Frosty – Lehren aus Kreuzungen
Frosty als geschlechtsgebundener Faktor ohne
Wirkung auf die Weibchenfarbe
Frosty ist eine seltene Erbanlage und
verantwortlich für den Geschlechtsdimorphismus bei Thüringer
Einfarbigen. Frosty weist unter den rezessiven geschlechtsgebundenen
Erbfaktoren die Besonderheit auf, dass hier, anders als bei der
Verdünnung und den ebenfalls rezessiven Erbfaktoren Reduced und
Rubella, die Täubinnen den Faktor nicht zeigen. Typisch für die
Rasse sind daher blaugrundfarbige Täuber und blaue und
blaugehämmerte Weibchen. Dieser Geschlechtsunterschied wird rein
vererbt.
Quelle: Axel Sell, Pigeon
Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.
Bringt ein verdünntfarbener Täuber mit einer
nicht verdünntfarbenen Täubin geschlechtsgebunden verdünntfarbene
Weibchen und intensiv gefärbte Täuber hervor, so bringt ein
Frosty-Täuber mit einem Weibchen, das den Faktor nicht besitzt,
ausschließlich Jungtiere ohne Anzeichen von Frosty. So wie der
gezeigte Blaugrundfarbige mit seinem schwarzen Weibchen ohne diesen
Faktor in der Zucht des Verfassers.
Source: Axel Sell, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015.
Frosty als Modifikator
Frosty wirkt in bestimmten genetischen
Konstellationen als Modifikator, der die Wirkung anderer Gene
verändert. Nachverfolgt werden konnte das am Beispiel von Rubella.
Rubella ist auch ein geschlechtsgebundener rezessiver Faktor, aber
kein Allel von Frosty. Die hemizygoten Weibchen, die den
Rubella-Faktor nur einfach besitzen, erscheinen in der bindigen und
gehämmerten Variante wie Täuber mit rostig-rötlichen rubellafarbenen
Binden oder Hämmerungsflecken.
Quelle: Axel Sell, Pigeon
Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.
Reduced ist ein Allel von Rubella. Die bindigen
und gehämmerten Variante sind meist deutlich zarter gefärbt als
Rubella.
Quelle: Axel Sell, Pigeon
Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.
Die Kombination von Frosty und Rubella in einem
gehämmerten Weibchen ergab nach der Mauser eine zarte rötliche
Färbung der Binden und Hämmerungsflecken, wie man sie von
Reducedfarbenen kennt und wie sie untypisch für Frosty-Weibchen
sind.
Frosty-Rubella im Jugendgefieder und nach der
Mauser beim Verfasser
Die Beobachtung hat Bedeutung über den
konkreten Fall hinaus. Wenn rezessive Modifikatoren das
Erscheinungsbild von Erbfaktoren so leicht in das eines Allels
verwandeln können, dann kann man sich auch bei anderen Erscheinungen
und Erbfaktoren, wie z.B. den Varianten von Rezessiv Rot, die Frage
stellen, wie man entscheiden kann, ob es sich um Allele oder
Modifikationen handelt.
Frosty und Schimmel
Über eine Modifikation im Wortsinne geht die
Wirkung von Frosty im Zusammenwirken mit dem Schimmelfaktor weit
hinaus, wie Frank Zetzsche bei seinen Versuchen bei Thüringer
Einfarbigen herausgefunden hat. Hemizygote Frosty-Weibchen mit dem
Schimmelfaktor sind typische Blauschimmel. Reinerbige Frosty-Täuber
mit dem Schimmelfaktor waren dagegen auch bei Mischerbigkeit für den
Schimmelfaktor fast weiß mit einigen farbigen Abzeichen.
Ausstellungsfähige Schimmeltäuber könnten danach nicht rein für den
sonst allen Farbenschlägen gemeinsamen Frosty-Faktor sein.
Quelle: Axel Sell, Genetik der Taubenfärbungen,
Achim 2012, Schwerdt/Ziegler 1866.
Blauschimmel, im Standard in Klammern auch
eulig genannt, nehmen in der Rasse damit einen gesonderten Status
ein. Sie einfach auszugrenzen, ist angesichts der Historie aber auch
nicht denkbar. Denn unter den von Ludwig Storch 1856 in der Stadt
Ruhla im Stammgebiet der Thüringer Tauben aufgeführten
Farbenschlägen, auf die die Züchter so stolz waren, fanden sich u.a.
Eulige, Weißeulige, Schwarz- und Silbereulige und weitere, wie immer
sie sich voneinander unterschieden haben mögen. Es bleibt spannend,
die weiteren Erkenntnisse aus den Versuchen abzuwarten.
Literatur:
Pigeon Genetics. Applied
Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.
Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015
(vergriffen)
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