Schnabellänge bei Haustauben -
Beak Length I
Historische Untersuchungen über die Schnabellänge
bei Haustauben
Quantitative Merkmale werden in der Genetik der
Haustauben im Vergleich zur Färbung selten betrachtet. In der Anfangsphase
der genetischen Analysen haben sich vor allem die Norweger Christie und
Wriedt mit diesen Aspekten befasst und darüber veröffentlicht. In der
Zeitschrift für Vererbungslehre Vol. 42, Nr. 1/1926, wurden in
einem Artikel „Messungen und Wägungen bei Haustauben“ auf den Seiten 93-109 Unterschiede zwischen einzelnen Rassen aufgezeigt. Hier soll
nur die
Schnabellänge betrachtet werden. Die Maße für die Schnabellänge bei
einzelnen Rassen streuten in den Angaben der Autoren bei ihrer Stichprobe
von 12 mm bei den kleinsten Ägyptischen Mövchen bis 30-36 mm bei den
Französischen Bagdetten. Die genetischen Hintergründe hatten sie schon
davor in der Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre
1923 analysiert. Darauf wird später im Zusammenhang mit eigenen
Untersuchungen intensiver eingegangen.
Die Bezeichnungen der Schnabellänge bei
Rassetauben
In der Rassetaubenzucht überwiegen Rassen mit
Schnäbeln in der Länge normaler Feldtauben. Bei diesen gab es früher in
den Musterbeschreibungen meist gar keinen Hinweis auf die Schnabellänge,
weil das „Normale“ nicht hervorgehoben werden musste.
Eine Ausnahme machten die Tümmlern. Diese Rassegruppe
war historisch mit der Vorstellung eines relativ kurzer Schnabels
verbunden, so bei Frisch vor 1800, bei Moore 1735 und in der Treatise
1765. In der Treatise wurde das verbunden mit der bildlichen Darstellung
kurzschnäbliger Tümmler. Daten zur Schnabellänge werden dort nicht
genannt. Bei Dixon waren es 1851 beim Englischen Short Faced ein knappes
Jahrhundert später 13 mm, von der Spitze zum Mundwinkel gemessen. Der
subjektive Eindruck der Abbildungen in der Treatise läßt den Schnabel
länger als diese 13 mm erscheinen, vielleicht 16 mm. Rassen mit einer
Schnabellänge, die über das normale Maß der Feldtaube hinausging, gab es
zu der Zeit bei den Tümmlern und Hochfliegern nach einer Durchsicht der
relevanten Literatur offenkundig nicht.
Der Begriff des langschnäbligen Tümmlers wurde
historisch wohl durch Prütz und Dürigen in die Rassetaubenzucht getragen.
In der durch Prütz redigierten Fassung des Neumeisters aus dem Jahr 1876
taucht die Unterscheidung in Lang- und Kurzschnäbler und die bei Dürigen
mit Millimeterangaben zu findende Unterscheidung in Lang-, Mittel- und
Kurzschnäbler noch nicht auf.
Langschnäbler waren im Vergleich zu den gewöhnlichen
Tümmlern längerschnäblig. Im Vergleich zu Feld- und Farbentauben waren sie
normalschnäblig. Das wird aus den Abbildungen bei Prütz und Dürigen
deutlich, zeigt sich aber auch an den im Braunschweiger Naturhistorischem
Museum erhaltenen Taubenbälgen aus den 1890er Jahren eines Elstertümmlers
und mehrerer Dänischer Stippertauben (vgl. auch Fotos im Buch Taubenrassen
2009).
Mit dem Aufkommen von Geflügelzuchtvereinen und von
Ausstellungen wurde eine genauere Beschreibung von Rassen notwendig, was
in der Literatur zu einer Klassifizierung der Tümmler, u.a. nach dem
Kriterium der Schnabellänge, führte. Von den Langschnäblern, die zu der
Zeit noch Normalschnäbler waren, wurden bei Dürigen die Mittelschnäbler
mit einer Schnabellänge von 16-19 mm und die Kurzschnäbler von 12-14
abgegrenzt. Mit der Entwicklung einiger dieser Lang- bzw. Normalschnäbler
zu wirklichen Langschnäblern mit einer Länge von 27 mm bei den Berliner
Langen und bis zu 35 mm bei Deutschen Langschnäbligen Tümmlern nach 1900
geriet diese Klassifikation ins Schwimmen. Die Lösung in den
Musterbeschreibungen sieht heute so aus, dass Tümmler mit einer
Schnabellänge ab etwa 27 mm als Langschnäbler bezeichnet werden, die
früheren Lang- bzw. Normalschnäbler als Mittelschnäbler, die früheren
mittelschnäbligen Tümmler als „knapp mittellang“ und die früheren Kurzen
als „fast kurz“. Offizielle Übersetzungshilfen gibt es nicht, daher in der
folgenden Tabelle ein Versuch, wobei bei den Millimeterangaben die
Informationen aus der Literatur wie Prütz 1885 und Dürigen 1886, 1906,
1923 genutzt wurden.
Tab. 1: Angaben zur Schnabellänge bei Dürigen u.a.
und Benennungen
Angaben bei Dürigen u.a. |
Klassifikation bei Dürigen u.a. |
Bezeichnung in der Musterbeschreibung |
27 mm und mehr |
|
lang |
22 – 25 mm |
Langschnäbler |
mittellang |
16 - 19 mm |
Mittelschnäbler |
knapp mittellang |
12 – 14 mm |
Kurzschnäbler |
fast kurz |
Es steckt schon etwas Ironie darin, dass die Kurzen
mit „fast kurz“ auf dem Papier länger als früher erscheinen, während sie
in der Praxis zumeist eher kürzer geworden sind.
Bei der Abfassung der Musterbeschreibungen wird meist
vermieden, Größenangaben in Zentimetern oder auch Gewichtangaben in Gramm
anzugeben. Das lässt Platz zum „Atmen“, Rassen können sich entwickeln. Das
birgt aber auch die Gefahr, dass sich ohne offizielle Änderung der
Musterbeschreibung Rassen vom vereinbarten Standard weg bewegen. Das ist
bei häufig gezüchteten Rassen weniger wahrscheinlich als bei seltenen, bei
denen das in der Vergangenheit schon bei mehreren geschehen ist. Da es auch
keine offiziellen Festlegungen in Millimeterangaben gibt, besteht auch
keine Möglichkeit der Intervention. Es scheint auch keiner dafür
verantwortlich zu sein. So können in alter Terminologie mittellange
Tümmler schnell zu Kurzen werden. Und wenn ein bei einer Rasse häufig
eingesetzter Preisrichter die 1989 erfolgte Umbenennung von „lang“ in
„mittellang“ nicht verinnerlicht hat, dann wird aus einem früherer Langschnäbler, der im Standard jetzt als „mittellang“ bezeichnet wird, in
der Realität bald ein “knapp Mittellanger“. Fragen an erfahrene Züchter
und selbst an erfahrene Preisrichter werden schnell deutlich machen, dass
die
Umbenennung nicht besonders erfolgreich kommuniziert wurde.
Auszug aus dem Buch „Taubenrassen“ 2009.
Hier wird die alte
Terminologie für Mittel- und Kurzschnäbler beibehalten und die sich zu
wirklichen Langschnäblern entwickelten Tümmler werden von den „Normalschnäblern“
getrennt ausgewiesen.
(wird
fortgesetzt)
Beak length
Compared to colours and some
structural genes quantitative traits are widely neglected in genetic texts
on pigeons. There are some exceptions, e.g. some substantial
investigations by the Norwegian researchers Christie and Wriedt still in
the 20th of the last century. In respect to the beak length
they realized a difference between 12 mm from the tip of the beak to the
mouth edge at Egypt Owls to 30-36 mm for French Bagdads. In 1923 they also
presented some results on the genetics of beak length that were discussed
in the author’s book “Breeding and Inheritance” from 1994 and will be
discussed again with some own results in a forthcoming contribution at
this homepage. In Germany and German language the classification of beak
length is of interest especially for tumbler breeds. Prütz in 1885 and
Dürigen in 1886, 1906 and 1923 were responsible for the long lasting
differentiation between long beaked, medium beaked and short beaked
breeds. However, before 1900 the “long beaked tumblers” had a longer beak
only relative to most other tumblers, however, the beak was not longer
than the beak of a common field pigeon. This only changed about 1900 with
the development of the today long beaked tumblers with a beak length of 27
mm to the extreme in German Long Beaked Tumblers with up to 35 mm. Thus in
1989 the terminology in the German Book of Standard changed. Now tumblers
with long beaks, medium beaks (beak length of a common pigeon), almost
medium beaks (knapp mittellang) and finally almost short beaks (fast kurz)
are separated. Since quantitative measures are widely neglected in German
standards, the numbers in the table presented above contain information
presented by Prütz and Dürigen in their books. It is argued that the lack
of numbers in standards might be considered positive since there is leeway
for development. It is a fact, however, that some rare breeds without any
official revision of the standard were changed from a medium beaked
tumbler to a short beaked one, to use the old terminology.
(To be
continued)
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