Ostpreußische Werfer am Scheideweg
East-Prussian Tumblers at the Crossroad
(see below)
Formulierungen zur
Schnabellänge in den Musterbeschreibungen nach 1989
Im Anschluß an ein Quiz
zur Zuordnung von Kopfstudien zu unterschiedlichen Kurzschnäblerrassen,
der Märkischen Elster und dem Ostpreußischen Werfer gab es einige
Diskussionen über die Formulierungen der Musterbeschreibungen und über das
Aussehen in der Praxis. Dabei geht es nicht nur um die Schnabellänge,
sondern auch um die Kopfform.
Etwas überraschend für
viele Taubeninteressierte gibt es „kurz“ als Schnabellänge bei den
Tümmlern nicht. Es ist 1989 durch den Bundeszuchtausschuss im Zuge der
Einführung einer neuen Begrifflichkeit durch „fast kurz“ ersetzt worden.
In der Praxis sind etliche Stämme der Kurzen eher kürzer, in den
Musterbeschreibungen dagegen länger geworden. Nach „fast kurz“ rangiert
„knapp mittellang“. Das steht in den Musterbeschreibungen der
Ostpreußischen Werfer und Märkischen Elstern wie heute auch bei den
Memeler Hochfliegern. Bei den Memelern wurde früher „mittellang und
kräftig“ gefordert, und sie verkörpern auch das, was zumindest mein
früheres Verständnis eines Mittelschnäblers war. Wenn man „knapp
mittellang“ liest, dann erschließt sich die Bedeutung nicht, ohne zu
wissen, was „mittellang“ ist. Mittellang sind nach der Festlegung von 1989
die Schnäbel der Pommerschen Schaukappen und anderer „normalschnäbliger“
Rassen (bei der Schaukappe etwa 23 mm). Die Schnäbel sind etwas länger als
die der Felsentaube, für die Darwin etwa 2 cm angibt. Knapp mittellang
müsste der Logik nach dann „knapp 2 cm bedeuten“, was vielleicht gar nicht
so gewollt war.
In der Musterbeschreibung
folgen auf die „Mittellangen“ die „Langschnäbler“, zu denen man mit 27 mm
(gemessen bei zwei Tieren) die Berliner Langen zählen muß.
Kopf einer Felsentaube, einer
Pommerschen Schaukappe (früher lang, heute mittellang) und eines Memeler
Hochfliegers (früher mittellang und kräftig, jetzt knapp mittellang,
kräftig)
Historische Aussagen
zur Schnabellänge
Wo die Abgrenzung zwischen
Kurz- und Mittelschnäbler, in Millimetern gemessen, liegt, wird in keiner
Quelle verbindlich gesagt, in den Musterbeschreibungen sind Maßangaben
verpönt. Angaben über die Schnabellänge von Rassen in der Literatur sind
auch eher rar und mitunter wegen unterschiedlicher Messansätze nicht
vergleichbar. Dixon hatte 1851 beim Englischen Short Faced von der
Schnabelspitze bis zum Schnabelwinkel 13 mm gemessen, Darwin schrieb etwas
später von etwa 10 mm. Das waren mit 12 mm in etwa noch die Maße in einer
heutigen Zucht, in der nicht auf absolute Schnabelkürze selektiert wird,
in einer anderen waren es 5-6 mm. Klein führt für den Altstämmer 1920 aus,
dass der Schnabel ungewöhnlich kurz und dick sein soll. Von der Spitze bis
zum Schnabelwinkel sind das zu seiner Zeit auch noch 12-13 mm. Knapp 90
Jahre später sind es in einigen Zuchten der deutschen Kurzen 5-6 mm.
Da offizielle Angaben zur
Abgrenzung von „kurz“ und „mittel“ fehlen, kann man nur versuchen, mit
etwas Logik an die Sache heranzugehen. Wenn bei etwa gleicher Körpergröße
eine Rasse mit einer Schnabellänge von 5-12 mm als kurz (in der
offiziellen Wortwahl der MB „fast kurz“) eingestuft und bewertet wird,
dann kann ein Tier einer offiziell „knapp mittellangen“ Rasse mit gleicher
Schnabellänge nicht mehr standardgerecht sein. Wenn dann noch ein länglich
runder Kopf in einem Fall und runde Köpfe in anderen verlangt werden, dann
müssten sich die Köpfe der auf Ausstellungen hoch dekorierten Tiere der
Rassen auch ohne Zentimetermaß durch sachkundige Beobachter unterscheiden
lassen. Bei vielen Rassen ist das dem Ergebnis des Quiz nach zu urteilen
offenkundig nicht mehr verlässlich möglich. Man kann daher davon ausgehen,
dass die eigentlich einzufordernden Unterschiede nicht mehr existieren und
die Standards einiger Rassen nur Makulatur darstellen.
Die Kopfform
Die Schnabellänge allein bestimmt nicht den optischen Eindruck der Länge.
Beim Langschnäbler wird der Eindruck durch die „Gesichtslänge“, den
Abstand des Auges vom Schnabelwinkel, wesentlich mit bestimmt. Für die
Kurzen geht es um rund oder eckig und auch wesentlich um den Anstieg und
die Höhe der Stirn. Beim Altstämmer, Berliner, Hamburger, Königsberger und
auch bei der mittelschnäbligen (knapp mittellangen) Märkischen Elster wird
der Kopf rund gefordert. Eine hohe Stirn wird ausdrücklich beim
Königsberger Reinauge und Farbenkopf sowie beim Altstämmer gefordert. Beim
Ostpreußischen Werfer soll er länglich rund sein mit breiter gewölbter
Stirn. Wenn unterschiedliche Formulierungen in den Musterbeschreibungen
überhaupt einen Sinn machen sollen, dann liegt die Vermutung nahe, dass
der Kopf flacher als bei den anderen genannten Rassen zu fordern ist.
Historisches zum Werfer
Der Ostpreußische Werfer
geht auf Tümmlertauben zurück, die um 1800 in ähnlicher Form in vielen
Regionen zu finden waren, meist mit kleineren Schnäbeln, runderen Köpfen,
glatt und kappig und auch glattfüßig und bestrumpft, meist mit der
Eigenschaft des Purzeln ausgestattet. So sind sie auf unterschiedlichen
Wegen aus dem asiatischen Raum nach Europa gekommen. Dass sich daraus
schon allein durch Auslese nach gewünschten Merkmalen im Hinblick auf die
Kopf- und Fußbefiederung, die Schnabellänge und Kopfform, die Größe und
Länge unterschiedliche Rassen entwickeln konnten, kann man sich leicht
vorstellen. Dass daraus in mehreren Regionen zeitgleich auch stärker
bestrümpfte und belatschte Rassen mit einer hübschen Kappe entstanden,
kann auch niemanden verwundern. So wird im Handbuch der Taubenrassen von
Schütte/Stach/Wolters für die Ostpreußischen Werfer auf die
Gemeinsamkeiten mit den Purzlern aus den baltischen Staaten, Schweden und
Norwegen verwiesen, die meist als reine Flugtümmler gehalten wurden, bevor
einige, wie der Norwegische Tümmler, Libauer Tümmler und eben der
Ostpreußische Werfer, unter ihren jetzigen Namen zu regionalen Rassen
wurden und den Namen ihrer Region in die Taubenwelt trugen.
Ostpreußischen Werfer
wurden in die allgemein zugängliche Taubenfachliteratur nach einem kurzen
Hinweis im Sammelband von Lavalle und Lietze 1905 wahrscheinlich
erstmalig durch Bruno Dürigen 1906 in der 2. Auflage der „Geflügelzucht“
eingeführt. Hier wird der „Einfarbige Ostpreußische Burzler“ als kurz,
gedrungen, breit, Haltung und Wesen breitspurig, ruhig und behäbig
beschrieben. Der „Burzler“ soll eine federreiche, volle, mit einer
zierlichen Rosette abschließende Muschelhaube, einen mittellangen hellen
Schnabel, ein reines Perlauge und niedrige Füße mit langen Latschen
besitzen. Am zahlreichsten finde man Gelbe, die anderen drei Farbenschläge
Weiß, Schwarz und Braun wären eine geraume Zeit ganz verschollen gewesen,
hätten sich aber insbesondere durch den Einsatz von Züchtern des Vereins „Cypria“,
Berlin, wieder erholt. In der 4./5. Auflage von 1923 werden auch
glattköpfige, sogenannte „Holländer“ genannt, die es einmal gegeben habe.
In dem Werk von
Schachtzabel um 1910 und in der ersten Musterbeschreibung der Rassetauben
von Ernst Schmidt aus dem Jahr 1926 sucht man ihn vergebens. In dem als
Fortschreibung der Musterbeschreibung verstandenen Buch „Rassen der
Haustauben“ von Friedrich Peemöller von 1936 wird er, wie einige andere
Rassen, nur verbal und nicht in der Struktur einer Musterbeschreibung kurz
beschrieben. Der Kopf wird hier schon wie noch aktuell als länglich rund
mit breiter Stirn gefordert, der Schnabel als mittellang. Es soll
Widerstände gegeben haben, den Werfer nach dem Krieg in die
Musterbeschreibung aufzunehmen. Das dürfte auch an der Ähnlichkeit zum
kurzschnäbligen Norwegischen Tümmler gelegen haben. Er wurde dennoch
aufgenommen. In der 1. Ausgabe nach dem Krieg wird er als Werfer geführt,
in der Auflage von 1954, wie bei Peemöller, als Ostpreußischer Werfer.
Waldemar Brunck zur
Schnabellänge des Werfers
Gegen die Einvernahme als
Norwegischer Tümmler wendet sich Waldemar Brunck in einem Artikel in der
Taubenwelt Nr. 12/1956. Waldemar Brunck, einer der Begründer des SV der
Züchter der Stargarder Zitterhälse, Ostpreußischen Werfer und Pommerschen
Schaukappen und darüber hinaus, oder vor allem, ein Kurzschnäbler-Fan und
und dort über Jahrzehnte die oder eine der tragenden Personen, spricht
dort auch die Frage der Schnabellänge an. Er nennt die Zucht von
Meschonat, Neuendorf, Kr.
Treuburg (damalige Regierungsbezirk Gumbinnen), der hervorragendes
Material besessen habe, aus dessen Bestand viele Tiere in die Schweiz
gegangen seien. Er sei ein Züchter, der insbesondere auf Schönheit
gezüchtet habe.
Unter der fettgedruckten
Überschrift: „Er soll ein ausgesprochener Mittelschnäbler sein“,
folgen die Ausführungen:
„Der Ostpreußische Werfer,
der ein ausgesprochener Mittelschnäbler war und auch heute noch sein soll,
mit einer entsprechenden Schnabelsubstanz, wurde in dieser Werkstatt schon
zu einem annehmbaren Kurzschnäbler umgeformt. Als Kreuzungspartner stellte
er den Königsberger Farbenkopf Schecken und den gespitzten Altstämmer ein.
Eine Folgeerscheinung hiervon war, dass die Nachzucht ihrem Namen
hinsichtlich des Rollens keine Ehre mehr machte und von ihrem Flugvermögen
einbüßte. Offen gestanden, haben diese Tiere an Schönheit gewonnen, sie
zeigten eine schöne breite und gewölbte Stirn und runden Kopf. Auf den
Schauen wurden sie schon in den Vorkriegsjahren gestraft, da die Richter
sich streng an die MB hielten und den Mittelschnabel verlangten.“
Werfertypen auf
heutigen Ausstellungen im Vergleich zum Norwegischen Tümmler
In den folgenden Bildern
sind Werfer des traditionellen Typs in gelb und gold (linke Spalte), des
jetzt hoch herausgestellten Typs in rot und weiß (mittlere Spalte) und der
Norwegische Tümmler als Skulptur und weiß (rechts) einander gegenüber
gestellt.
Gelber Werfer gelb auf einem
Foto von Karl Stauber aus Handbuch der Tauben Bd. I 1986, Roter Werfer (Championsanwärter)
auf der VDT 2008 in Dortmund, Porzellanmodell eines Norwegischen Tümmlers
(von links nach rechts)
Goldener Werfer auf der
Hauptsonderschau Aschersleben 2007, Weißer Werfer auf der Hauptsonderschau
in Aschersleben, Norwegischer Tümmler auf der Norwegischen Taubenschau
1963 aus der Geflügel-Börse (von links nach rechts)
Die Bilder sprechen
eigentlich für sich. Wenn der neue Typ gewollt wird, dann ist es ein Gebot
der Fairness, den Züchtern, die sich an der aktuellen Musterbeschreibung
ausrichten und danach züchten, zu sagen, dass sie damit keine Lorbeeren
mehr ernten werden.
Die Nähe zum Norweger, der
sich dem Vernehmen nach vom Kurzschnäbler wegbewegen will, wird dennoch
ein Problem darstellen, es sei denn, beide Rassen tauschen ihre Rolle. Ein
weiteres Problem wird die Abgrenzung zum aus derselben Region wie der
Ostpreuße stammenden Masurischen Werfer sein, dessen Foto der Rassetaube
4/2007 entnommen wurde.
Masurischer
Werfer schwarz
East-Prussian Tumblers
at the Crossroad
East-Prussian
Tublers belong to a great group of similar shell crested and muffed
tumblers in North-East Europe. Near relatives are the Norwegian and Libau
Tumblers. The breed seems to be first mentioned in the pigeon literature
by Dürigen in the second edition of his book “Geflügelzucht” in 1906. A
description of the breed is given 1936 in the book from Peemöller. This
book was considered an updating of the first standard book from 1926 where
the East Prussinans were not included. Brunck as one of the initiators of
the Special Club for this breed (who cares for the Stargard Shaker and
Pomeranian Eye Crested Highflier as well) reports 1956 that even before
World War II some fanciers tried to breed East-Prussian Tumblers with a
short instead of the medium-length beak required in the standard. At that
time those birds were downgraded by the judges since they were considered
to be not in line with the standard despite their beauty. According to the
description in 1936 and the standard of 1951 the beak should be of middle
length, the head longish round. To compare with the Koenigsberg Coloured
Head: in that breed the beak was and is required thick, short and stub
(edgeless), the head thick, round with a forehead as broad and high as
possible. In recent years at the shows some rather short East Prussians
were highly rated despite the still existing standard requirements. Thus
the questions arise whether the breed is at the crossroad to become a
Short Beaked Breed and how then to deal with the similarity to the short
beaked Norwegian Tumbler. An additional problem might become the
acceptance of the Masurisch Werfer by the European Entente. It is a
similar breed propagated by the Polish Pigeon Association. The photos show
at the left side East Prussian Werfer yellow and gold of the traditional
type, in the middle row high graded red and white East Prussian Werfer of
the last show seasons and at the right a sculpture and a photo of a white
Norwegian Tumbler. The last photo presents a black Masurisch Werfer.
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