Verdunkelungsfaktoren bei der Haustaube. Die Rolle von modifizierenden
Genen bei der Färbung der Haustaube
Darkening Traits in the Domestic Pigeon. The Role of
Modifiers in the Coloration of the Domestic Pigeon (see below)
In jüngster
Zeit scheint ein Interesse auch für dunkle Schattierungen bei aschfahlen
Tauben und Dunkelfaktoren der Gimpeltauben erwacht zu sein. So wurden in
Internet-Foren aschfahle Brieftauben vorgestellt, die unterschiedlichen
Kombinationen mit anderen Erbfaktoren entstammten und das Interesse an
diesen Besonderheiten weckten. Auch Tauben aus Kreuzungen mit Gimpeltauben
wurden gezeigt. Diese hatten von den Gimpeltauben nicht nur
Kupferfaktoren, sondern auch Dunkelfaktoren der Schwarzflügel übernommen.
In der Folge wird versucht, diese Färbungen in das Denkgebäude der
Taubengenetik einzuordnen und auf offene Fragen hinzuweisen.
Es ist
zweckmäßig, bei der Besprechung von Taubenfärbungen von den
Grundfarbenschlägen auszugehen, die sich aus der Kombination der drei
Grundfarben (Schwarz, Braun und Dominant Rot) und der Zeichnungen (Hohlig,
Binden und den unterschiedenen Hämmerungen) ergeben. Auf diese so
definierten Grundfarbenschläge wirken weitere Erbfaktoren in
unterschiedlichem Ausmaß ein. Man kann die meisten die Färbungen
betreffenden Faktoren als "modifizierende Faktoren" bezeichnen. Wie der
Verdünnungsfaktor als prägnantes Beispiel haben sie selbst kein eigenes
Erscheinungsbild, sie wirken verändernd oder modifizierend und verändern
das Aussehen, das sich sonst aufgrund der anderen Erbfaktoren ergeben
hätte. Sie sind keine Allele der Faktoren, die die Grundfarbenschläge
charakterisieren.
Der
Verdünnungsfaktor setzt z.B. bei allen Grundfarbenschlägen die Intensität
der Färbung herab, wodurch sehr verschiedene Farbenschläge entstehen. Die
Frage, welche Farbe der Verdünnungsfaktor hat, ist daher sinnlos. Wir
können allerdings die Frage stellen und beantworten, welche allgemeine
Wirkung mit dem Faktor verbunden sind. Dann wird man neben der
Farbintensität auch auf die kurze Bedunung der Jungtiere beim Schlupf
kommen.
Abb. 1: Dilution im Buch "Pigeon Genetics"
Den
entgegengesetzten Effekt der Verdunkelung kann man beim Faktor Dirty
beobachten (Abb. 2). Aus der Kombination der Erbfaktoren folgt die Fülle
der Farbenschläge, die sich in den Rassetaubenstandards finden. Die
meisten Farbenschläge stellen Kombinationen der Grundfarbenschläge mit
einem oder zwei weiteren modifizierenden Faktoren dar. Im Buch
"Taubenfärbungen" sind vor Jahren schon mehr als 350 solcher Färbungen mit
Farbfotos dokumentiert und nach genetischen Zusammenhängen geordnet
worden, um den Züchtern Orientierungshilfen für die Einordnung von
Färbungen und für geeignete Zuchtplanungen zu geben.
Abb. 2: Dirtyvarianten im blauen Farbenschlag im Buch Taubenfärbungen
(Dirty varieties in the book Taubenfärbungen. Colorations in the Domestic
Pigeon)
Wenn
man bei Tauben von modifizierenden Faktoren spricht, dann hat man
allerdings meist nicht diese bekannten Erbfaktoren im Sinn. Man denkt eher
an Erbfaktoren, die für die Variationsbreite innerhalb der einzelnen
Farbenschläge verantwortlich sind, die man bisher aber nicht
identifizieren kann. Das trifft wiederum auch auf die rotfahlen
Farbenschläge zu. So gibt es zum Beispiel schon im bindigen Farbenschlag
von der Norm abweichende hellere und dunklere Tiere. Die Unterschiede
lassen sich zu einem Teil durch die Modifikatoren Dirty und Smoky
erklären. Aber auch in den Untergruppen gibt es noch Unterschiede, die
bislang nicht befriedigend erklärt werden. Verantwortlich sind "Modifikatoren
der 2. Art". 'Modifizierend' ist bei diesen gleichbedeutend mit Unwissen
über die Hintergründe, ein Eingeständnis der eigenen Ignoranz. Oft scheint
die Wirkung der Faktoren nur bei bestimmten Genkonstellationen und damit
selten aufzutreten. Daher besteht auch kein Anreiz, der Frage durch
umfangreiche und systematische Untersuchungen auf den Grund zu gehen. Es
ist daher auch nicht zu erwarten, dass jemand ähnlich umfangreiche
Bemühungen, wie bei der Entschlüsselung der klassischen Almondfärbung und
der Isabellen, auf sich nehmen wird.
Das
gilt auch für die Entschlüsselung der Variationsbreite der Färbung der
Aschfahlen (Spread Ash). Die genetische Grundlage ist lange bekannt, es
sind Brieftaubenrote mit dem Farbausbreitungsfaktor. Insbesondere bei
Täubern, die spalterbig für schwarzes Pigment sind, findet man eine große
Palette anAbweichungen von der Norm einer einheitlich hellen fahlen
Färbung. Der Verfasser hat viele dieser Varianten schon in den 1960er
Jahren auf den Sonderschauen der Danziger Hochflieger gesehen. Bei den
Danzigern waren damals alle Varianten als "Fahl" anerkannt und viele von
ihnen wurden auch gezeigt. In der amerikanischen Literatur hatten W.F.
Hollander und Joe Quinn schon auf die Variationsbreite von hell aschfahl
über 'Lavendel' bis Mahagony hingewiesen.
Abb. 3: Spread Ash in Kombination mit Smoky aus dem Buch 'Pigeon Genetics'
(different types of smoky Spread Ash in the book 'Pigeon Genetics)
Der
Verfasser ist in den 1960er Jahren bei der Erzüchtung der farbigen
Pommerschen Schaukappen auch in der Praxis auf die jetzt als "Aschfahl"
anerkannten Färbungen gestoßen. Beim ersten Auftreten 'lavendelfarbiger'
Täuber mit Farbspritzern dachte er zuerst an Andalusier, die man in
Deutschland zu der Zeit nur s/w von Berichten aus dem American Pigeon
Journal kannte und ab 1965 in Farbe durch Levis "Encyclopedia of Pigeon
Breeds". Bei den Aschfahlen tauchen gelegentlich auch ganz rußige Tiere
auf neben der Mehrzahl ansprechend gefärbte heller Tiere. Auch aus den
lavendelfarbigen und rußigen Tieren kann man in der Folge wieder
standardmäßig sehr gut gefärbte Jungtiere in beiden Geschlechtern ziehen.
Die fahlen Weibchen daraus sind fast immer gut gefärbt, daneben fallen
allerdings auch schwarze Weibchen (oder auch Blaue oder Blaugehämmerte,
wenn die Tiere spalterbig für den Spread-Faktor sind).
Epistasis (Überdeckungen), supplementary genes (mehrerer Gene wirken sich
ergänzend zusammen), unsichtbare Ermöglicher (Enabler) sind theoretische
Konstrukte, die uns das Verständnis für solche Besonderheiten erleichtern
sollen. Im konkreten Fall der Aschfahlen und Aschgrauen wissen wir aus der
Praxis, dass die stark grauen Typen den 'Smoky-Faktor' besitzen. Beim
Wild-Typ (ohne Smoky) gibt es zwar auch Tintenflecke, aber nur
ausnahmsweise so stark, dass sie optisch als störend empfunden werden. In
vielen Rassen können spalterbige Täuber daher problemlos ausgestellt
werden. Die Färbung der spalterbigen Täuber mit Smoky-Faktor wird
tendenziell dunkler, wenn die dunkle Hämmerung oder Dunkel als Zeichnung
vorliegen. Dunkler werden auch die Fahlen, die den Dirty-Faktor besitzen.
Sie zeigen das meist auch in dunkleren Schnäbeln und stärker pigmentierten
Läufen bei jüngeren Tieren.
Das
ist keine vollständige Erklärung und beantwortet noch nicht die Frage nach
den Hintergründen für die unterschiedlichen Zwischentypen. Der Verweis auf
bisher nicht identifizierte weitere Modifikatoren (und damit das
Eingeständnis der Ignoranz) mag unbefriedigend sein. Man könnte mit
umfangreichen Tests über mehrere Jahre mehr Licht in das Dunkel bringen,
den Aufwand wird aber niemand betreiben wollen. Zumal die in der Literatur
schon vorhandenen Erkenntnisse ohnehin nur spärlich rezipiert werden. Das
wäre mit aufwendig gewonnenen weiteren Erkenntnissen vermutlich nicht
anders.
Aktuell ist beim Verfasser aus einem schwarzen Täuber und einer
rotfahlgehämmerten Täubin wieder einmal ein spalterbiger Spread Ash mit
anthrazitfarbenem Gefieder gefallen. Schwanz und Schwingen dunkelgrau mit
Spritzern machen auch optisch deutlich, dass es ein spalterbiger
aschfahler Täuber und nicht etwa andalusierfarben ist. Seine Nestschwester
ist eine typische Blaugehämmerte ohne sonstige Auffälligkeiten, so wie es
auch bei den Rotfahlen m.B., Rotfahlgehämmerte und Blaubindigen des
Stammes keinen Hinweis auf Farbabweichungen gibt, der als Hinweis auf die
Ursache für die besonders graue Färbung diese Jungtäubers dienen könnte.
Abb. 4: Spalterbiger Spread-Ash Täuber mit einer blaugehämmerten Schwester
aus schwarzem Pommerschen Schaukappen-Täuber und rotfahlgehämmerter Täubin
(mit Smoky-Faktor) (Heterozygous Spread Ash young cock and blue check
young hen from a smoky black Pomeranian Eye-Crested Highlfier cock and a
smoky mealy check Pomeranian hen)
Einige der im Internet jüngst diskutierten 'Aschgrauen' waren klassische
mischerbige Spread Ash, einige mit Smoky-Faktor, einige mit Dirty-Faktor,
einige des Wild-Typs. Daneben wurden, z.T. aus denselben Zuchten, auch
ähnliche Färbungen gezeigt, die auf Gimpeltaubeneinkreuzungen
zurückzugehen scheinen. Gimpel besitzen einen anderen Dunkelfaktor. Der
Dunkelfaktor der Gimpeltauben wirkt in einem anderen genetischen Umfeld.
Für den mit der Literatur Vertrauten ist bekannt, dass
Gimpel-Schwarzflügel nicht den Spread-Faktor besitzen. Zudem wirkt er bei
schwarzer Grundfarbe. Es gibt damit schon zumindest zwei wesentliche
Unterschiede zum Dunkelfaktor der Spread Ash. Der Effekt scheint darin zu
liegen, dass die Hämmerungsflecken durch rußige Farbanreicherungen um die
Hämmerung herum unscharf werden und bei einer genügenden Anreicherung
optisch verschwinden, von der rußigen Farbanreicherung überlagert werden.
Gezeigt werden hier aus der Zucht des Verfassers Kreuzungstiere mit einer
Zwischenstufe der Farbanreicherung. Auch hier wären weitere systematische
Untersuchungen hilfreich, sind aber wohl kaum zu erwarten. Zur genetischen
Klärung können Kreuzungen dieser Linien mit Spread Ash nicht beitragen,
wenn sich daraus auch in den Augen des Züchters schöne Färbungen ergeben
mögen.
Abb. 5: Dunkelfaktoren der Gimpeltauben auf gehämmerter Grundlage aus dem
Buch 'Pigeon Genetics' (Darkening trait for the shield of Archangels at
blue-checks, pale and wild-type)
Modifiers in
the coloration of the domestic pigeon.
In the last
years we recognize a greater interest in the genetics of the domestic
pigeon and also in some rare colorations like varieties of Spread Ash and
phenotypes derived by crosses with Gimpel pigeons. Thus it might be useful
to discuss how these coloration are embedded in our construct of ideas on
the genetic relationship of color genes in the domestic pigeon.
Usually we
start a discussion of the coloration of the domestic pigeon with the basic
colorations. Those are the result of the combination of the three color
genes - wild-type black, brown and ash red - and the different pattern
genes at an otherwise wild-type genetic environment.
Many
additional mutations can be introduced (or added) into this frame as so
called 'modifier genes'. In the formulation of Hamilton et al. modifiers
do not have an obvious phenotype of their own but have the ability to
change the "phenotypic outcome of an independent 'conditioning' variant at
another locus" (Hamilton et al. 2012). In the domestic pigeon e.g.
dilution serves as such a modifier, having no own visible expression, but
the effect to decrease the intensity of pigmentation. So it makes no sense
to ask what is the color of dilution: the outcome is different and depends
on the base (Fig. 1). A directly opposed effect is given by dirty, a
darkening trait. The manifold coloration in our pigeon standards were
mainly derived by a combination of the basic colorations with one or two
additional modifiers. The book 'Taubenfärbungen. Colorations in the
Domestic Pigeon' contains more than 350 different colorations (Fig. 2).
Those are arranged according to their genetic composition to help fanciers
to identify colorations and make proper decisions in their breeding
programs.
If in the
fancy the term 'modifier' is uses usually not the well known mutants like
dilution, dirty etc. are meant. Mostly it means that fanciers are aware of
differences in the phenotype of individuals of a certain coloration, and
they also feel sure that there is a genetic difference, but they do not
know the source of the difference. Responsibility is traced to a non
specified 'modifier gene' as a confession of ignorance.
This
ignorance to some extent still holds after many years also for Spread Ash.
In Germany there was a great dispute in the process to get Spread Ash a
standard coloration in the 1960s. Like some other colorations also Spread
Ash show a great variation, ranging from very light lavender to a dark
mahogany. That was still stated by W.F. Hollander and Joe Quinn.
Experience with Spread Ash showed that especially ash red cocks
heterozygous for black color get a lavender coloration with black ink
spot, sometimes even resembling poor andalusians. Very dark, near to
anthracite phenotypes also occur in combination with smoky (Fig. 3). Also
hemizygous hens tend to become dark and smudgy in the second and in
further years. Experiences show that individuals with dark check or dark
pattern underneath tend to become darker than those with bar pattern
instead. Fanciers who like a light color should mate Spread Ash with each
other or with mealy bars. However, these observations are still not a full
explanation. We are aware of some basics, but responsible modifiers are
still unspecified. For those who could shed more light into this topic it
is a question of the costs-benefit ratio since such a project would take
some years without great reward. The author just again got from a mating
of a smoky black cock and an ash red checker hen a not surprising result,
a typical blue-check young hen and a dark heterozygous Spread Ash cock
(Fig. 4).
As was
pointed out above Dirty is also a modifier that darkens Spread Ash, but
different from the effect of Smoky.
Quite another
darkening phenomenon is caused by a trait that is present in Archangels (Gimpel-Blackwings).
By crosses both, bronze and the darkening, were transferred to homers as
was shown by photos posted in the internet. The darkening trait according
to own experiences in the past seems to have the effect to soot the
feathers, but different from the known trait Sooty. In tests by the author
at checkered birds the parts besides the dark checks are overgrown by more
or less dark color (Fig. 5). The trait or possibly the traits are
different from heterozygous Spread Ash since Archangels are of black color
and also non-Spread, thus they differ fundamentally. Crosses of both lines
may produce interesting phenotypes but it will not help to decode the
genetic formulae of both appearances. More information would be helpful,
but for those who could do a serious analysis it is again a question of
the cost-benefit equation. Still the current state of knowledge is
scarcely absorbed in the fancy.
Bibliographie:
Hamilton,
Bruce A. und Benjamin D. Yu, Eliszabetz M. C. Fischer, Editor, Modifier
Genes and the Plasticity of Genetic Networks in Mice, PLoS Genet. 2012
April; 8(4): e1002644. Published online 2012 April 12. doi:
10.1371/journal.pgen.1002644, PMCID: PMC3325199
Hollander,
W.F., Origins and Excursions in Pigeon Genetics. Published by: The Inc
Spot, Burrton, Kansas 1983.
Levi, W.M.,
Encyclopedia of Pigeon Breeds. Jersey City, New Jersey 1965
Quinn, J.W.,
The Pigeon Breeder’s Notebook. An introduction to pigeon science.
Published by the author, Atwater, Ohio 1971
Sell, Axel
und Jana Sell, Taubenfärbungen.
Colourations
in the Domestic Pigeon.
Les couleurs des Pigeons,
Reutlingen 2005.
Sell, Axel und Jana Sell,
Vererbung bei Tauben, Reutlingen 2004, 2.
Aufl. 2007.
Sell, Axel,
Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.
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