Braunstipper bei Dänischen Tümmlern
Seltene Farbenschläge haben es schwer. Dazu tragen in der
Rassetaubenzucht schlecht informierte Zuchtausschüsse und
Berichterstatter bei. Auch Künstler mit Phantasieprodukten, die von
Sammlern mit der Realität verwechselt werden und immer wieder
unreflektiert in den sozialen Medien gepostet werden. Sie verbreiten
Unsicherheit über Zuchtziele und genetische Hintergründe und
diskreditieren das Vorhandene. Sie können in einigen Fällen, mit
vielen ‚Likes‘ durch Kunstliebhaber begleitet, das Aus für seltene
Farbenschläge bedeuten. Das ist auch Züchtern Dänischer Braun- und
Gelbstipper, in der alten deutschen Literatur Kupfer- und
Goldstipper genannt, nícht ganz fremd.
Realität und Standardzeichnungen
In der Komposition von Fotos von Braunstippern stechen die
gezeichneten Standardbilder deutlicher heraus als bei isolierter
Betrachtung. Die ersten drei Bilder zeigen Dänische Braunstipper aus
Dänischen Zuchten. Dann die Standardzeichnung für Braunstipper auf
der Homepage des Sondervereins in Dänemark. Die Grundfärbung nicht
dunkelbraun, sondern rot. Anschließend Braunstipper vom Verfasser in
Fortführung der dänischen Linie von Kristian Schriver in Deutschland
über einige Jahrzehnte. Schließlich die Standardzeichnung auf der
Homepage des deutschen Sondervereins. Wenn man die verunglückten
Zeichnungen der Sondervereine als Maßstab nimmt, sind die in
Deutschland und Dänemark gezeigten Tauben keine Braunstipper. Der
Farbunterschied sollte auch einem Laien auffallen.
Dänische
Braunstipper seit 1985 aus Dänischen Zuchten und aus Deutschland
sowie Standardzeichnungen aus Dänemark und Deutschland
Für Deutschland konnte das vor Jahren auch der Verfasser dieser
Zeilen als damaliger Züchter von Braun- und Gelbstippern in einer
deutschen Geflügel-Zeitung lesen. Es sei bisher nicht gelungen,
völlig einfarbig Braune mit schwarzen Spritzern zu züchten, so die
Aussage.
Dänischer
Braunstipper als phantasievolle Standardzeichnung und
Braunstipper-Täuber in der Nachfolge von Tauben von Kr. Schriver,
DK, in der eigenen Zucht.
Spurensuche nach den Inspirationen für die Fehldarstellungen in der
Kunst
Woher dem Künstler die Idee eines solchen Zuchtziels kam, war
zunächst nicht ersichtlich. Der geschriebene Standard sagte damals
wie heute was anderes. War es vielleicht die Färbung der
Braunstipper vor dem 2. Weltkrieg? Nein. Wriedt und Christie, die
die Stipperfärbungen bei Dänischen Tümmlern umfassend untersucht
hatten und 1925 mit vielen s/w-Bildern darüber berichteten, kannten
solche Stipper nicht. Fündig wird man bei Schachtzabel (1910). In
seiner Tafel 82 zeigt er eine von Kopf bis zum Schwanz und zu den
halb verdeckten Schwingen einfarbig braun-goldene Taube mit
schwarzen Spritzern. Offenbar die Phantasie des Künstlers, der sich
durch seine Vorstellung inspirieren ließ und den Text für
nebensächlich hielt. So wie bei der jüngeren nachempfundenen
Zeichnung im deutschen Standard. Im Buch ‚Taubenrassen, 2009, wurde
das Bild aus dem Schachtzabel schon einmal kommentiert.
Quelle: Sell, A.,
Taubenrassen, Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften, Achim 2009
Aus der Zeit vor 1900 sind Präparate erhalten, die zeigen, dass die
Dänischen Stipper schon damals das Stipper-Gen St hatten. Und das
sorgt in Schlagfedern und Schwanz für einen weißen Grund. Dieser
wird mit den Jahren weniger, dann aber durch Schwarz, und nicht
durch Rot ersetzt.
Quelle: Sell, A.,
Taubenrassen, Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften, Achim 2009
Die offizielle Musterbeschreibung verlangt eine dunkelbraune
Grundfarbe, nicht das Rot in der Dänischen Standardzeichnung. Das
gilt für die dänische Musterbeschreibung wie für die daran
angelehnte deutsche Musterbeschreibung.
Danske
Standard: Brune: Bundfarven skal være jævn, mørkebrun,
med stærkt fedtet, rødlig metalglans. Stænkene skal være sorte.
Halen og slagfjerene skal være lyse, med mørke og brune stænk.
Danish Standard translated in English: "Browns: the
ground colour must be even, dark brown, with a strongly oily,
reddish metallic sheen. The splashes must be black. Tail and
feathers must be light, with dark and brown splashes."
German
Standard: Braunstipper: Grundfarbe sehr gleichmäßiges
tiefdunkelbraun mit starkem rötlichem Glanz und schwarzer
Stippung. Schwingen und Schwanz auf möglichst hellem Grund
längliche Zeichnungsflecken in verschiedenen Farben.
Quellen:
Homepages der Sondervereine. Standard für Dänische Braunstipper,
dänisch im Original und in englischer Übersetzung, und deutscher
Standardtext.
Genetik der Braunstipper
Die wesentlichen für die Färbung der Braunstipper verantwortlichen
Erbfaktoren sind durch Wriedt und Christie in den 1920er Jahren
aufgezeigt worden. Der Stipperfaktor wurde von Englischen Almond
Tümmlern auf die Dänischen Tümmler übertragen. Da es reinerbigen
Stipper-Täubern an Vitalität mangelt, werden, wie bei den Englischen
Almond-Zuchten, systematisch die Komplementärfarben Agate, Kite und
DeRoy in der Zucht genutzt. Die Vererbungsmechanismen entsprechen
denen bei Englischen Short Faced.
Gelbstipper sind verdünntfarben und bilden eigene Farbklassen.
Quelle: A. Sell, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic
Pigeon, Achim 2012
Ausblick
Züchterisch lässt sich nicht klären, ob der Bronzefaktor der Kites
der Braunstipper genetisch identisch mit dem der Englischen Short
Faced Tümmler ist. Wohl auch nicht mehr molekulargenetisch. Bei
Farbenschlägen, die über Jahrzehnte am Rande des Aussterbens standen
und teils neu erzüchtet wurden, hat sich das Erbgut verändert. Für
Vergleiche heutiger Kites mit damaligen braucht man das Erbgut der
damaligen Kites, die man nicht mehr hat. Ähnliches gilt für
Braunstipper.
Wenn Genetiker für ihre molekulargenetische Analyse eine rote Taube
wählen, wie auf dem aktuellen Standardbild auf der Homepage des
dänischen Sondervereins, werden sie eine Überraschung erleben. Ihr
wahrscheinliches Ergebnis, die Täuber sind für schwarzes Pigment
mischerbige aschrote Täuber mit Tintenspritzern. Das Stippergen
werden sie nicht mehr finden. Solche Fehleinschätzungen von
Färbungen durch Züchter sind kein Einzelfall: Bruder et al. hatten
in ihrer molekulargenetischen Untersuchung des Stipper Gens (2020,
11/25) schon darauf hingewiesen, dass einige der als Stipper
eingereichten Proben genetisch keine Stipper waren. Bei den
Braunstippern könnte ein solches Ergebnis das ‚amtlich‘ und
vermeintlich wissenschaftlich abgesegnete Ende eines Farbenschlages
bedeuten.
Literatur:
Bruders R, Van Hollebeke H, Osborne EJ, Kronenberg Z, Maclary E,
Yandell M, et al.
(2020) A copy number variant is associated with a spectrum of
pigmentation patterns in the rock pigeon (Columba livia).
PLoS Genet 16(5): e1008274.
https://doi.org/10.1371/journal.pgen.1008274
Schachtzabel, E., Illustriertes Prachtwerk sämtlicher Taubenrassen,
Würzburg (1910)
Sell, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon,
Achim 2012
https://www.taubensell.de
Sell, Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften.
Faszination Tauben durch die Jahrhunderte, Achim 2009
https://www.taubensell.de
Sell, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015
Wriedt, Chr. und W. Christie, Zur Genetik der gesprenkelten
Haustaube, Zeitschrift für induktive Abstammungs- und
Vererbungslehre 38 (1925), 271-306.
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