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Nostalgie. Die Herkunft der Brieftaube
Das Bild erfolgreicher Brieftauben vor mehr als einem halben
Jahrhundert auch ein Tribut an meinen Bruder, der bis in dieses Jahr
hinein noch mit Brieftauben an Wettflügen teilnehmen konnte, und
meinen Vater, der seine Söhne im gemeinsamen Hobby unterstützte. Die
Tauben von edelster Herkunft! Aus dem Ruhrgebiet, geschlüpft aus
Eiern, die wir als Dank für die Hilfe beim Taubenauflass in Lübeck
aus den Transportkörben mitnehmen durften. Wenn die Erinnerung nicht
trügt, auch eine der besten Adressen für Brieftauben in Deutschland.
Die RV Essen-Katernberg. Aus diesem Stamm noch in Erinnerung ein
Vogel mit herausragender Flugleistung und mit Halskrause.

Leistungstauben aus der eigenen Vergangenheit vor mehr als einem
halben Jahrhundert
Die Tauben nicht unähnlich denen, die beim ersten ‚All England Race‘
aus englischen Zuchten von London aus in die Regionen in England
gestartet wurden. Die Sieger aus den unterschiedlichen
Entfernungszonen porträtiert von dem bekannten Tiermaler Harrison
Weir 1872. Einer davon auch mit einer Halskrause als Erinnerung an
die Mövchen als Ahnen. Historisch nachvollziehbar Nachkommen
belgischer Brieftauben, die über den Hafen Antwerpen nach England
verschifft wurden. Daher die zeitweise Bezeichnung ‚Antwerps‘ für
solche Tauben in England. Keine starke Bewarzung, wie beim
Englischen Carrier.

Quelle: Sell, Axel/Sell Jana: Genetik der Haustaube, Achim 2025
Wenn heute stark bewarzte Schönheitsbrieftauben als Nachkommen oder
Nachbildung historischer Botentauben in unterschiedlichen Ländern
gezeigt werden, dann sind es keine Tauben in der Tradition der
modernen Brieftaube. Sie sind es auch nicht in der Tradition der
Botentauben aus dem Orient. Diese wurden als ‚Carrier‘ des
Türkischen Reiches von Willughby 1678, und etwa zeitgleich in
deutscher Literatur als Posttaube und Türkische Taube, beschrieben.
Wie man Zeichnungen der als Dragoon, Horseman oder Scanderoon
benannten Warzentauben aus der Zeit entnehmen kann, hatte auch diese
zu der Zeit kein so extreme Warzenbildung wie der Englische Carrier,
der nach Schönheitsmerkmalen selektiert, eine Kreuzung mit Bagdetten
war.

Quelle: Sell, Axel/Jana Sell, Genetik der Haustaube, Achim 2025
Für das Ansehen der Taubenzucht und die Glaubwürdigkeit eher
abträglich, wenn für Rassetauben mit extremer Bewarzung die
Verbindung zu uralten Botentauben reklamiert wird, wenn selbst in
wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Wikipedia-Ablegern die
Abstammung der modernen Brieftaube vom Englischen Carrier als
selbstverständlich unterstellt und die Erzüchtung teilweise nach
England verlegt wird.
Literatur:
Sell, Axel/Sell, Jana: Genetik der Haustaube, Achim 2025
Sell, Axel, Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer
Gestaltung, Achim 2019

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