Kennfarbige Thüringer Einfarbige: Die Täuberfärbung der Schimmel in
der AOC-Klasse?
Ein Geschlechtsdimorphismus mit unterschiedlich gefärbten Täubern
und Täubinnen wurde in den 1930er und 1940er Jahren durch W.F.
Hollander für den Erbfaktor Faded nachgewiesen. Die Entdeckung
führte zur Rasse der kennfarbigen Texaner. Geschlechtsbedingt haben
Täuber den Erbfaktor ‚Faded‘ zweifach, Täubinnen nur einfach.
Bewirkt wird damit die wesentlich stärkere Aufhellung von Täubern.
Abb. 1: Kennfarbige Texaner, links ein reinerbiger Faded-Täuber und
rechts die dazugehörende Täubinnenfarbe einer blauen hemizygoten
Faded-Täubin
Ein Allel von Faded, ein Faktor mit ähnlicher Wirkung am selben
Genort, scheint es schon ein Jahrhundert davor im Thüringer Wald
gegeben zu haben. Das ist einem Bericht in der ‚Gartenlaube‘ von
Ludwig Storch 1856 zu entnehmen. Er nennt dort in seinem Bericht
über Land und Leute die in Ruhla im Thüringer Wald am höchsten
geschätzten Farbenschläge. Darunter Farbenschläge, die man mit
ähnlicher Bezeichnung bei den heutigen Thüringer Einfarbigen findet.
Die Vererbung erfolgt bei den Hauptfarbenschlägen nach demselben
Muster wie bei Faded. Die farbliche Wirkung des ‚Frosty‘ genannten
Erbfaktor ist lediglich schwächer als ‚Faded‘ (Andreas Leiß). Täuber
der Thüringer auf der Grundlage blaubindiger Tiere werden bei
Reinerbigkeit für Frosty ähnlich stark aufgehellt wie hemizygote
Weibchen bei den Texanern. Täubinnen, die geschlechtsbedingt den
Frosty-Faktor nur einfach besitzen, werden nicht oder kaum in der
Färbung verändert. Bei den Täubern nennt man Reinerbige auf
blaubindiger Grundlage Blaugrundfarbige, die Weibchen sind
Blaubindige. Es gibt sie, nicht im Standard aufgeführt, auch auf
der Grundlage blaugehämmerter Tiere. Bei den Täubern hebt sich im
Schild die Hämmerung leicht ab. Züchter nennen sie Graugrundfarbig,
die hemizygoten Weibchen bleiben blaugehämmert.
Abb. 2: 1,0 Blaugrundfarbig und 0,1 Blau mit
Binden (hemizygot mit der nur einfacher
Faktorausprägung für Frosty).
Abb. 3: 1,0 Graugrundfarbig mit Haube (Thomas Oschmann) und 0,1
Blaugehämmert, hemizygot mit der nur einfacher Faktorausprägung für
Frosty, (Walter Hunger)
Abb. 4: 1,0 Hellgrundfarbig und 0,1 Silber von Frank Zetzsche
(hemizygot mit nur einfacher Faktorausprägung für Frosty).
Abb. 5: 1,0 Gelbgrundfarbig und 0,1 gelercht (hemizygot mit nur
einfacher Faktorausprägung für Frosty).
In der Verdünnung nennt man Täuber mit bindiger Zeichnung
Hellgrundfarbige. Bei gehämmerter Zeichnung sind es
Gelbgrundfarbige, die gehämmerte Zeichnung zeigt sich leicht im
Schild. Die verdünntfarbenen Weibchen sind Silber bei bindiger
Zeichnung, und Gelercht als Gegenpart zu den Gelbgrundfarbigen bei
den Gehämmerten. Der gelbe Halbmond auf der Brust zeigt, dass
Lerchen-Bronze beteiligt zu sein scheint. Das wirkt sich bei den
Nicht-Verdünntfarbenen in dem dort braun-roten ‚Noster‘ aus.
Überraschend ist die gelbe Färbung der Binden und der Hämmerung bei
den verdünntfarbenen Täubern.
Einen Standard erhielten Thüringer Einfarbige erst 1951. Anerkannt
wurden neben den nur für Täuber geltenden Farbenklassen Blau-,
Hell- und Gelbgrundfarbig zunächst auch Silberfarbige, Gelerchte,
Blaue, Blaugehämmert und Eulige sowohl für Täuber als auch für
Täubinnen. Bei einer Revision des Standards wurde der Besonderheit
der Geschlechtgebundenheit, die man zu der Zeit auch in Deutschland
bei den Texanern mitbekommen hatte, teilweise Rechnung getragen: Den
Blau-, Hell- und Gelbgrundfarbigen wurden die Täubinnenfarben Blau,
Blaugehämmert, Silber und Gelercht zugeordnet. Alle anderen
Farbenschläge, mit Ausnahme der ‚Euligen‘ (Schimmel), wurden
gestrichen. Warum die Ausnahme der Schimmel? Sie blieben nach
Einsprüchen von Thomas Oschmann im Standard. Nachgegeben wurde dem
Widerspruch wahrscheinlich wegen der nachgewiesenen langen
Tradition der Euligen in der Rasse. Diese kommt in den von Ludwig
Storch aufgezählten damaligen beliebtesten Farbenschlägen zum
Ausdruck (Abb. 6).
Abb. 6: Beliebteste Farbenschläge in Ruhla im Thüringer Forst nach
Ludwig Storch (Gartenlaube 1856)
Schimmel blieben im Ringbuchordner von 2004 im Standard, aber mit
identischer Beschreibung für Täuber und Täubinnen. Keine aufgehellte
Täuberfarbe! Die hätte man nach den Erfahrungen mit reinerbigen
Frosty-Täubern in den anderen Farbklassen aber erwarten müssen!
Thomas Oschmann hatte den Fehler wohl schon erkannt und die
Zusammenhänge zumindest erahnt. Das kann man einem Jahre
zurückliegenden Schriftwechsel entnehmen. Er berichtete von
Gestorchten in der Zucht, die nicht nur er erhalten habe. Dass diese
Gestorchten tatsächlich die Täuberfarbe zu den Schimmeltäubinnen
sind, konnten sich die Züchter damals nicht vorstellen. Es
überrascht in der Stärke der Aufhellung auch jetzt noch.
Abb. 7: 1,0 Hellgestorcht und 0,1 Schimmel bei Frank Zetzsche (hemizygot
mit nur einfacher Faktorausprägung für Frosty).
Nachgewiesen wurde das bei der Wiedererzüchtung der glattfüßigen
Thüringer Schimmel durch Frank Zetzsche, der darüber in der
GeflügelZeitung 2019 berichtete. Aus dem Zuchtbuch und beim
Verfolgen der Abstammungen zeigt sich, dass reinerbige Frosty-Täuber
mit dem Schimmelfaktor zu Hellgestorchten aufgehellt werden. Das
Besondere, im Zusammenwirken mit Frosty schon bei mischerbigen
Schimmeln (Abb. 7). Ungläubige können das im eigenen Zuchtversuch
sehr schnell nachstellen. Schimmeltäuber in der im Standard
vorgegebenen Täubinnenfärbung sind keine reinerbigen Frosty. Aus
ihnen fallen auch andere als die anerkannten Farbenschläge, die
Kennfarbigkeit als Rasse ist hin. Das Gegenstück zu den (für Frosty)
hemizygoten Schimmel-Täubinnen sind Hellgestorchte. Paradox, wenn
man die Täuberfarbe zu einer anerkannten Täubinnenfarbe in der
AOC-Klasse ausstellen muss. Vielleicht sieht man sie da mal!
Wie man am erfolgreichsten auf die beste Färbung der Schimmel in der
Täuber- und Täubinnenfarbe für die Ausstellung züchtet, wird man in
der Praxis herausfinden müssen. Aus anderen Rassen wird berichtet,
dass eine dauernde Verpaarung von Schimmeln untereinander zu
Aufhellungen führt. Dem kann man entgegenwirken, indem Täubinnen
mit Blaugrundfarbigen und Täuber mit blauen Weibchen aus
Blaugrundfarbigen verpaart werden. Wenn aus solchen Paarungen blaue
Täuber und schimmel Täuber in der Täubinnenfarbe fallen, dann stammt
die Mutter aus einer Fremdkreuzung und trägt nicht das Gen Frosty.
Literatur:
Hollander, W.F., Auto-Sexing in the Domestic Pigeon.
Journal of
Heredity, 33, 1942, pp. 135-140
Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015, S. 144-152
Storch, Ludwig (anonym), Land und Leute Nr. 5 Die Ruhl und die
Rühler, Die Gartenlaube 1856, Heft 27-29 in Fortsetzung
Zetzsche, Frank, Erzüchtung der glattfüßigen und glattköpfigen
Schimmel bei Thüringer Einfarbigen, GeflügelZeitung 18/2019, S. 18f.
A.S.
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