Fakten und Vermutungen zur Herkunft der Gimpeltaube
Taubenstandards werden kurze Anmerkungen zur Herkunft vorangestellt.
Oft bleibt es im Ungefähren. Im deutschen Standard wird bei
Gimpeltauben von ‚vermutlich Dalmatien/Illyrien‘ geschrieben. Warum?
Gimpeltauben dürften nach 1800 aus Österreich nach Deutschland
gekommen sein. G. Wermann datiert in der Korthschen Taubenzeitung
von 1856 seine erste Begegnung mit Schwarzflügeln in Deutschland auf
1822. Die Herkunft in Österreich wird mit den Verbindungen der
Habsburger als Österreichisches Herrscherhaus mit den Regionen des
Mittelmeerraumes zu tun gehabt haben. Denn das älteste bekannte
Präparat eines Schwarzflügel-Gimpels aus dem Jahr 1817 stammt aus
den kaiserlichen Volieren von Franz I (II) in der Wiener Hochburg.
Die Regionen Dalmatien/Illyrien liegen räumlich nahe. Von großen
Taubenzuchttraditionen in dieser Zeit ist aber selbst aus
Reiseberichten in diese Regionen bisher nichts bekannt.
Abb. 307 und 308: Fotos: NMW 87.776
Gimpeltaube „Columba domestica pyrrhula“.
Wien 1817. Von Sr. Majestät Terrasse“ = aus den kaiserlichen
Volieren Franz I (II) in der Wiener Hofburg. NMW 87.774 „Feuertaube“
Wien 1810-1812. Von Sr. Majestät Terrasse“ = aus den kaiserlichen
Volieren Franz I (II) in der Wiener Hofburg (Naturhistorisches
Museum Wien)
Quelle: Sell, Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften,
Achim 2009
Die Benennung des Präparates 1817 mit ‚Columba domestica phyrrhula‘
gibt im Hinblick auf die Herkunft auch keinen Aufschluss. Es ist die
lateinische Benennung nach dem Dompfaff-Männchen (deutsch auch
‚Gimpel), das mit roter Brust und rotem Bauch ähnlich gefärbt ist.
Gimpel ist dann auch die Bezeichnung, die Neumeister 1837 in seinem
Buch verwendet und den weiteren Sprachgebrauch in Deutschland
bestimmt.
1867 erscheint ein Artikel, in dem der Name ‚Illyrische Taube‘
verwendet wird. Belegt wird das nicht. Lateinische Bezeichnungen für
Haustauben waren für einige Zeit zur Aufwertung der Taubenhaltung in
der Öffentlichkeit ‚in‘. So fand man später u.a. auch bei Gustav
Prütz nach der Bezeichnung Gimpel ‚C. Illyrica‘ in Klammern als
Zusatz. Ein Beispiel, wie leicht Vermutungen als Fakten
interpretiert und kritiklos weitergegeben werden.
In einem jüngeren englischsprachigen Standard zu Archangel/Gimpel
steht, der Kupfer-Schwarzflügel (Archangel) wäre in England
entwickelt und perfektioniert worden. Auch das kann
Missverständnisse auslösen. Archangel sind dort nicht entwickelt im
Sinne von geschaffen worden. Sie kamen schon als fertige Rassen 1839
aus Gent nach England. Weiterentwickelt worden sind sie schon, wie
auch andere Taubenrassen und die Gimpel auf dem Kontinent. Einer mit
schon sehr viel Glanz im Körpergefieder wird in einer englischen
Quelle bei Eaton 1858 in seiner ‚Treatise on the Art of Breeding and
Managing Pigeons‘ abgebildet.
Abb. 2: Gimpel Schwarzflügel bei G. Neumeister, Das Ganze der
Taubenzucht, Weimar 1837; Abb. 3: Eaton, Treatise…
Quelle: Sell, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic
Pigeon, Achim 2012
Gimpel sind in Österreich nach 1800 wahrscheinlich weiter verbreitet
gewesen als bislang gedacht. Das zeigen etliche Taubenzeichnungen
von Leopold Brunner dem Älteren, die unvermutet im Archiv in der
Wiener Nationalbibliothek auftauchten. Von Experten wurden sie auf
1850 oder älter datiert. Blauflügel wurden als
Blutgimpel-Feldtauben bezeichnet. Ein Schwarzflügel als ‚gehäubt
Oberösterreich. Gimpeltaube‘ und einige Weißflügel als Salzburgische
gehäubte Gimpeltauben.
Abb. 4: Gimpeltauben aus der Kunstsammlung der Wiener
Nationalbibliothek
Eine Bildersammlung, die nicht nur für Gimpeltaubenzüchter, sondern
auch für Züchter anderer Rassen interessant sein dürfte:
http://www.bildarchivaustria.at
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