Seltene und noch immer nicht vollständig verstandene Scheckungen:
Gedeckt und geherzt bei Bagdetten und Trommeltauben
‚Gedeckt‘ ist ein regelmäßiges Scheckungsmuster bei Bagdetten und
Fränkischen Trommeltauben. In Rassen, in denen die Scheckung zu
finden ist, gibt es auch Geherzte. Geherzt genannt nach den farbigen
Schultern und dem farbigen Rücken (Neumeister/Prütz 1876, S. 37).
Von oben erscheinen die farbigen Teile herzförmig. Zusätzlich haben
Geherzte, wie Gedeckte, einen farbigen Backenfleck. In älterer
Literatur werden sie missverständlich gescheckt genannt. In der MB
von 1951 für Nürnberger Bagdetten wird durch einen Zusatz in
Klammern deutlich, dass gescheckt ‚überdeckt‘ bedeutet:
„Farbenschläge: Alle Haupt- und Nebenfarbenschläge geherzt,
gescheckt (überdeckt) wie auch einfarbig“. Bei Gedeckten ist damit
das gesamte Flügelschild mit Ausnahme des Flügelbugs farbig
‚überdeckt‘.
Abb. 1: Fränkische Trommeltaube schwarz gedeckt aus dem Buch
‚Tauben. Züchten mit System‘ von 1995; Nürnberger Bagdette geherzt
in der Musterbeschreibung von 1951
Eine erste, wenn auch nicht ganz korrekte Zeichnung einer Gedeckten
stammt von Neumeister 1837 bei der Darstellung einer ‚Bagadotte‘.
Nur der Backenfleck fehlt. Die Scheckung ist aber wohl eher zufällig
fast richtig getroffen, denn Neumeister scheint bei den Schecken der
Rasse noch kein Muster erkannt und die Verteilung der farbigen
Flecken für alle Schecken einschließlich der Geherzten eher für
beliebig gehalten zu haben. Das gilt auch für Prütz 1876 als
Herausgeber der 3. Auflage des Neumeisters, der dort dieselbe
Zeichnung weiter verfremdet zeigt.
Abb. 2: Ausschnitt aus der Tafel zu den Bagdetten bei Neumeister
1837 und dieselbe Tafel aus der 3. von G. Prütz herausgegebenen
Auflage 1876
Die korrekte Scheckung einer Geherzten findet man aber nur wenig
später dann doch im Bild bei Prütz in seinem Mustertaubenbuch von
1885. Schachtzabel zeigt 1910 neben einer Weißen und drei Geherzten
auch eine korrekt gescheckte Gedeckte. Eine solche findet sich auch
auf dem Cover der Monographie von W.K.G. Moebes über die Nürnberger
Bagdetten von 1950.
Abb. 3: Bagdetten blau gedeckt (links) und gelb, schwarz und
rotgeherzt (Mitte) sowie weiß (rechts) bei Schachtzabel 1910 sowie
geherzte und jeweils eine weiße und gedeckte Bagdette auf der
Broschüre von Werner K.G. Moebes über die Nürnberger Bagdette 1950
Färbungen und Gestalt haben nicht nur Tiermaler begeistert. Die
Formgebung der Nürnberger hat in die gestaltende Kunst auch Eingang
in Form von Taubenskulpturen gefunden.
Abb. 4: Nürnberger Bagdetten geherzt und gedeckt durch Dieter M.
Fliedner
https://www.pigeon-anatomy.com/kontakt-contact/
Die traditionelle Bezeichnung ‚geherzt‘ hat man im
Rassetaubenstandard bei einigen Rassen in ‚geganselt‘ umgewandelt.
Nicht unbedingt hilfreich für das Verständnis der Scheckung, denn
sowohl vom rassemäßigen als auch vom genetischen Hintergrund
unterscheiden sie sich von Ganseln, wie man sie historisch bei den
Wiener Tümmlern und verwandten Rassen findet.
Der Erbgang für ‚Gedeckt‘ ist nach den bisherigen Erkenntnissen
komplex (Sell 2012, 2015). Für Züchter, die spalterbige
Farbenschläge nach dem zu wörtlich verstandenen Motto ‚züchtet rein
und züchtet echt‘ für etwas Unanständiges halten, sind sie eher ein
Spuk, dem man die Mischerbigkeit austreiben müsse. Für andere
erscheinen das zunächst unverstandene Aufspalten der Gedeckten, das
wieder Zusammenfügen in der Zucht wie auch die Farbkontraste der
Scheckung als ein Wunder der Natur. Aus dieser Sicht ein
erhaltenswertes Kulturerbe der Rassetaubenzucht. Informationen zur
Vererbung verdanken wir Züchtern der Fränkischen Trommeltauben um
Rudolf Hartmann. Der Farbenschlag ist spalterbig und konnte in einer
Symbiose mit Weißen, andersfarbigen Einfarbigen und Geherzten
gezogen werden. Aus zwei Gedeckten können bei entsprechender
genetischen Konstellation neben Gedeckten und Geherzten auch
Einfarbige fallen. Die Nebenfarben können wieder in die Zucht
eingebaut werden.
Abb. 5: Bildmontage für die möglichen Aufspaltung bei der Verpaarung
zweier gedeckter Fränkischer Trommeltauben in Einfarbig, Gedeckt,
Geherzt und einfarbig Weiß
Die Rassetaubenzucht versteht sich selbst als Organisation, die
altes Kulturgut erhält. Erfolgreicher ist sie gelegentlich
allerdings bei der Zerstörung. Die Umbenennung von geherzt in
geganselt ist sicherlich nicht hilfreich für das Verständnis des
Farbenschlages. In der genetischen Terminologie sollte man besser
bei ‚geherzt‘ bleiben.
Züchter tragen durch zu häufige Fremdpaarungen mit anderen
Scheckungen, nicht nur bei den hier behandelten Farbenschlägen, das
ihre zur Destabilisierung der Erbgänge bei. Auf den Schauen werden
Abweichungen von dem traditionellen Scheckmuster von Züchtern und
Preisrichtern oft gar nicht als grundlegend andere Scheckmuster
erkannt, wie etwa bei der auf einer Großschau als gedeckt
ausgestellten und bewerteten Fränkischen Trommeltaube.
Abb. 6: Fränkische Trommeltauben als Gedeckte ausgestellt. Links mit
fehlerhafter Färbung des Unterbauches und fehlendem weißen Flügelbug
(vielleicht eine Spätfolge der Kreuzung mit Englischen Nonnen),
rechts mit korrekter Scheckung
Fälschlich in der Fachpresse als korrekte Vertreter herausgestellt,
können die neuen Schecken zum Verschwinden der Originale und der
hinter den Erbgängen stehenden Erbfaktoren führen. „Die heimlichen
Neuzüchtungen“ wurde das vor Jahren in einem Kapitel des Buches
‚Züchten mit System‘ einmal genannt. Wollte man in der
Rassetaubenzucht ernsthaft Bewahrenswertes schützen, dann wären ein
Monitoring und eine Aufklärung über züchterische Hintergründe eine
unverzichtbare Aufgabe für Zuchtausschüsse.
Literatur:
Hellmann, Thomas, The Scandaroon. A Historical Review by Werner K.
Moebes, o.O., Juli 2018
Moebes, Werner K.G., Die Nürnberger Bagdette im Wandel der Zeit,
Bochum o.J. (1950)
Neumeister, G., Das Ganze der Taubenzucht, 3. Auflage von Gustav
Prütz Weimar 1876. Unveränderter Nachdruck Verlag Neumann-Neudamm
1988
Neumeister, G., Das Ganze der Taubenzucht, Weimar 1837
Prütz, Gustav, Illustrirtes Mustertaubenbuch, Hamburg o.J. (1885)
Schachtzabel, E., Illustriertes Prachtwerk sämtlicher Tauben-Rassen,
Würzburg o.J. (1910)
Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic
Pigeon, Achim 2012
Sell, Axel, Tauben. Züchten mit System, Reutlingen 1995
Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015
S. Jürgens Verlag (ed.), Die Musterbeschreibung der Tauben.
Autorisierte Ausgabe der Fachorganisationen der deutschen
Rassegeflügelzüchter, München 1951
|