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Molekulargenetische Studie von Haustaubenrassen

Molecular genetic analysis of the Domestic Pigeon (see below)

Unter dem Titel „Divergence, Convergence, and the Ancestry of Feral Populations in the Domestic Rock Pigeon“ geben Wissenschaftler der Fakultäten für Humangenetik und für Biologie der Universität Utah (Stringham et al. 2012) einen Bericht über die von ihnen festgestellten genetischen Verwandtschaften zwischen 70 Haustaubenrassen und zwei freilebenden Populationen, einer Felsentaubenpopulation in Schottland und einer verwilderten Haustaubenpopulation in Utah.

Insgesamt wurden 361 Individuen bei 32 nicht gekoppelten Microsatellite Markierungen untersucht. Das sind eindeutig identifizierbare, kurze DNA-Abschnitte. Aus den gewonnen Informationen lassen sich bei einem paarweisen Vergleich Ähnlichkeiten bzw. Distanzen zwischen Populationen errechnen. Als Indikator für die genetische Distanz wird oft, und auch hier, der sog. Dest-Wert ermittelt, der einen Einblick in Unterschiede in Anzahl und Häufigkeit von Allelen an den betrachteten Genorten in den Populationen vermitteln soll.

Die Daten können auch aufbereitet werden, um eine Gruppierung der betrachteten Rassen nach ihrer genetischen Ähnlichkeit vorzunehmen. Auch das ist in der Studie für eine Untergruppe an Rassen erfolgt. Eine Einteilung in Cluster kann zunächst sehr grob stattfinden, etwa die Unterteilung in nur zwei Gruppen, die auf nachfolgenden Stufen weiter untergliedert werden.

Wenn nur zwei genetisch unterschiedliche Gruppen (K= 2) gebildet werden, dann verbindet die eine in der Untersuchung äußerlich so unterschiedliche Rassen wie Kropftauben, Pfautauben und Perückentauben. Die zweite Gruppe besteht wesentlich aus Tümmlern, dazu kommen Mövchen, Warzentauben u.a. Diese Gruppe umfasst auch die Brieftauben und die Brieftaubenverwandten. In Übereinstimmung mit der vermuteten Abstammung der Brieftauben finden sich Mövchen und verschiedene Brieftaubenrassen auch bei K = 4 und darüber hinaus in derselben Gruppe. Cumulets zeigen auch bei K = 7 eine Ähnlichkeit mit Brieftauben und mit Warzentauben (S. 1).

Bei der gewählten Cluster-Methode werden

·         Mövchen mit dem African Owl (Einfarbiges Mövchen), Orientalische Mövchen, das Altdeutsche Mövchen und auch – gering abgesetzt – die Chinesentaube, früh als Gruppe betrachtet, überraschend wird aus

·         europäischen Felsentauben und Modena eine kleine Gruppe gebildet,

·         Feldtaubenartige im weiteren Sinn wie Lockentauben, Archangel (Gimpel) Englische Trommeltauben, Eistauben, Altholländische Kapuziner, eng verbunden mit Perückentauben, Schmalkaldener Mohrenköpfe, Sächsische Mönchtauben und Sächsische Flügeltauben bilden eine größere Gruppe, die noch einmal etwas tiefer gegliedert ist. Eine weitere Gruppe umfasst

·         Amerikanische Show Racer, die Deutsche Schautaube, Englische Carrier und Bagdetten. Eine große Gruppe bilden

·         Tümmler, Bodenpurzler, Portugiesische, West of England, Tippler, Budapester, davon etwas abgesetzt, Persische, Orientalische, Wiener Mittelschnäblige und, eng miteinander verbunden, Berliner Kurze und Altstämmer. Am Rande der Tümmlergruppe findet sich der Stargarder Zitterhals, der überraschend eine größere Gemeinsamkeit mit dem Englischen Kröpfer zeigt, der wiederum etwas abgesetzt von den übrigen Kröpfern erscheint.

·         Kröpfer bilden ebenfalls eine Gruppe, wobei Pommernkröpfer und Norwichkröpfer eine große Gemeinsamkeit zeigen. Horseman, Brünner Kröpfer, Voorburger Schildkröpfer, Gaditano-Kröper und der Marchenerokröper wurden ebenfalls in der Gruppe verortet, wobei Voorburger mit Brünnern sowie Gaditano mit Marchenero jeweils besonders eng zusammenhängen. Abgesetzt von dieser Gruppe, aber eher dieser, als den anderen Gruppen zugehörig, finden sich

·         Indische Pfautauben und die Pfautaube.

Die Distanzen zwischen Rassen sind nicht weniger interessant als der Versuch der Clusterung und vielleicht sogar aussagekräftiger als die Ergebnisse bei unterschiedlichen Cluster-Algorithmen.

Für Brieftauben wird die geringste Distanz bzw. die größte Ähnlichkeit (Dest = 0,006) mit einer Population von verwilderten Haustauben in Utah, USA, festgestellt. Diese hat sich offenbar aus verwilderten Brieftauben gebildet. Angaben zur statistischen Signifikanz der ermittelten Distanzen werden nicht gegeben, sehr geringe Distanzen wie diese könnten aber auch dem Zufall geschuldet sein, willkürlich gebildete Untergruppe reiner Brieftauben könnten sich statistisch auch in geringem Umfang voneinander unterscheiden. Mit einem Wert von 0,013 tauchten danach Tippler auf und mit 0,021 Show Racer. Horseman und Rafeno-Kröpfer hatten die nächstniedrigen Distanzen aufzuweisen mit 0,026 bzw. 0,033, was sich möglicherweise mit einer nicht lange zurückliegenden Wiedererzüchtung der im Test genutzten Horseman-Tauben durch Brieftauben und Kröpfer und der Einkreuzung von Brieftauben in Rafeno-Kröpfer plausibel erklären lässt. Auch für die historische Herkunft der Cauchois aus Kropftauben finden die Autoren Indikatoren.

Die Berechnung der Ähnlichkeiten und die Clusterung ergaben einige überraschende Ergebnisse. So die auch von den Autoren angesprochene Nähe der Modena und der Felsentaube in der Clusterung. Vielleicht sollte man  eher den Distanzen zwischen den Gruppen vertrauen, denn der gemessene Dest-Wert ist mit 0,107 für den Vergleich der Modena mit den meisten anderen Rassen relativ, aber nicht absolut niedrig. Er wird zudem durch die Distanz zum King mit 0,087 und zur Indischen Pfautauben mit 0,097 auch unterboten. Kreuzungen mit Kingtauben haben zur Verbesserung der Masse von Modena in der Vergangenheit stattgefunden und die Einkreuzung von Pfautauben mag der Veränderung von Formen gedient haben. Eine Brieftaube, wie man dem Text zufolge vermuten könnte, war der ursprüngliche Modeneser auch nie, eher eine Jagetaube mit dem Zweck, fremde Tauben einzufangen (Lyell, 1881, p. 132). Die Veränderung über die Jahrhunderte mag aus der folgenden Abbildung deutlich werden.

Figure 1: Ausstellungsmodena und Italienischer Modeneser Triganino und historische Abbildung aus dem Jahr 1876

200 Modena VDT Sinsheim I Dez 04 108.jpg  Tauben Prütz 028  202 Triganino VDT Sinsheim I Dez 04 117.jpg

Abb. 216: Modena  Gazzi khaki nach 2000; Abb. 217: Modeneser  Fliegetaube (Wright, 1879, Originalquelle nach Lavalle und Lietze, 1905, S. 672/3, wohl Bonizzi, I Columbi de Modena, Paaolo Tosschi E.E. 1876); Abb. 218: Triganino Gazzi Schwarz m. bronze Binden nach 2000

Quelle: Axel Sell, Taubenrassen, Achim 2009, S. 204.

Beim Pommerschen Kröpfer scheint die Nähe zum Norwichkröpfer (0,034) vom Wissen über die Herkunft aus der Literatur her durchaus plausibel. Auch die Nähe zum Horseman (0,015) ließe sich gut durch die Vermutung begründen, dass dieser aus dem gemeinsamen Verwandten Norwichkröpfer und Brieftauben wieder erzüchtet wurde. Nicht erklärt wird damit die relativ geringe Distanz der Pommernkröpfer zu den verwilderten Brieftauben in Utah (0,044) und zu den Brieftauben (0,068). Möglicherweise ist es auch ein unwahrscheinliches zufälliges Ergebnis aufgrund geringer Stichprobengröße.

Für die Brieftauben- und Brieftaubenartigen wurden die aus dem Literaturstudium gewonnenen Ergebnisse weitgehend bestätigt, wie die folgende dem Buch „Taubenrassen“ des Verfassers entnommene Darstellung zeigt, in der die in der genetischen Analyse gefundenen nahen Verwandten der Brieftaube eine prominente Rolle spielen.

Figure 2: Ursprungsrassen der modernen Brieftaube

Quelle: Axel Sell, Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften, Achim 2009, S. 215.

Die Autoren zeichnen anhand des ihnen verfügbaren Materials auch die von Darwin gegebene Unterteilung von 32 Taubenrassen in vier Hauptgruppen und weitere Untergruppen nach. Sie finden die Aussage von Darwin bestätigt, dass die äußere Erscheinung zwar generell ein guter Indikator für die Einschätzung der Verwandtschaft sei, dass in einigen Fällen aber auch äußerlich sehr unterschiedliche Rassen genetisch eine enge Verwandtschaft besitzen (Stringham et al., 2012, S. 5). Ein molekulargenetisches Nachvollziehen der Klassifikation durch Darwin stellt die Clusterung aber nicht dar. Wie aus Überblicken über die historische Entwicklung von Taubenrassen deutlich wird, sind bei diesen über Jahrhunderte und bei einigen Rassen sogar innerhalb einiger Jahrzehnte gravierende Änderungen durch Kreuzungen eingetreten. Das macht auch die Bildleiste über die Entwicklung der Modeneser Jage- oder Fliegetaube zu unterschiedlichen Ausstellungsrassen wie dem Modena deutlich und das zeigen auch die in das Schaubild über die Entwicklung der modernen Brieftaube eingefassten historischen Abbildungen. Die Taubenrassen, anhand derer Darwin seine Klassifizierung vorgenommen hat, existieren in dieser Form nicht mehr.
 

Molecular genetic analysis of the Domestic Pigeon

In a report „Divergence, Convergence, and the Ancestry of Feral Populations in the Domestic Rock Pigeon“ scientists of the University of Utah (Stringham et al. 2012) present their finding on the relationship between 70 domestic pigeon breeds and two free-living populations, one of them wild Rock Pigeons from Scotland and the second ferals in Salt Lake City, Utah.

The authors used 32 unlinked microsatellite markers (repeating sequences of 2-6 base pairs of DNA) to genotype 361 individual birds and clustering software to detect genetically similar individuals in the sample. In the first step only two genetic clusters were assumed (K=2). The first cluster combined such morphological different breeds like pouters, fantails and mane pigeons (Jacobin). The second cluster mainly consisted of the tumbler breeds (rollers and highflyers), but also owls and wattle breeds. Homers are included in this group as well.

In accordance with the proposed contribution of carriers, cumulets, and owl breeds included in this group to the creation of homers, “the owls and several homer breeds continue to share partial membership in the same cluster at K = 4 and beyond, and the cumulet shares similarity with the homers and wattles at K = 7” (ibdi, p. 1f.).

Not all 70 breeds were included in the clustering process and in the following only a rough impression is given.  From the table presented at p. 6 of the report we may conclude that

·         Owls with African Owl, Oriental Owls, Old German Owls and – slightly depart – Chinese Owls form a group.

·         European Rock Pigeons and Modena form a second somewhat isolated group.

·         Field pigeon-likes in a wide sense are combined and include Frillbacks, Archangels, English Trumpeters, Ice-Pigeon, Old Dutch Capuchines near connected with Mane Pigeons (Jacobin), Schmalkaldener Moorhead, Saxon Monk, Saxon Wing Pigeon,

·         Homer relatives and wattle pigeon are connected and include the American Show Racer, German Beauty Homer, English Carrier and Scandaroon.

·         Tumblers form the greatest group and comprise Parlor Rollers, Portuguese, West of England, Tippler, Budapest Short Faced, and, with some distance Persian and Oriental Roller, Vienna Medium-face, and – very narrow related – Berlin Short Faced and Ancient. At the outmost edge of the group the Stargard Shaker is positioned together with the English Pouter who thus indicates some distance to the other Pouter breeds.

·         Pouters include Pomeranian, Norwich, Horseman, Brunner, Voorburg, Gaditano and Marchenero.

·         Fantails and Indian Fantails form a group for its own. The clustering indicates a more intense relationship to the cropper group than to others.

At least as interesting as clusters are measures of genetic distances between breeds. And such pairwise Dest-values and FST-values were also presented in the annex for breeds with three or more individuals. For Homers the smallest distance (or the greatest similarity (Dest = 0.006) was measured with ferals from Utah. The next lowest distance was found with Tipplers (0.013), Show Racer (0.021), Horseman (0.026) and Rafeno-Croppers (0.033). The relationship with Horseman may be explained by a re-creation of that meanwhile extinct breed by a cross of Homers and Croppers, and Rafeno-Cropper also may have benefited by different crosses with homers in the past. The low value for ferals is traced back by the authors to the influence of wayward racing homers.

There are some surprising results and conclusions. Thus one result of the clustering-algorithm used was to combine the European Rock pigeon and Modena in one cluster at the lowest level calculated. Perhaps we should rely more on the pair-wise distances and the Dest-values. The value for Modena x Rock-pigeon is lower than for the relation of Modena with other breeds, but it is not low in absolute terms compared with other distances, and even the value for Modena x King (0.087) and Modena x Indian Fantail (0.097) is lower. The relative low value for Modena x King is not a surprise since King Pigeons are known to have been uses to improve size, and crosses with Fantails might have been taken place in the past to shape the figure. The ancient Modena was not a homing breed, the object of the sport was to let them fly as required, and the capture of birds of other “Triganieri” (Lyell, 1881, p. 132). The change of the Modena from the former flying breed is shown above in Figure 1.

The narrow relationship of the Pomeranian Cropper and the Norwich Croppers (Dest = 0,034) e.g. seems to be plausible from the information given in old literature. The low value for the relation Pomeranian x Horseman (0,015) seems also plausible if we assume that the Horseman was developed from the common relative of both breeds, the Norwich Cropper. The rather low distance of Pomeranian Cropper and ferals (0.044) and Homers (0.068) is puzzling, however.

The conclusions of the study for homers fits well with the theoretical considerations on the basis of literature as is shown in Figure 2 where the possible ancestors are included in historical presentations (Sell, 2009).

The authors also try a clustering for the 4 groups of 32 breeds distinguished by Darwin as far as data were available (14 breeds) and confirmed the finding that “morphology is a good general predictor of genetic similarity in domestic pigeons, yet they also show that breeds that share allelic similarity can be morphologically distinct” (Stringent et al. 2012, p. 5). In respect to further conclusion we should remember that all breeds, and also those 12 breeds used in that part of the analysis are genetically not identical with the breeds and pigeons that existed in the mid of the 19th century. From literature we know that several breeds seem to have only the name in common with a breed of the same name that existed a century before.

Literature:

Darwin, Charles, The variation of animals and plants under domestication. 2 vols. 2nd edn. New York, D. Appleton & Co. 1883. [first published London, John Murray, 1868].

Lyell, James C., Fancy Pigeons, London 1881.

Sell, Axel, Breeding and Inheritance in Pigeons, Hengersberg 1994.

Sell, Axel, Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften. Faszination Tauben durch die Jahrhunderte, Achim 2009.

Stringham et al., Divergence, Convergence, and the Ancestry of Feral Populations in the Domestic Rock Pigeons, Currently Biology (2012), doi: 10.1016/j.cub.2011.12.045.