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Überarbeitete Version:

Sehprobleme bei hohligen Tauben und die gehämmerte Zeichnung in molekulargenetischen Analysen

Vision problems in barless pigeons and the check pattern in molecular genetic analyses

Molekulargenetische Untersuchungen haben den traditionellen Erbversuchen inzwischen den Rang abgelaufen. Eine aktuelle Untersuchung berührt u.a. das Problem der Sehprobleme bei hohligen Tieren in einigen Rassen. Festgestellt wurde für die untersuchten hohligen Tiere, dass sie homozygot für eine nicht synonym proteinkodierende Veränderung am Startcodon von NDP waren (Vickrey et al. 2018). NDP steht für Norrie Desease Protein, ein Gen, das beim Menschen mit Sehproblemen in Verbindung gebracht wird. Nicht beantwortet wurde die für Züchter besonders interessante Frage, welche genetischen Unterschiede zwischen Rassen oder Stämmen bestehen, bei denen Defekte auftreten und bei denen sie nicht auftreten. Bei hohligen Strassern ist es in der eigenen über einige Jahre betriebenen Zucht nie beobachtet worden. Klagen aus anderen Zuchten sind dem Verfasser nicht bekannt. Bei Deutschen Schautauben ist gelegentlich darüber berichtet worden (Fig. 1). Es wäre interessant, aus der Züchterschaft etwas mehr über das Rassespektrum zu erfahren, in dem die Probleme auftreten.

Dass die gehämmerte Zeichnung durch frühe Kreuzungen von der im südlichen Afrika beheimateten Guinea Taube in die Haustaube vom Menschen übertragen wurde, scheint eher spekulativ (Vickrey et al. 2018), auch dann, wenn in Gefangenschaft einige Täuber der Artkreuzung sich als fruchtbar erwiesen und nach zweimaliger Rückpaarung unter Laborbedingungen fruchtbare Nachkommen erreicht wurden. Solche Kreuzungen hatte auch Cole vorgenommen (Cole 1939), der die schon damals diskutierte These aufgrund seiner praktischen Erfahrungen aber verneinte.  Zur Zeit der Haustierwerdung hatten Menschen andere Probleme und weniger Möglichkeiten für anspruchsvolle Experimente. Ähnlichkeiten der DNA können auch in gemeinsamen Vorfahren von Arten und durch spätere parallele Mutationen begründet sein. Whitman (1919) vermutete sogar, dass die Hämmerung gegenüber den Binden die primitivere Urform wäre. Aus der Tatsache, dass die bei der Lachtaube aufgetretene rezessive Spitzkappe die gleiche genetische Basis wie die der Haustaube zu haben scheint und sich bei Artkreuzungen mit Haustauben zeigt (Vickrey et al. 2015), wird auch nicht geschlossen, dass eine Querübertragung des Merkmals stattgefunden hat.

Ein Wandbild aus dem ‚Grünen Zimmer‘ des Nordpalastes von Tell el Armana in Ägypten wird als Abbildung einer gehämmerten Taube interpretiert, erbaut wurde der Palast um 1350 v. Chr. (Haag-Wackernagel 1998, S. 47). Gehämmerte Tauben finden sich auch auf einem Mosaik aus Pompeji (Fig. 3), das um 50 n. Chr. entstand (ebenda S. 76). Etabliert haben sich gehämmerte Tauben aber  entwicklungsgeschichtlich tatsächlich erst spät in den meisten Haustaubenrassen. Marcus zum Lamm ließ sie um 1600 bei Feldtauben malen (Fig. 2). Bechstein (1795) kennt Gehämmerte bei Feldtauben und hat beobachtet, wie in Kolonien von halbwilden blaubindigen Feldtauben diese und andere Färbungen entstanden: „Da ich ein großer Freund dieser Vögel bin, so habe ich nicht nur als Naturforscher, sondern auch als Liebhaber gar sorgfältig darauf geachtet, wie sich nach und nach von dieser wilden Race (denn darunter gehören sie noch) die verschiedenen zahmen Varietäten formiren. Aus dieser gemeinen wilden Taube entsteht nämlich erstlich und zwar auch dann, wenn sie nicht im Hause gefüttert werden, die unten beschriebene gedüpfelte Feldtaube …“ (1795, S. 18). Die ersten gehämmerten Tauben bei späteren Rassetauben sind dann auch nicht zufällig unter den damaligen Feldfarbentauben zu finden. Ende des 19. Jahrhundert kam in Mitteleuropa mit den Orientalischen Blondinetten, die genetisch bei den geschuppten und gesäumten Varianten die Hämmerung mit weiteren Modifikatoren besitzen, eine andere Quelle dazu.

Wesentlich für die Argumentation war eine besonders hohe genetische Ähnlichkeit zwischen gehämmerten C. livia und C. guinea in der Hämmerungsregion. Selbst wenn es zu einer Übertragung des Hämmerungs-Gens von einer anderen Art gekommen sein sollte, ist die geschätzte Zeitspanne von vor 267 bis 716 Jahren bzw. 534 bis 1432 Jahren in Abhängigkeit von ein oder zwei Generationen pro Jahr nach historischen Darstellungen von gehämmerten Tauben dubios.

Damit wird auch die generelle Fragen nach den bei molekulargenetischen Methoden dieser Art genutzten Kriterien zur Unterscheidung von ‚Lineage Sorting‘, einer Trennung einer Art in Unterarten im Evolutionsprozess, Mutationen und Introgression, Übertragung von Merkmalen über die Artgrenzen hinweg, aufgeworfen.

 

Vision problems in barless pigeons and the check pattern in molecular genetic analyses

Molecular genetic studies have now more or less outdated the traditional hereditary experiments. A recent study addresses the problem of vision problems in barless pigeons. It was found for the examined barless individuals that they were homozygous for a non-synonymous protein-coding change at the start codon of NDP (Vickrey et al., 2018). NDP stands for Norrie Desease Protein, a gene associated with vision problems in humans. The most interesting question for breeders, however, which genetic differences exist between breeds or strains where defects occur or do not occur, was not yet answered. In blue barless Strassers, a prominent pigeon breed, it has never been observed in the years of breeding by the author. Complaints from other breeders are also not known to the author. From German Beauty Homers it was mentioned occasionally (Fig. 1). It would be interesting to learn more from the fancy about the breed spectrum in which the problems occur.

The statement that the check pattern was transferred to the domestic pigeon by humans through early crosses of the Guinea dove native to Southern Africa seems rather speculative (Vickrey et al., 2018), even though in captivity some of the males from crosses of the species proved fertile and after twice re-pairing under laboratory conditions fertile offspring were achieved. Cole had still made such intersections (Cole 1939) but from his practical experience rejected the thesis of introgression. At the time of domestication of pets humans had other problems and fewer possibilities to make such experiments. Similarities of DNA can also be based on common ancestors of the species and later parallel mutations. Whitman (1919) even suggested that check compared to bars would be the more primitive and original pattern. It is e.g. also not concluded from the fact that the recessive crest occurring in the ring neck dove seems to have the same genetic basis as the domestic pigeon and shows up in crosses with domestic pigeons (Vickrey et al., 2015) that a cross-transmission of the trait has taken place.

A mural from the 'Green Room' of the Tell el Armana North Palace in Egypt is interpreted as a picture of a checked pigeon, the Palace was built around 1350 BC (Haag-Wackernagel 1998, p. 47). Checked pigeons can also be found on a mosaic from Pompeii, which originated around 50 AD (ibid., p. 76). However, checks have actually established themselves late in most domestic pigeon breeds. Marcus zum Lamm had them painted in field pigeons around 1600 AD (Fig. 2). Bechstein (1795) knows about checks at field pigeons and has observed how this and other colourations arose in colonies of semi-wild blue-bar pigeons: "Since I am a great friend of these birds, thus, not only as a naturalist, but as a fancier, I have carefully observed how the various tame varieties are gradually formed by this wild pigeons (for which they still belong). In the first place, and even if they are not fed in the house, the checkered field pigeon described below arises from this common wild pigeon ..." (translated from Bechstein 1795, p. 18). The first checks in later fancy pigeons are then not to be found by chance among the field color pigeons. At the end of the 19th century, in Central Europe, the Oriental Blondinette, genetically bred in the laced and check variants with additional modifiers, was another source.

Essential for the argumentation was the great genetic similarity between C. livia check and C. guinea especially in the check region. Even if there had been an introgression, the estimated time span of 267 to 716 years ago for one generation per year and 534 to 1432 years for two generations per year according to historical representations of check pigeons is dubious. This raises the general questions about the criteria used in molecular genetic methods of this kind to differentiate between 'lineage sorting', a separation of a species into subspecies in the evolutionary process, mutations and introgression, the transfer of traits across species boundaries.

Literature:

Bechstein, Johann Matthäus, Gemeinnützige Naturgeschichte Deutschlands nach allen drey Reichen, 4. Band, Leipzig 1795.

Cole, L.J., The Origin of the Domestic Pigeon, Seventh World’s Poultry Congress 1939, Papers from the Department of Genetics, Wisconsin Agricultural Experiment Station, no. 242.

Haag-Wackernagel, Daniel, Die Taube, Vom Heiligen Vogel der Liebesgöttin zur Strassentaube, Basel 1989.

Sell, Axel, Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften. Faszination Tauben durch die Jahrhunderte, Achim 2009.

Vickrey, A.I., et al., Convergent Evolution of Head Crests in Two Domesticated Columbids Is Associated with Different Missense Mutations in EphB2, Mol Biol Evol 2015 Oct 32(10):2657-64.

Vickrey, Anna I. et al.,  Introgression of regulatory alleles and a missense coding mutation drive plumage pattern diversity in the rock pigeon, Research article Jul 17, 2018 University of Utah, University of Texas, University of Illinois Urbana-Champaign, United States, https://elifesciences.org/articles/34803

 

 

Fig. 1: Strasser blau ohne Binden und Deutsche Schautaube blau ohne Binden (Strasser blue barless and German Beauty Homer blue barless)

 

Fig. 2: Feldtauben gehämmert bei Marcus zum Lamm um 1600, abgebildet in Sell, Axel, Taubenrassen, Achim 2009, S. 31 (Field Pigeon check in a painting from Marcus zum Lamm about 1600)

 

Fig. 3: Gehämmerte Tauben neben einer bindigen auf einem Mosaik aus Pompeji um 50 n. Chr., Quelle: Haag-Wackernagel, Die Taube, Basel 1998, S. 76 (Check pigeons besides a bar at a mosaic from Pompeji about 50 AD. Source: Haag-Wackernagel 1998)