Lebensfunktionen und Zuchtziele bei der Haustaube
Vital
functions and breeding objectives in the domestic pigeons (see below)
Pickverhalten
Mit einer Diplomarbeit über „Sensometrische Steuerung
des Pickverhaltens bei verschiedenen Taubenrassen (Columba livia f.d.)“
wurde der Zusammenhang zwischen Forderungen von Musterbeschreibungen und
den dadurch den Züchtern vorgegebenen Zuchtzielen wieder in das
Bewusstsein gerückt. Eine Kurzfassung gibt die Autorin Dipl. biol. Mareike
Fellmin in der Geflügel-Börse 7/2010. In einer dort auch abgedruckten
gemeinsamen Pressemitteilung vom 27. Februar 2010 des Bundes Deutscher
Rassegeflügelzüchter (BDRG) und des Wissenschaftlichen Geflügelhofes des
BDRG (WGH) wurden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung und
Konsequenzen daraus verkündet. Danach zeigte sich bei einer Untersuchung
der Taubenrassen Carrier, Bucharische Trommeltaube, diese einmal mit und
einmal ohne beschnittene Schnabelrosette, Perückentaube, Kingtaube und
Brieftaube, dass Carrier beim Pickverhalten bei der Nahrungsaufnahme
weitaus größere Schwierigkeiten als die anderen Rassen hatten. Es wurde
auch ein statistisch signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der
Breite der Schnabelwarze und der Anzahl der Pickfehler festgestellt.
Bucharische Trommeltauben scheinen das eingeschränkte Gesichtsfeld durch
taktile Wahrnehmung, einem Tasten nach Körnern, zum Teil ausgleichen zu
können. Bei Perückentauben ist der Blick nach vorne frei, so dass es bei
dieser Rasse auch zu keiner Auffälligkeit kam. Als Konsequenz sollen die
Forderungen beim Carrier in den Standardbildern bei der Warzendarstellung
korrigiert werden und der Beauftragte für Tier- und Artenschutz auf allen
Bundesschauen als Obmann für Warzentauben und Bagdetten eingesetzt werden.
Er wird auf den deutschen Bundesschauen voraussichtlich wenig zu tun
bekommen, denn in den letzten Jahren sind nach der Wahrnehmung des
Verfassers keine Tiere mit extremen Ausprägungen gezeigt worden und bei
Jungtieren mit ohnehin weniger entwickelten Warzen wird es keine Probleme
geben und gegeben haben. Dennoch sicherlich ein Signal des BDRG, dass er
Gesichtspunkte des Tierschutzes Ernst nimmt.
Hochbewerteter Carrier in Dortmund 2007; Carrier bei Wittig 1925 und
Carrier bei Fulton 1876
Schwimmfüße und Web-Lethal
Schwimmfüße mit dem Symbol w mögen die Tauben in
einigen Fällen behindern, sie haben aber keinen sonstigen erkennbaren
negativen Effekt auf die Entwicklung und wirken schon gar nicht tödlich.
Sie werden in der Musterbeschreibung als Ausschlussfehler aufgeführt,
allerdings mit der ausdrücklichen Ausnahme stark belatschter Rassen.
Schwimmfüße in dieser Rasse waren schon Charles Darwin aufgefallen. Um
letale Schwimmfüße (web-lethal wl) handelt es sich bei diesen
gelegentlichen Ausnahmen bei den belatschten Rassen nicht. Sie zeigen
nicht die anderen mit Web-Lethal verbundenen negativen Nebenwirkungen.
Unterschiedliche Formen von Schwimmfüßen
Federsträußchen
Die gelegentlichen „Sträußchen“ im Kopfbereich bei
Usbekischen Tümmlern verhalten sich im Erbgang anders als „Sideburns“ und
sind auch nicht mit den bei „Sideburns“ beobachteten negativen Wirkungen
verbunden, wie auch eigene Tests zeigten. Sie sollten daher auch nicht mit
diesem Merkmal trotz der Ähnlichkeit bei einigen Ausprägungen im Gefieder
verwechselt werden.
Die genannten Faktoren Sideburns, Schwimmfuß,
letaler Schwimmfuß und besitzen alle eine große Variation in der konkreten
Ausprägung. Sideburns und Web-Lethal beeinflussen daneben in der Regel
sehr stark auch andere Lebensfunktionen und führen im Extremfall schon zum
Tod in der Eischale.
Federmissbildungen des Gefieders
Zu den Ausschlussfehlern gehören nach der
Musterbeschreibung der Tauben auch einwandfrei feststellbare Missbildungen
des Gefieders wie Kniffe, Federfalten etc. Genannt werden sie nicht
ausdrücklich, sie sind durch „u.a.“ vor der Nennung einiger Beispiele wie
schiefer, offener oder geteilter Schwanz aber automatisch mit enthalten.
Ausnahmen gibt es nach der Musterbeschreibung dann, wenn bestimmte
Merkmale ausdrücklich bei einer Rasse gefordert werden, z.B. der
Gabelschwanz bei Gabelschwanztrommeltauben.
Man täte sicherlich gut daran, die bei vielen Rassen
in jüngster Zeit gehäuft auftretenden unerwünschten Missbildungen des
Gefieders züchterisch zu bekämpfen, bevor sie sich in den Zuchten so stark
ausgebreitet haben, dass es kaum noch Stämme ohne diese Erscheinung gibt.
Nach den Erfahrungen mit vielen anderen Erbfaktoren scheint es
wahrscheinlich, dass diese Missbildungen auf nur einen oder zumindest sehr
wenige Erbfaktoren zurückzuführen sind, der oder die eine sehr variable
Ausprägung zeigen. Das ist bei dem genannten Faktor Web-Lethal der Fall,
das kennt man in der Taubenzucht von Vielzehigkeit, aber auch von anderen
Faktoren wie Dominant Opal.
Die variable Ausprägung der Merkmale spiegelt den
Züchtern eine auf sehr vielen Genen beruhende Vererbung vor, die bei
Web-Lethal, Dominant Opal und anderen Faktoren mit ähnlicher Varianz
nachweisbar nicht gegeben ist. Ursache und Auslöser ist ein einziges Gen.
Wenn dieses Gen aus dem Bestand eliminiert wird, dann ist das Problem mit
den sich einmal etwas schwereren und ein andermal etwas moderater
auswirkenden negativen Erscheinungen verschwunden.
Strasser und Kingtaube mit unterschiedlichen Halsfalten
Unterschiede in der Ausprägung werden in Gesprächen entschuldigend auf
Ernährung, äußere Einwirkung, Temperaturen auf der Ausstellung und schon
während der Brutzeit u.a. zurückgeführt. Das mag mitspielen. Es liegt
sicherlich auch an dem genetischen Milieu, in das ein solches Gen gerät.
Enabler oder Verhinderer können die Entwicklung bei einem Individuum
fördern oder auch unterdrücken. Das unterdrückte Gen wird sich aber wieder
kenntlich machen, wenn das betroffene, scheinbar nahezu normale Tier, mit
einem anderen verpaart wird, das diesen Verhinderer nicht besitzt. Von den
Untersuchungen mit Web-Lethal aber auch aus Erfahrungen in der Almondzucht
weiß man, dass auch die kaum oder vergleichsweise wenig in ihrer Vitalität
betroffenen Individuen wieder negative, und bei Web-Lethal sogar letale
Effekte in der Nachzucht hervorbringen und sich darin genetisch
offenkundig nicht von stärker betroffenen Tieren unterscheiden. Es ist
daher gefährlich, zwischen schwachen und stärkeren Ausprägungen zu
unterscheiden und ggf. schwächere in der Zucht zuzulassen.
Die Argumentation mit der Betonung der externen Einflüsse und der Toleranz
schwächerer Formen erinnert ein wenig an die Diskussionen in der
Hundezucht. Dort hat man z.B. auch lange geglaubt, dass die
Hüftgelenksdysplatie (HD) ein von so vielen Genen bestimmtes Merkmal sei,
dass man dem Phänomen auf Mendelscher Grundlage nicht Herr werden könne.
Das Merkmal ist bei Welpen nicht erkennbar und zeigt sich bei Berner
Sennenhunden noch nicht in der Phase, in der die Welpen normalerweise
abgegeben werden. Erfahrungen zeigen, dass betroffene Tiere häufiger als
andere kranke Nachzucht bringen, aber auch aus gesund erscheinenden Hunden
werden betroffene Tiere gezogen (BMDCA Info Series 2009 # 4), was bei
einem einfachen rezessiven Faktor in einer mit dem Merkmal durchsetzten
Population ohnehin normal wäre. Die Qualität der Hüfte wurde bei deutschen
Jagdhunden abgestuft eingereiht in die charakterlichen und anderen
Fähigkeiten bei der Bildung eines Index für die Zuchtwertschätzung. Der
geringe Erfolg bei Reduzierung der HD bei Hunden (vgl. z.B. für
Schäferhunde
M. Leppänen
et.al., Journal of Small Animal Practice, Vol. 41 (2008), no. 1),
ist möglicherweise auf die grundlegende Fehleinschätzung der genetischen
Grundlagen zurückzuführen: Wahrscheinlich sind es nicht zahlreiche und
damit kaum erfassbare Gene, sondern möglicherweise wie bei Sideburns und
Web-Lethal sogar nur ein einziges Gen mit variabler Wirkung, das als
Auslöser dient.
Bei Tauben hat man die Chance, über Stammbaumanalysen
und rigorose Testprogramme zu versuchen, unerwünschte Gene zu eliminieren.
Bei Säugetieren, die wie Hunde und Katzen als Hausgenossen gehalten
werden, ist das sicherlich nicht so einfach möglich, da in einem solchen
Testprogramm auch viele negativ betroffene Tiere anfallen werden, die man
nicht, wie in der Taubenzucht, der Küche zuführen kann. Dadurch werden
auch andere tierschutzrelevante Fragen aufgeworfen.
Vital
functions and breeding objectives in the domestic pigeons
Pecking
behaviour and wattle size
In a recent
diploma thesis at University Düsseldorf „Sensometrische Steuerung des
Pickverhaltens bei verschiedenen Taubenrassen (Columba livia f.d.)“, [Sensometric
control of pecking behaviour in several pigeon breeds (Columba livia f.d)
] Mareike Fellmin analysed the pecking behaviour of Carrier, Bokhara
Trumpeter, Jacobins, King and Homers with the result that Carrier compared
to the other breeds had much more problems with accuracy of pecking. She
also got a significant relation between broadness of the wattle and number
of pecking errors. Bokhara Trumpeters had less problems in the case they
could use the sense of touch. In test were this was not possible the beak
rose proved to be a hindrance. Jacobins had not much problems in pecking
because the forward view is not hindered by the hood structure. In a press
release from 27th February 2010 the BDRG and the WGH the
results and consequences were communicated to the public. The painting of
(adult) Carriers in the standard shall be revised and at the four great
German “Bundesschauen” the appointee for the protection of animals and
species of the Organization shall serve as chairman for the group of
Wattle Pigeons and Bagadais.
Web-foot
Web-foot (w) in some cases is a
hindrance for pigeons, however, usually without any further negative
effects on physical health. However, the expression of basically the same
gene is very different, probably depending on the presence or absence of
other genes and thus the general gene milieu. Also web-foots of some
heavily muffed Trumpeter breeds carry w. For them also no negative
secondary effects are known. Quite different in the case of Web-lethal
were several side-effects are reported and the vital function are heavily
impaired up to the death of individuals.
Small feather rosettes,
mustaches and nosegays in the range of the head at Uzbek Tumblers
Small feather rosettes, nosegays
and mustaches often arise in Uzbek Tumblers and in this breed are allowed
in the German standard. The trait is different from Sideburns. Sideburn is
a dominant trait with variable expression not only in respect to the
structure but also in respect to negative secondary effect on the vital
function. Both traits should not be confused. For Uzbek Tumblers no
negative secondary effects are known and did also not show up in test
matings by the author..
Malformation of
feathers and the plumage
Malformation of the plumage is
considered in the German standard an excluding fault. Nevertheless we
recognize in various breeds pigeons with malformation below the throat and
at other parts of the breast, and this also at highly graded specimens.
From the discussion of the trait in the fancy and experiences with the
great variation of the expression of the genes Sideburs, Web-foot,
Web-Lethal, Dominant Opal and others we may speculate that also the
malformation are caused by one gene with variable expression only and it
would be a fault to disregard smaller deviation from normal in the
breeding program. Those birds will pass the trait over to the next
generation and also produce progeny with severe defects. The discussion
with fanciers sometimes resembles the discussion in the dog-scene on Hip
Dysplasia (HD). The doctrine for a long time was and perhaps still is that
the trait in part is the consequence of external effects and not entirely
genetically, and that the genetic part is based on a great number of
genes, thus forbidding the handling in the breeding program according to
Mendelian laws. From the experience with several traits in the domestic
pigeons and the failure of the breeding programs in the dog fancy to
eliminate HD (see e.g.
M. Leppänen
et.al., Journal of Small Animal Practice, Vol. 41 (2008),
no. 1) it seems probable that the trait despite some influence of the
environment basically is also caused by one or few genes with variable
expression only. Thus it could have been a fault to include the hip
quality as one criterion and to mingle it with character traits and other
skills to form an index for the breeding value.
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