis of the domestic pigeons
is shown in the author's book Pigeon Genetics. A direct link to the table
of contents (Inhaltsverzeichnis) of that book is given at the following
internet address:
http://d-nb.info/1028030061/04
Though the general frame of the interaction of different genes now is well
established consistently new mutations or unknown combinations of traits
pop up in the fancy. At least since the writing of W.F. Hollander also
fanciers could know how to test unknown coloration and to line out the
genetic composition. Usually it takes only one or two intentional crosses
to get an unknown coloration encoded. Nevertheless some colorations over
the years are shown at exhibitions under different names or are a topic of
speculation in international discussion groups for a long while. That was
still discussed at this homepage2007 (http://www.taubensell.de/mimic22.htm)
for platinum-mimic Danzig Highfliers. Also blue grey sulfur barred pigeons
from India and Pakistan shown in Fig. 1 seem to be an evergreen and are
currently discussed again in Internet discussion groups. The colorations
was still presented in 2007 with a photo from the internet at this
homepage, and the colorations seems to be identical with the birds from
now:
http://www.taubensell.de/neues_aus_1000_und_einer_nacht1.htm
. If we look for similar colorations in other breeds, one of them exists
in Italian Modena discussed by Andreas Boisits in the Austrian Pet Journal
2007. There is also some similarity to reduced as well as to barred and
checkered platinum shown in Fig. 1 at the right, and Fig. 2 respectively.
However, if the fanciers who raise such pigeons do not have an interest to
learn about the genetic background who else should be interested to test
it out.
In the last years several fanciers seem to have an interest not to encode
unusual phenotypes but to decode genetic traits by matching different
colorations. For those interested to solve the puzzle matter becomes
complicated because the existence of many 'mimics'. 'Mimics' means an
identical or near to identical phenotype caused by different genetic
traits. That is well known for dun and brown, but is also true for
lavender, milky-mimics, recessive red mimics, indigo and several others
discussed in 'Pigeon Genetics'. A second complication is the variation of
phenotypes even when pigeons carry basically identical traits That is
caused by not yet identified and perhaps uncontrollable modifiers.
Therefore most often not a mutation is the cause of an unusual appearance
but the existence of modifiers and not yet realized interaction between
known traits and that will hold also for the colorations shown in Fig. 3.
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