Isabell bei Tauben und Aufzuchterfolge bei gelenkter Partnerwahl
Isabell in alter Literatur
Isabellfarbene Tauben werden schon in alter Literatur als
Besonderheit herausgestellt. Neumeister erwähnt sie bei Kropftauben
1837. Für den Farbenschlag werbende farbige Zeichnungen findet man
zuerst in den Taubenbüchern in England. So bei Tegetmeier 1868 ein
belatschtes Paar. Deutlich als Kröpfer erkennbar, die farbige
Zeichnung bei Fulton 1876. Durch die danebenstehende Rote und die
Gelbe wird der zarte Farbton der Isabellen betont.
Abb. 1: Isabellfarbene bei Tegetmeier 1868 und Fulton 1876
Die belatschten Isabellen werden in alter Literatur unterschiedlich,
mal als holländische, mal als sächsische Kröpfer bezeichnet.
Bei Prütz 1885 abgebildet ein glattfüßiger Brünner Kröpfer. Dahinter
im Bild ein Schwarzer mit weißen Binden. Isabellen werden oft, wie
auch bei Fulton, zusammen mit anderen Weißbindigen im Bild gezeigt.
Die Farbenschläge und die weißen Binden beruhen genetisch aber auf
unterschiedlichen Erbfaktoren. Dass sie oft im Bild gemeinsam
gezeigt wurden, machte es den Züchtern nicht leichter und später
auch nicht die Entschlüsselung der Erbstruktur.
Abb. 2: Isabellfarbener Brünner Kröpfer und isabellfarbene Prager
Tümmler bei Prütz 1885. Im Hintergrund ein Hellblauer mit weißen
Binden.
Bei Prütz neben den Prager isabellfarbenen Tümmlern ein nicht ganz
realistisch getroffener Hellblauer mit weißen Binden. Er besitzt
genetisch, wie die Isabellfarbenen, den Erbfaktor Dominant Opal. Die
Schwanzbinde bei Hellblauen ist, anders als in der Zeichnung, heller
weißlich ausgebleicht.
Aufzuchtprobleme bei Isabellfarbenen
Trotz aller Lobpreisungen, es gab immer nur wenige Züchter der
Isabellen. Das möglicherweise auch aus Unkenntnis darüber, wie diese
Färbung am besten zu züchten ist. Von Aufzuchtproblemen in der Zucht
der Isabellen, und der mit ihnen durch den gemeinsamen Erbfaktor
Dominant Opal verbundenen Hellblauen mit weißen Binden und
Hellblau-Weißgeschuppten, drang bis in die 1960er Jahre dennoch aus
der Züchterschaft nichts nach außen. Das gilt zumindest für die
verbreitete Literatur. Dann gab es Berichte von Züchtern über
schlechte Aufzuchtergebnisse. Sie vermuteten Inzucht oder
Krankheiten als Ursache. In der Genetikgruppe um W.F. Hollander in
den USA gab es um die Zeit Hinweise in den von ihm herausgegebenen ‚Pigeon
Genetics Newsletter‘, dass es schwierig sei, reinerbige Dominant
Opal zu erhalten. Und wenn man ein Tier habe, das reinerbig sein
könnte, dann hätte es Vitalitätsprobleme.
Die Aufzucht solcher Reinerbiger gelang danach Andreas Leiß aus Wien
bei Stadttauben. Er dokumentierte sie im Foto und zeigte an ihnen
auch die Probleme der überlebenden reinerbigen Dominant Opal.
Farblich weißlich/grau, nicht attraktiv und Vitalitätsprobleme. Das
aufgezogene Weibchen ging nach kurzer Zeit ein, der Jungtäuber lebte
etwas länger, reproduzierte sich aber nicht. Das passte zu weiteren
Berichten über bereits im Nest eingegangene grau-weiße Jungtiere.
Untersuchung zur Reproduktion von Isabellen
Es ist das Verdienst von Wolfgang Schreiber und seinen Zuchtfreunden
der Brünner und Sächsischen Kröpfern, der These des Ausfalls der
reinerbigen Dominant Opal auf breiter Datenbasis nachgegangen zu
sein. Im Ergebnis bestätigten sich die früheren Vermutungen zur
letalen oder semi-letalen Wirkung bei Reinerbigkeit für Dominant
Opal (Schreiber 2004). Es zeigte sich, dass aus Paaren von zwei
Isabellen (648 Eier) im Schnitt 3,2 Jungtiere gezogen wurden, aus
gemischten Paaren bei 665 Eiern 5,2. Das ließ sich aufspalten in
eine geringere Zahl gelegter Eier pro Paar und geringere
Befruchtungsquoten bei reinen Paaren, niedrigere Schlupfquoten aus
den befruchteten Eiern und höhere Sterberate nach dem Schlupf vor
der Beringung.
Aus den Punnettschen Quadraten kann man ablesen, dass aus Isabell x
Gelb zur Hälfte Isabellen zu erwarten sind. Das sind rechnerisch bei
5,2 Jungtieren 2,6 Isabellen pro Paar. Aus Isabell x Isabell sind es
bei 3,2 Jungtieren rechnerisch knapp 2,2 Isabellen pro Paar.
Prozentual sind es mehr, absolut aber weniger als bei der
Vergleichspaarung.
Abb. 3: Brünner Kröpfer gelb (Komplementärfarbe zu Isabell, Brünner
Kröpfer isabell (Günter Dietze) und Sächsischer Kröpfer isabell
(Dieter Geisemeyer). Quelle: Sell, Pigeon Genetics, 2012, Fotos:
Layne Gardner
Statt mit Gelben kann man auch mit Roten als Komplementärfarbe
paaren, wenn möglicherweise die Färbung auch etwas dunkler ist. Als
Nachteil werden teilweise gefleckte Schnäbel genannt. Epistatisch
verdeckt, sollten die Roten und Gelben in der Zeichnungsanlage
genetisch die Binden besitzen.
Veränderung des Anteils von Isabellen im Bestand ohne Selektion bei
zufälliger Partnerwahl
Letale Gene gehen in der Natur schnell verloren. Das würde auch
einem sich selbst überlassenen Stamm isabellfarbener oder hellblauer
Tauben passieren. Wenn die Zuchttiere für die nächste Zuchtperiode
vollständig durch die Nachzucht ersetzt werden, lässt sich das im
Zeitraffer durch einfache Modellüberlegungen plausibel machen.
Beginnen wir mit einem Bestand von Paaren Isabell x Nicht-Isabell
(100% mischerbige Dominant Opal). Im Punnettschen Quadrat
unmittelbar ablesbar, hat ein Viertel der Jungtiere den Faktor
nicht. Die Hälfte der Jungtiere ist mischerbig Dominant Opal wie
ihre Eltern. Ein Viertel der Jungtiere ist reinerbig Dominant Opal.
Diese Jungtiere sterben schon im Ei ab oder kurz danach. Bei
zufälliger Auswahl aus den Jungtieren des Jahrganges für die
Weiterzucht wird der Anteil von Dominant Opal von 100% des Bestandes
auf 66,6% gefallen sein (Abb. 4).
Bei Paarung dieser Nachzucht untereinander sind drei Kombinationen
denkbar. Nicht-Träger von Dominant Opal miteinander (1/9 der
Paarungen), mischerbige Träger des Gens miteinander (4/9 der
Paarungen) und ein Träger des Gens mit einem Nichtträger (4/9).
Einen Ausfall durch reinerbige Dominant Opal wird es bei diesen
Paarungen bei der Verpaarung von zwei Merkmalsträgern miteinander
geben. Wenn das Reproduktionsverhalten nicht durch andere Störgrößen
beeinflusst wird, wird sich in diesem Jahrgang der Anteil
reproduktionsfähiger Dominant Opal auf 50% verringern. Folgt man der
Rechnungsanweisung des Modells über die Generationen, dünnt sich der
Anteil weiter aus über 40%, 33,3%, 29% etc. (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Modellbetrachtung zum prozentualen Anteil mischerbiger
Dominant Opal bei zufälliger Partnerwahl über die Generationen ohne
Selektion. Austausch der Eltern durch die Nachzucht nach jedem
Zuchtjahr.
Stabiles Verhältnis von 50% mischerbiger Individuen bei der wild
lebenden Weißkehlammer durch sexuelle Präferenz für anders gefärbte
Partner (negative assortative mating)
Es ist interessant, Parallelen zu anderen Tierarten zu suchen. Frank
Mosca wies jüngst auf Untersuchungen bei der amerikanischen
Weißkehlammer (Zonotrichia albicollis) hin. Auch hier ein dominanter
Erbgang der Farbvariante ‚Weiß‘ gegenüber ‚Tan‘, der anderen
Variante. Mit ‚Weiß‘ ist gemeint, dass der Kehlfleck und ein Strich
oberhalb des Auges und über den Kopf weiß und nicht bräunlich (tan)
erscheinen (vgl. Abb. 5). Auch hier scheint das als dominant
eingeschätzte Gen bei Reinerbigkeit nach den Beobachtungen die
Vitalität herabzusetzen. Warum existieren sie noch, und das stabil
in der Population um 50%?
Abb. 5: Weißkehlammer, die ‚Weiße‘ Variante mit weißen statt braunen
(tan) Abzeichen. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fkehlammer#/media/Datei:Zonotrichia_albicollis_CT1.jpg
Nach Beobachtungen zur Partnerwahl kam es bei freilebenden
Populationen fast ausschließlich zur Paarung von Weiß x Tan und
umgekehrt. So wie für Dominant Opal bei Tauben empfohlen: Isabell x
Gelb und umgekehrt. Die anderen Paarungen kamen im 1-Prozentbereich
vor. Diese wenigen Paarungen ausgelöst wahrscheinlich durch das
Fehlen anderer Partner. Wie bei Artkreuzungen zwischen Haus- und
Wildtauben, dort durch den Halter provoziert. Reinerbige ‚Weiße‘
wurden daher in der Natur kaum gefunden, 3 von 1.989 Tieren, ein
männliches und zwei weibliche. Das Männchen blieb kleiner als normal
(Hedrick, Tuttle, Gonser 2018).
Bei verwilderten Haustauben hatten Johnston und Johnson (1989) über
Präferenzen für bestimmte und auch andere Färbungen bei der
Partnerwahl (negative assortative mating) berichtet, aber bei weitem
nicht so eindeutig wie bei der Weißkehlammer. Als
molekulargenetischer Unterschied zwischen Tan und Weiß wurden
chromosomale Inversionen mit rund 1000 Genen auf dem Weiß-Chromosom
festgestellt, wobei sich die Gene nicht nur auf die Färbung, sondern
auch auf andere Charakteristika wie das Verhalten auswirken
(ebenda). So sind Weiße und Tan unterschiedlich aggressiv, sie
unterscheiden sich auch in der Brutpflege. Unter den Genen in diesem
Bereich vermutlich auch solche, die direkt oder indirekt die
Partnerwahl beeinflussen.
Reaktionen auf letale Gene in der Taubenzucht
Nach den Zuchtempfehlungen bei Tauben sollen bei Genen mit letaler
oder semiletaler Wirkung zwei Merkmalsträger, auch unter
Tierschutzgesichtspunkten, nicht miteinander verpaart werden. Die
Gründe gehen aus den obigen Ausführungen hervor. In der Natur sorgt
in einigen Fällen eine negative assortative Partnerwahl für den
Erhalt der Heterogenität des Ausgangsbestandes über die
Generationen. In der Taubenzucht wird das durch gelenkte Paarungen
simuliert. Die Frage, ob es bei dominant opalfarbenen Tauben –
ähnlich der Weißkehlammer – eine natürliche Affinität für abweichend
gefärbte Partner gibt, scheint bisher noch nicht gestellt worden zu
sein. Ob Präferenzen durch die Färbung signalisiert werden oder
durch damit verbundene andere Merkmale, sei dahingestellt. Ob man
besser von rezessiv oder von dominant spricht, das kann für Dominant
Opal auch dahingestellt bleiben. Historisch wird, von der Färbung
ausgehend, von Dominanz gesprochen. Wird die Sterblichkeit der
Jungtiere in den Vordergrund gestellt, ist die Wirkung rezessiv.
Literatur:
Hedrick, Ph. W., Elaina M. Tuttle, and Rusty A. Gonser, Negative-Assortative
Mating in the White-Throated Sparrow. Journal of Heredity,
2018, 223–231.
Hollander, W.F. (Hrsg.), Pigeon Genetics Newsletter, Jahrgang 1962.
Johnston RF, Johnson SG. 1989. Nonrandom mating in feral pigeons.
Condor.
91:23–29.
Schreiber, Wolfgang, Erhebung über die Nachzucht isabeller Brünner.
Brünner aktuell 2004, 49.
Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic
Pigeon, Achim 2012.
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