Erkenntnisse aus zufälligen Kreuzungen mit Gimpeltauben
Der erste Respons eines Lesers auf das Bild des durch
Fremdbefruchtung entstandenen Kreuzungstieres war: ‚für die
Bratpfanne‘. Kurz danach dann doch etwas nachdenklicher, ‚auch etwas
zum Lernen‘. Lernen konnte man schon, dass eine Woche Isolation des
Paares vor der Eiablage nicht davor schützt, dass ein anderer Täuber
das Ei befruchtet. Es gibt aber noch mehr anzumerken.
Abb. 1: Goldgimpelpaar mit Jungtäuber aus Fremdbefruchtung. Rechts
die Schwarzflügel-Mutter mit spitzkappigem Jungtier
Die Vatersuche
Die Suche nach dem leiblichen Vater kommt einem Puzzle gleich. Das
fördert zumindest die Flexibilität des Denkens. Die Mutter eine
Gold-Schwarzflügel Gimpel-Täubin. Der Gold-Blauflügel im Bild konnte
nicht der Vater sein. Der Goldton der Gimpel artet bei reinen
Stämmen nicht so aus und die kupferne Halsfarbe zeigt, dass der
Vater nicht verdünntfarben war. Die mahagonifarbene Färbung des
Jungen gab weitere Hinweise. In den Schwingen erkennbar ein
mischerbiger aschroten Täuber. Mischerbig, ausgewiesen durch die
schwarzen Tintenspritzer im Schwanz. Von potentiellen Vätern kam
damit nur ein aschfahler Pommerscher Schaukappentäuber in Frage.
Abb. 2: Indikatoren für die mischerbig aschfahl/schwarze Grundfarbe
beim Jungtäuber. Rechts mit Muschelhaube der aschfahle leibliche
Vater
Die genetische Erklärung
Ein Standardfarbenschlag ist das Jungtier nicht. Auf die Frage, wie
man die Farbe nennt, könnte man ‚Mahagoni mit Bronzebrust‘ sagen.
Genetisch ein für Schwarz mischerbiger Aschfahler (Spread Ash).
Kreuzungen bei dieser Zufallspaarung auf der Ebene der Erbfaktoren
Für Züchter ist das Jungtier das Ergebnis einer einzigen Kreuzung
zwischen einer aschfahlen Pommerschen Schaukappe mit einer goldenen
Gimpeltaube. Auf der Ebene einzelner Erbfaktoren sind zumindest fünf
Ebenen zu unterscheiden:
1.
Gekreuzt wurde ein Täuber mit Muschelhaube mit einer Täubin
mit Spitzkappe
2.
Gekreuzt wurde ein reinerbiger aschroter Täuber mit einer
Täubin mit schwarzer Grundfarbe
3.
Gekreuzt wurde ein ‚nicht-verdünnter‘ Täuber mit einer durch
‚Pale‘ verdünntfarbenen goldenen Täubin. Zur Erinnerung: Pale macht
bei Gimpel aus Kupfer Gold. Die Täubin hat den Faktor
geschlechtsgebunden einfach
4.
Gekreuzt wurde ein Täuber ohne Gimpel-Bronze mit einer Täubin
mit Gimpelbronze
5.
Gekreuzt wurde ein Täuber mit Spread-Faktor, den die Täubin
nicht hat.
Abgleich der Erscheinung des Jungtieres mit den theoretischen
Erwartungen
Was ist das Ergebnis dieser Kreuzungen im Spiegel der Erfahrungen
und Erwartungen?
1.
Bei der Haube im Ergebnis ein spitzkappiges Jungtier. Bei der
ersten wissenschaftlichen Untersuchung des Verhältnisses von Spitz-
zu Rundkappe hatte Soedergaard 1927 noch eine Dominanz der Rundkappe
festgestellt. Es sind später auch andere Beobachtungen dokumentiert.
Die Spitzkappe überraschte damit nicht (2012, 2019), es bestehen
aber offenbar komplexere Zusammenhänge als zu der Zeit angenommen.
2.
Mischerbige aschrote Täuber waren zu erwarten. Wenn mehr
Jungtiere aus einer solchen Kreuzung kommen, dann gibt es auch
aschrote Weibchen, diese aber ohne Tintenspritzer.
3.
Pale als rezessiver Faktor kann bei dieser Paarung nur zu
mischerbigen Pale-Täubern wie dem Jungtier und nicht verdünnten
Täubinnen führen. Das hat auch Auswirkungen auf das von der Mutter
an den Sohn vererbte Gimpel-Bronze.
4.
Gimpelbronze vererbt dominant. Das gilt gleichermaßen, wenn
es bei Kupfergimpeln und durch Pale verdünnt bei Goldgimpeln
auftritt. Gimpelbronze setzt sich auch bei Paarungen mit Aschfahlen
durch. Das wusste man auch schon vorher. Es wird durch das
Gimpelbronze im Halsbereich des Sohnes bestätigt. Bronze statt Gold,
weil der Sohn nur mischerbig für Pale ist.
5.
Der Farbausbreitungfaktor des aschfahlen Vaters ist dominant. Das
zeigt sich im durch den Bronzeton mahagonifarbenen mischerbigen
Sohn. Töchter aus dieser Paarung hätten ähnlich dunkel aschfahl sein
können, dann aber nicht die Tintenflecke des Sohnes gehabt.
Bemerkenswert ist bei ihm etwas anderes. Der Farbausbreitungsfaktor
unterdrückt bei Paarungen mit Schwarzen das Gimpeltaubenbronze (Epistasie).
Die Nachzucht ist weitgehend schwarz. Das hatte in der Frühphase der
klassischen Genetik zur irrigen Annahme eines rezessiven
Gimpeltaubenbronze geführt. Bei Aschrot, und auch hier bei
mischerbig schwarz/roter Grundfarbe, wird Gimpelbronze durch Spread
weniger stark als bei Schwarz unterdrückt.
Für mit der Gimpeltaubenzucht nicht vertraute Züchter ist sicherlich
besonders verblüffend, wie stark sich der Typ der Gimpeltaube mit
Spitzkappe bei einer ersten Kreuzung durchsetzt. Die von Goodall
1924 in England erwähnten schwarzen und weißen Gimpeltauben dürften
aus solchen Kreuzungen mit Tümmlern stammen. Verblüffend ist es
schon in der 1. Generation, wie der Verfasser verschiedentlich in
der eigenen Zucht erlebt hat.
Abb. 3: Weißflügel-Goldgimpel x kurzschnäblige Hochfliegertäubin im
Gimpeltauben-Typ in der eigenen Zucht.
Quelle: Abb. 356 in Pigeon Genetics, Applied Genetics in the
Domestic Pigeon, Achim 2012
Ergebnis
Der spitzkappige mahagonifarbene aschfahler Täuber mit Spitzkappe,
Bronzebrust und -hals ist zufällig durch Fremdbefruchtung
entstanden. Der Vererbungsvorgang selbst ist aber nicht zufällig,
sondern folgt voraussehbar bekannten Vererbungsgesetzen.
Literatur:
Sell, A., Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer
Gestaltung, Achim 2019.
Sell, A., Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon,
Achim 2012.
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