Die ersten englisch- und deutschsprachigen Taubenmonographien
Die erste englischsprachige Monographie über Tauben ist das ‚Columbarium:
Or the Pigeon House‘ des englischen Apothekers John Moore von
1735 (Abb. 1). In der Nachfolge, eng daran angelehnt, die durch
Abbildungen vervollständigte anonyme ‚Treatise‘ 1765.
Deutschsprachige Monographien kamen später. Die beiden vor 1800 auch
anonym. Die erste 1790 aus Ulm, ‘Nützliches und vollständiges
Taubenbuch‘ (Abb. 2). Die zweite 1798 aus Berlin, ‘Gründlicher
Unterricht in der Taubenzucht‘ (Abb.3).
Abb. 1: Titelblatt des Columbariums von John Moore 1735 und Abb. 2
des Nützlichen und vollständigen Taubenbuches von 1790
Abb. 3: Titelseite und Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis der
‚Gründlichen Unterrichts in der Taubenzucht‘ von 1798. Quelle: Sell,
Taubenrassen 2009
Grundlagen für die Taubenmonographien
Wenn von ersten Monographien über Tauben geschrieben wird,
bedeutet es nicht, es wären die ersten Schriften über Tauben. Solche
existierten vorher, eingebettet in Schriften zur Landwirtschaft, in
naturwissenschaftlichen Werken zur Ornithologie und als Einträge in
Lexika. Moore konnte u.a. auf die Ornithologie von Willughby 1676 in
Latein und 1678 in Englisch zurückgreifen. Auf Latein auf die
Ornithologie von Aldrovandi 1599, 1610 (Abb. 5, 5). Deutschsprachig
finden sich 19 großformatige Seiten über Haustauben im ‚Vogelbuch‘
von Gessner 1557 (Abb. 4). In der von Horst redigierten Ausgabe von
1669 sind es 20 Seiten.
Abb. 4: Gesner, Conrad, Vogelbuch, Zürich 1557.
Abb. 5: Aldrovandi, Ornithologia 1610, Tafel 7, Quelle: Sell,
Taubenrassen 2009
Das anonyme ‚Ulmer Taubenbuch‘ von 1790 stützt sich inhaltlich u.a.
auf Buffons Band 4 über Vögel (1772) in der Reihe ‚Histoire
Naturelle‘ und zitiert neben anderen auch Einträge in den Leipziger
oekonomisch-physikalischen Abhandlungen von 1753. Das Rätsel über
die Autorenschaft dieses Buches scheint gelöst. Moebes (1945)
vermutete noch Pfarrer Bürger. Nach zeitnahen Quellen (Meusel
1797/1809) der Pfarrer Christoph Ferdinand Moser. Nach Moebes (1945)
ist das Buch nicht selten. Vollständig nachgedruckt wurde es in der
vom VDT herausgegeben Schrift ‚105 Jahre organisierte
Rassetaubenzucht in Deutschland‘.
Der gründliche Unterricht in Taubenzucht
Das Buch von 1798 ist im Unterschied zu den anderen kaum bekannt. Es
war auch Moebes bei der Zusammenstellung der Taubenliteratur 1945
nicht bekannt. Es ist auf praktische Fragen gerichtet und holt nicht
so weit aus wie das Ulmer Taubenbuch. Angezeigt wurde es mit einer
kurzen Empfehlung im ‚Kaiserlich privilegirten Reichs-Anzeiger 1798,
2: „Für Taubenliebhaber und Oekonomen: Wer zu seinem Nutzen und
Vergnügen Tauben halten und sie mit beträchtlichem Vortheil
vermehren will, dem ist nachfolgende so eben in Druck erschienene
Schrift zu empfehlen. Gründlicher Unterricht in der Taubenzucht.
Nach dreißigjähriger Erfahrung aufgesetzt, und zu´m allgemeinen
Nutzen und Vergnügen herausgegeben von einem Taubenfreunde, 8.
Berlin 1798. Diese Schrift ist in allen Buchhandlungen Deutschlands
für 4 gl. zu bekommen.“
Abb. 6: Quelle: Kaiserlich privilegierter Reichs-Anzeiger 1798, 2
Die Bedeutung zur damaligen Zeit wird in der ‚Allgemeinen
Literaturzeitung‘ vom Jahre 1798, October, November, December in
einer längeren Besprechung herausgehoben: „Wir haben zwar in
verschiedenen ökonomischen Schriften Anweisungen zur Taubenzucht,
sie sind aber meistens nicht ausführlich genug, und übergehen
manches Wünschenswerte, weswegen diese Zucht nicht vorteilhaft genug
betrieben wird. Gegenwärtigem Unterrichte muß man das gerechte Lob
widerfahren lassen, daß er alle seine Vorgänger bey weitem
übertrifft, und zwar kurz, doch gut, alles saget, was den
Taubenfreunden zu wissen wichtig ist. Dies Büchlein zerfällt in 14
Abschnitte. 1) Mancherlei Arten von Tauben. 2) Natürliche
Eigenschaften oder Instincte derselben. 3) Verschiedene Krankheiten
der Tauben ….“.
Stellenwert und Autorenschaft des gründlichen Unterrichts
Der Stellenwert des Buches in der Entwicklung der Taubenliteratur
wird dadurch deutlich, dass es in nachfolgenden Schriften wie bei
Chr. A. Buhle 1844/1861 im Literaturverzeichnis erscheint.
Bemerkenswert im Hinblick auf die zu der Zeit noch nicht
organisierte Rassetaubenzucht, dass schon im Titel Nutzen und
Vergnügen nebeneinander auftauchen. So werden neben den heimischen
Farbentauben auch die aus fernen Ländern stammenden Mövchen,
Tümmler, Trommeltauben u.a. aufgeführt. Ein Original ist in der
Sächsischen Staatsbibliothek in Dresden vorhanden. In einer
schwedischen Bibliothek wurde die Schrift vor Jahre im Bestand
gezeigt. Nach einem Beitrag in einem Diskussionsforum gibt es in
Schweden weitere Originale. Das gilt wahrscheinlich auch für die
Niederlande. Die Autorenschaft der Schrift ist noch offen. Das
eigene Exemplar trägt kein Signum. Einer der Vorbesitzer hatte
seinen Namen eingetragen. Der wurde aber überstrichen (Abb. 7).
Abb. 7: Signatur eines Vorbesitzers des ‚Gründlichen Unterrichts…“
von 1798
Aus dem Sichtbaren konnte der Verfasser keine Antwort ableiten,
vielleicht erkennt ein Leser Ähnlichkeiten mit Signaturen in anderen
Büchern.
Abb. 8: Quellenwerke zur Taubenliteratur
Literatur
Aldrovandi (Aldrouandi), Ylyssis, Ornithologiæ, Francofvrti M.DC.X.
(1610).
Aldrovandi, Ylyssis, Ornithologiæ, Bologna MDC (1600).
Allgemeine Literatur-Zeitung vom Jahre 1798, Vierter Band, October,
November, December, Kleine Schriften: Oekonomie, Berlin, bei Mauer,
Gründlicher Unterricht in der Taubenzucht…
Doll, Paul, 105 Jahre organisierte Rassetaubenzucht in Deutschland,
Verlag des Verbandes Deutscher Rassetaubenzüchter, 2009 (enthält den
Nachdruck des Ulmer Taubenbuches)
Gesner, Conrad, Vogelbuch, Frankfurt am Main 1669, aus dem
Lateinischen mit Verbesserungen durch Georgium Horstium, Nachdruck
durch die Schlütersche Verlagsanstalt und Druckerei Hannover 1995.
Gesner, Conrad, Vogelbuch.
Darin die art/natur und eigenschafft aller vöglen / sampt jrer waren
Contrafactur / angezeigt wirt: ... Erstlich durch doctor Conradt
Geßner in Latein beschriben: neüwlich aber durch Rudolff Heüßlin mit
fleyß in das Teütsch gebracht / und in ein kurtze ordnung gestelt,
Getruckt zu Zürich bey Christoffel Froschouwer im Jar als man zalt
M.D.LVII (1557)
Kaiserlich privilegirter Literaturanzeiger 1798/2: „Für
Taubenliebhaber und Oekonomen …“
Meusel, Johann Georg, Das
gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden
Teutschen Schriftsteller. Fünfter Band Fünfte Ausgabe, Lemgo im
Verlage der Meyerschen Buchhandlung, 1797.
Meusel, Johann Georg, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800
verstorbenen Teutschen
Schriftsteller. Neunter Band Leipzig 1809.
Moebes, Werner K.G., Bibliographie der Tauben, Akademischer Verlag
Halle 1945.
Moore, J., Pigeon-House. Being an Introduction to Natural History of
Tame Pigeons. Columbarium: or the pigeon house, Printed for J.
Wilford, London 1735
o.V., A Treatise on Domestic Pigeons, London MDCCLXV (1765), Reprint
Chicheley, Buckinghamshire 1972.
Sell, A., Taubenrassen. Entstehung, Herkunft, Verwandtschaften.
Faszination Tauben durch die Jahrhunderte, Achim 2009
Ulmer Taubenbuch (Chr. F. Moser), Nützliches und vollständiges
Taubenbuch, oder genauer Unterricht von der Natur, Eigenschaften.
Verpflegung, Nahrungsmitteln, Krankheiten, Nutzen, Schaden usw.,
Ulm, Wohlersche Buchhandlung 1790 (anonym)
Willughby, Francis,
Ornithologia, Libres Tres, Londini MDCLXXVI (1676); The Ornithology
in Three Books. Translated into English, and enlarged with many
Additions throughout the whole work by John Ray, Fellow of the Royal
Society, London 1678.
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