Mutationen oder Modifikatoren bei platinfarbenen Tauben
Mitunter treten, scheinbar aus dem Nichts, neue
Farbvarianten in einem etablierten Farbenschlag auf. Exemplarisch
dafür erhebliche Aufhellungen des Gefieders im Farbenschlag Platin
bei Pommerschen Schaukappen. Unerwünscht, weil sie auch den
anfänglich konstant vererbenden Unterschied der Geschlechter mit
helleren Täubern und dunkleren Weibchen im Farbenschlag ‚Platin‘
gefährden (Abb. 1). Verwechselt wurde Platin selbst auf
Ausstellungen mit Aschfahl. Kein gutes Omen für den Erhalt des
Farbenschlages (Abb. 2).
Das Erscheinen von Platin selbst war schon
merkwürdig. Platinfarbene sind beim Verfasser gleichzeitig mit den
Schwarzen, Blauen und Fahlen aus weißen Pommerschen Schaukappen und
aus einer blaubindigen Danziger Hochfliegertäubin und einem
blaubindigen Dänischen Tümmler-Täuber Ende der 1960er Jahre
entstanden (Pigeon Genetics 2012, S. 477). Die Farbfaktoren der
neuen Farbenschläge, das Dominant Rot der Fahlen, Spread der
Schwarzen und Aschfahlen, aber auch Platin, sind keine Mutationen in
der Erzüchtungsphase. Die Erbfaktoren waren in den Weißen, verdeckt
durch Dominant Weiß, vorhanden.
Eigene frühe Tests entkräfteten die ersten
Vermutungen, es könne sich bei Platin um Rezessiv Opal oder Milky
handeln (Sell 2012, S. 169ff., Sell 2015, S. 312 ff.). Andreas Leiß
testete ebenfalls mit negativem Ergebnis mit ‚Rusty‘.
Woher in den letzten Jahrzehnten die weiteren
Aufhellungen (z.B. Abb. 7, 8)? Eine Mutation aus Platin? So wie
Faded, der Erbfaktor kennfarbiger Texaner, aus Almonds mit dem
Stipperfaktor mutiert sein soll? Oder doch der Einfluss
modifizierender Faktoren?
Diese könnten durch Kreuzungen mit anderen
Rassen in den Stamm hineingekommen sein, in diesem Fall indirekt. In
Blaue und Schwarze wurden indigo Reisebrieftauben eingekreuzt
(woraus zwischenzeitlich Andalusier entstanden, Abb. 9) und etwas
später Dänische Braunstipper (woraus Vielfarbene und Sprenkel
entstanden, Abb. 10). Der Hauptzweck war die genetische Analyse des
damals kaum bekannten Faktors Indigo und der seltenen Braunstipper.
Die Namensgebung bei Letzteren am Rande vermerkt irreführend, denn
sie sind genetisch nicht Braun. Es wurden Nachkommen aus den
Projekten zur Vermeidung einer zu enger Verwandtschaftszucht in die
Zucht eingebaut und indirekt durch Kreuzungen mit Platin auch in
diese. Möglich, dass übertragene Erbfaktoren bei Schwarz, Blau und
Fahl nicht störten, wohl aber bei der Platinfärbung. Interaktionen
zwischen nicht allelen Genen sind in letzter Zeit mehrfach
aufgedeckt worden und von daher nicht ausgeschlossen.
Akademisch interessant, ob der anfänglich
konstant vererbende Phänotyp von Platin durch Übernahme/Wegfall von
Modifikatoren oder durch Mutation zerstört wird. Die
unterschiedlichen Erscheinungen bei den Aufhellungen und Probleme
der Erhalt des Phänotyps beim Transfer auf andere Rassen sprechen
eher für unkontrollierte Modifikatoren. Für die praktische Zucht
unerheblich. Wenn man den kurz vor dem Verschwinden stehenden
Phänotyp überhaupt erhalten will, wird man in beiden Fällen die
traditionellen Strategien zum Ausmendeln unerwünschter Merkmale
nutzen müssen.
Literatur:
Sell, A., Critical Issues in Pigeon Breeding
Part II, Achim 2020, pp. 50ff., out of print.
Sell, A., Genetik der Taubenfärbungen, Achim
2015, 364 Seiten, 570 Bilder, out of print.
Sell, A., Pigeon Genetics. Applied Genetics in
the Domestic Pigeon, Achim 2012. Mehr als 900 Fotos und zahlreiche
Tabellen, zur Zeit noch begrenzt vorhanden bei foyspetsupplies in
den USA und beim Verfasser
https://www.taubensell.de
Bilder:

Abb. 1: Unterschiedliche Färbung der
Geschlechter (links) und rechts Jungtäuber in und nach weitgehend
abgeschlossener Mauser (Quelle: Sell 2015)

Abb. 2: Aschfahl (oben) und Platinfarben
(unten) im Vergleich. Wurden sogar auf Ausstellungen miteinander
verwechselt. Kein gutes Omen für den Erhalt der Färbungen. Quelle:
Critical Issues in Pigeon Breeding, Part II, Achim 2020
Abb. 3: Schwarzer Täuber und platinfarbene
Täubin mit platinfarbenen Jungtieren. Jungtäuber links mit
durchscheinenden Binden als Indikator für die bindige Zeichnung, die
nicht vollständig durch Spread verdeckt wird. Rechts das Weibchen
mit gehämmerter Zeichnung unter Spread.

Abb. 4: Flügel- und Schwanzstudie des
platinfarbenen Jungtäubers von Abb. 3

Abb. 5: Flügel- und Schwanzstudie der
platinfarbenen Jungtäubin von Abb. 3

Abb. 6: Platin Täuber und schwarze Täubin mit
schwarzen Jungtieren

Abb. 7: Schwarzer Weißschlag und schwarze
Täubin mit platinfarbenen Jungtieren mit starken Farbveränderungen.
Großeltern einfarbig schwarz, ein Urgroßvater Platin.

Abb. 8: Flügelstudien der Jungtiere aus Abb. 7.
Der Unterschied in den Geschlechtern ist durch starke Aufhellungen
bei beiden Jungtieren im Flügelschild aufgehoben. Er zeigt sich noch
in den Schwingen heller beim Täuber (links) als beim Weibchen
(rechts).

Abb. 9: In die Rasse eingebrachter Erbfaktor
Indigo. Quelle: Sell, Axel, Pigeon Genetics 2012.

Abb. 10: In die Rasse eingebrachter Erbfaktor
Stipper. Quelle: Sell, Axel, Pigeon Genetics 2012.
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